Dass man sich mit Kritik an Alternativmedizin nicht gerade beliebt macht, haben viele Skeptiker sicher schon erlebt.
Dass selbst Hochschulangehörige mit solcher Kritik nur schlecht umgehen können, zeigt der Fall, über den wir hier im Blog schon Anfang des Monats berichtet haben: Da wurde Edzard Ernst, einer der bekanntesten und renommiertesten Kritiker alternativmedizinischer Verfahren und emeritierter Professor der University of Exeter, UK, in Zürich aus der Berufungskommission für einen Lehrstuhl für Naturheilkunde gedrängt.
Völlig unabhängig davon erhielt er vor etwa zwei Monaten eine Einladung, beim Wissenschaftszentrum der Deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur in München am heutigen Freitag einen Vortrag zu halten.
Er nahm an.
Am vergangenen Freitag, also eine Woche vor dem Vortrag, findet er folgende Mail in seinem Postfach – mit dem Absender hatte er vorher keinen Kontakt gehabt:
Sehr geehrter Herr Kollege Ernst,
als Vorsitzender des Wissenschaftszentrums der deutschen Ärztegesellschaft für Akupunktur (DÄGfA) möchte ich Sie heute über Neuentwicklungen im Zusammenhang mit Ihrem geplanten Vortrag am 23. November in München informieren.
Zunächst möchte ich nicht verhehlen, dass die sehr breit geführten Diskussionen über die Vorgänge im Zusammenhang mit der Neubesetzung der Professur für Komplementärmedizin an der Universität Zürich auch die Mitglieder des Wissenschaftszentrum erreicht haben. Wir haben in diesem Zusammenhang zahlreiche Rückmeldungen aus dem Kreis der Mitglieder erhalten, die sich besorgt darüber auszudrücken, dass wir am 23. November“ „belastet“ diese Veranstaltung stattfinden lassen könnten. Dies besonders auf dem Boden der Tatsache, dass auch Mitglieder des Wissenschaftszentrums in diesen Prozess in Zürich aktuell involviert sind. Da es sich in Zürich gegenwärtig um ein“ laufendes „Verfahren handelt, möchten wir nicht den Eindruck erwecken, in diesen Prozess einzugreifen. Ich möchte Sie daher auf diesem Weg bitten, für dieses Jahr von der Einladung nach München am nächsten Freitag Abstand zu nehmen. Ich hätte ihnen dies, sehr geehrter Herr Kollege Ernst gerne persönlich erläutert, aber sie schlugen, vor diesen m Weg zu wählen.
Ich hoffe, Sie haben für diese Entscheidung Verständnis. Bitte teilen Sie unserem Sekretariat mit, wie wir eventuelle Reisebuchungen von uns aus stornieren können. Entstandene Kosten bitte ich uns in Rechnung zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Winfried Eberhard Banzer
Edzard Ernst sieht zwischen den Vorgängen in der Berufungskommission in Zürich und seiner Einladung nach München allerdings keinen Zusammenhang, wie er heute im SZ-Interview ausführlich erklärt. Er hält die Ausladung für ein Eigentor der Akupunktur-Ärzte – nicht zuletzt deshalb, weil er die Akupunktur für eine unter Umständen durchaus sinnvolle Methode der „Alternativmedizin“ hält.
Das legt er auch Herrn Prof. Banzer dar. In seiner Antwort schreibt er:
Sehr geehrter Herr Professor Banzer,
bezueglich Ihrer email vom 16. November muss ich mein Erstaunen darueber ausdruecken, dass Sie oder andere Mitglieder Ihrer Organisation das Berufungsverfahren in Zuerich in Zusammenhang mit meinem Vortrag bringen koennen.
Ich hatte nach einigem Zoegern zugesagt, die Einladung nach Muenchen zu einem Vortrag mit dem Titel „Clinical trials of acupuncture: a critical assessment“ anzunehmen. Sie hatte nicht das Geringste mit Zuerich zu tun und erfolgte, als ich bereits Mitglied der Berufungskommission in Zuerich war. Inzwischen bin ich, wie Sie wohl wissen, aus dieser Kommission ausgeschieden.
