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Exorzismus: Treibt den Unsinn aus!

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Die erste deutschsprachige Meldung zu dem Exorzismus-Film „The Rite – The Making of an Modern Day Exorzist“ (Februar 2011) ist bei kath.net erschienen: „Neuer Kirchenthriller aus Hollywood. Anthony Hopkins als Exorzist.“

Anscheinend ist mal wieder der Teufel los. Aber warum nur?

„Der Exorzist“ (1973) entstand zu einem Zeitpunkt, „als das Unbehagen an moderner Wissenschaft und Technik auf breitere Bevölkerungskreise übergriff“, analysiert das Lexikon des Horrorfilms die Wirkungsgeschichte des Urvaters aller Filme über dämonische Besessenheit. Etwas tiefer steigt das Cinema-Filmbuch „Der Horrorfilm“ in die Materie ein:

Der Erfolg des Films beruhte zu einem gewissen Teil auf seinem soziopolitischen Gehalt, reflektierte er doch geschickt die Unsicherheiten seiner Zeit. In Amerika taten sich Schluchten auf zwischen Eltern und ihren Kindern, die Generationen konnten nicht mehr miteinander kommunizieren.
Die Jungen warfen den Alten vor, für den Vietnamkrieg und Watergate verantwortlich zu sein, die wiederum sahen in ihren Söhnen und Töchtern Unamerikaner, die Drogen rauchten und freie Liebe praktizierten.

Der Exorzist nimmt die Position der Elterngeneration ein, die Gefahr, so zeigt er, lauert in den Kindern: Ein kleines, nettes Mädchen verwandelt sich in einen röchelnden Dämon, ein krudes Sinnbild für den – seinen Eltern entfremdeten – Hippie der Woodstock-Ära.“

Tja, mag sein. Aber was ist der Grund für die gegenwärtige Beliebtheit des Themas Exorzismus?

Eine Ahnung davon beschleicht einen, wenn man der kath.netEmpfehlung folgt und sich die soeben publizierte deutsche Übersetzung der literarischen Vorlage für den Film „The Rite“ antut: „Die Schule der Exorzisten. Eine Reportage“.

Man muss es gelesen haben, um es zu glauben.

Die „fesselnde Reportage jenseits aller Exorzismus-Klischees“ (Klappentext) dreht sich um einen 50-jährigen Priester im kalifornischen San Jose, der von seinem Bischof zum Exorzisten ernannt wird, entsprechende Kurse in Rom besucht und bei der Ausübung seines neuen Amtes von dem Journalisten Matt Baglio auf Schritt und Tritt begleitet wird.
Einige Passagen daraus seien im Folgenden wörtlich wiedergegeben:

In der überlieferten Kunde vom Exorzismus ist vielleicht nichts so berüchtigt wie das Opfer, das seltsame Gegenstände oder reichliche Mengen an Flüssigkeiten erbricht (…) Pater Carmine hatte selbst einen solchen Fall, bei dem eine Frau kübelweise Sperma ausspie. Etwas Derartiges geht normalerweise auf eine Verwünschung zurück; die betroffene Person hat verwünschte Nahrung zu sich genommen, die sie dann wieder ausstoßen muss (…)

Beachten Sie auch, dass Exorzisten glauben, diese Gegenstände müssten nicht unbedingt aus dem Magen der betroffenen Person kommen, sondern könnten sich statt dessen im Mund materialisieren. Daher sind diese Menschen körperlich auch nicht verletzt, auch wenn sie offenbar spitze oder scharfe Objekte wie Glasscherben oder Nadeln ausspucken (…)

Andere Exorzisten haben Dinge gesehen, die sich jeglicher Erklärung widersetzen (…) Einmal beobachtete Pater Carmine, wie eine Frau eine kleine schwarze Kröte ausspie, die noch am Leben war. Als er sie fangen wollte, löste sie sich zu schwarzem Speichel auf.“

Ein anderer Protagonist der 350-Seiten-Schwarte lässt sich über „eine der Hauptgefahren“ aus, mit denen ein Exorzist konfrontiert werde: die sexuelle Versuchung:

Manchmal müssen wir uns sehr vor den Leuten, die wir exorzieren, in Acht nehmen, weil sie im Exorzisten leicht sinnliche Begierden entstehen lassen können‘, sagt Pater Dermine. Einige der Frauen, die von Pater Dermine Hilfe erbaten, waren schon recht attraktiv, und bei den Exorzismen versuchten auch tatsächlich manche von ihnen, sich die Kleider vom Leib zu reißen (…)

Das Überraschende daran war, dass die Anfechtungen den Geistlichen nicht schon während der Exorzismen überkamen, sondern erst hinterher, als er im Bus fuhr oder auf den Straßen Roms entlang lief. Unfähig, von allein damit fertig zu werden, ging er hinunter in die Kapelle der Casa und betete still zu Gott, dass er ihm Kraft geben möge.