Sie schreiben, dass Sie nicht den Eindruck erwecken wollen, in ein laufendes Verfahren einzugreifen. Genau das haben Sie jedoch mit Ihrer „Ausladung“ erreicht. Mein Vortrag waere u.a. auch auf das Problem des haeufig unzureichend rational motivierten Akupunkturforschers eingegangen – ist es nicht ironisch, dass Sie mit Ihrer „Ausladung“ weitere, ueberzeugende Evidenz fuer die Irrationalitaet in der Akupunktur-Szene geliefert haben?
Ich werde meinen Vortrag natuerlich nicht halten. Da ich inzwischen jedoch Plaene um diesen Termin herum gemacht habe,muss ich dennoch nach Muenchen reisen,werde Ihnen aber meine Reisekosten nicht in Rechnung stellen. Die erhebliche Vorbereitungszeit fuer diesen Vortrag erlaube ich mir jedoch zu berechnen.
Mit freundlichen Gruessen
E Ernst
Wir sind gespannt, wie sich die Akupunkturärzte dazu weiter verhalten.
Zum Weiterlesen:
- Alternative Heilverfahren: Kritiker werden als „extreme Skeptiker“ abgestempelt, Süddeutsche Zeitung am 23. November 2012
- Das Oktoberfest ist lustig – die Akupunktur auch, GWUP-Blog am 25. November 2012
23. November 2012 um 21:28
Ich würde Ihren Vortrag gern hören. Wo bietet sich eine Gelegenheit? Oder könnte man ihn zum geplanten Termin allen Interessierten als Web-Vortrag zugänglich machen um der Bevormundung der hom. Industrie und ihrer habilitierten Pharmareferenten zu entgehen?
24. November 2012 um 08:31
den vortrag kann ich als powerpoint zu verfuegung stellen. als manuskript existiert er nicht, da ich nie vortraege in dieser form vorbereite.
24. November 2012 um 09:01
deutlicher kann man die angst vor der wahrheit nicht ausdrücken,
die ganzen akupunteure mit ihrem seltsamen verein sollten sich ganz dringend mit ihrem tun , „in frage stellen“.
ev werden es ja noch normale ärzte die sind gesucht.
mfg. diabetiker
26. November 2012 um 07:14
Mich würden auch schon die Folien (Powerpoint) interessieren.
Auf diesem Wege „Danke!“ für Ihre Arbeit, Dr. Ernst.
26. November 2012 um 22:32
Lieber Herr Ernst,
weiter so und vielen Dank für Ihr skeptisches Engagement. Dieser Missbrauch wissenschaftlicher Methoden und der Versuch sich im Deckmantel der Wissenschaft seriös zu geben, sind bei Alternativ-Medizinern eh ein Skandal.
28. November 2012 um 14:22
GWUP: kann der vortrag/powerpoint auf diesem blog fuer interessierte publiziert weden? „DER VORTRAG DEN DIE DEUTSCHE AERZTEGESELLSCHAFT FUER AKUPUNKTUR NICHT ANHOEREN WOLLTE“
29. November 2012 um 09:10
@edzard ernst:
Könnten Sie mir zu diesem Punkt des Süddeutsche-Interviews einen guten Literaturtip geben?
Vielen Dank im Voraus!
29. November 2012 um 16:31
Auf „PUBMED“ findet man jede menge studien. Alternativ koennen sie sich ein Cochrane Review anschauen – da ist dann die methodische Qualitaet der Primaerstudien schon evaluiert.
18. Dezember 2012 um 11:26
Dieser Vortrag wuerde mich auch interessieren. Aehnliche Studien kann man auch hier (http://eumedjob.eu/) finden
16. Januar 2013 um 21:08
Würde mich auch interessieren, wo bekommt man die Folien (Powerpoint)?
Gruss Thomas