Als die Gedanken immer noch nicht weggingen, sogar nach leidenschaftlichem Gebet, ärgerte er sich langsam über sich selbst. Hatte er eine Pforte geöffnet, die es einem Dämon erlaubte, ihn anzugreifen?“

So wird’s wohl sein. Müssen wir weiter fortfahren? Kaum, denn die „fesselnde Exorzismus-Reportage“ ist weder „anregend“ noch „mitunter verstörend“ (kath.net), sondern ein selten abstruses und widerliches Dokument des Irrsinns.

Ach ja, einen pseudowissenschaftlichen Anstrich bekommt das aberwitzige Treiben der Exorzisten natürlich auch verpasst:

Paranormale Ereignisse – Gedanklenlesen, Levitation – entziehen sich auch weiterhin wissenschaftlichen Erklärungen. Vielleicht wird die Wissenschaft ja eines Tages in der Lage sein, uns verständlich zu machen, weshalb diese Dinge geschehen.

Aber bis dahin wäre es doch ein Verrat an den Grundsätzen der wissenschaftlichen Neugier, ließe man eine ganze Reihe von Erfahrungen einfach unberücksichtigt, die das Leben so vieler Menschen betreffen – und das nur deswegen, weil sie sich einer rein ,wissenschaftlichen‘ Erklärung widersetzen.“

Wie war das gleich nochmal mit dem achten Gebot, das die Lüge verbietet? Oder weiß der Autor es wirklich nicht besser?

Wie auch immer: Hier geht es nicht mehr um ein vages „Unbehagen an moderner Wissenschaft“. Sondern darum, Wissenschaft und Naturgesetzen prinzipiell ihre Gültigkeit abzusprechen und mittelalterlichen Wahnideen zu huldigen – selbstredend mit dem üblichen Schuss Frauenverachtung.

„Driving Out the Nonsense!“ überschrieb der Skeptical Inquirer vor einiger Zeit einen Artikel zum Thema Exorzismus. Dem kann man eigentlich nichts mehr hinzufügen.

Zum Weiterlesen:

  • Exorzismus in Deutschland, GWUP-Blog am 17. Februar 2010

10 Kommentare

  1. 2008 gab das Erzbistum Paderborn – via Google zu überprüfen – drei Exorzismen seit dem Jahr 2000 zu (n-tv: „Normal, aber selten“), und 2010 – private Information – fand ein weiterer statt, der laut meiner Quelle „schiefging“. Vielleicht gehen Sie einmal der Sache nach, das Erzbistum hat ja eine Pressestelle. Wundern tut mich das Interesse an Teufelsaustreibungen nicht, wenn man sieht, dass die Kulturstiftung des Bundes eine Zombie-Konferenz fördert, siehe http://www.facebook.com/dieuntoten

  2. @Ralf:

    Danke für den Hinweis/die Anregung – haben wir schon gemacht:

    https://blog.gwup.net/2010/02/17/exorzismus-in-deutschland/

  3. @Ralf:

    << wenn man sieht, dass die Kulturstiftung des Bundes eine Zombie-Konferenz fördert, siehe http://www.facebook.com/dieuntoten <<

    Ich habs gerade durchgelesen. Hmm, wenn ich jetzt sage, dass ich das für verquasten Unsinn halte, oute ich mich wieder entweder als hoffnungsloser Ignorant und/oder mache mich schwer unbeliebt, siehe unsere letzte Zombie-Diskussion:

    https://blog.gwup.net/2010/10/19/german-werewolf/

    Klar kann man über Zombies diskutieren, mache ich sogar gern. Und klar kann man über Neurowissenschaften diskutieren, mache ich auch gern. Man kann sogar mit Gewinn über Zombies und Neurowissenschaften diskutieren, auch das kann spannend sein:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Philosophical_zombie

    Man kann und sollte sogar über den moralischen und ontologischen Status von eingefrorenen Embryonen diskutieren – warum man das aber mit Filmkritikern diskutieren muss, und was Foucault nun mit George Romero zu tun hat, ist für mich ähnlich sinnfrei wie die unvermeidliche Anwesenheit von Schlagernsängern, Sportlern oder Theologen bei TV-Debatten zu Themen wie Stammzellenforschung.

    Warum? Etwa, weil Mönche sich durch Zellteilung vermehren?, hat Vince Ebert mal im Skeptiker-Interview gesagt.

  4. Der Chefexorzist Gabriele Amorth gab dem Teufel die Schuld an den Missbrauchsfällen durch Priester und gab an, er sei bis in den Vatikan vorgedrungen.
    http://derstandard.at/1268402773060/Kopf-des-Tages-Don-Gabriele-kaempft-gegen-die-Teuferln
    Teilt der Papst vielleicht seine Meinung, aber wagt er es nicht dies öffentlich zuzugeben?

    Hier steht sogar, Promiskuität sei ein Risikofaktor für Besessenheit
    http://www.kath.net/detail.php?id=20613

    Es gibt nicht viel was die Katholische Kirche von den Verschwörungstheoretikern wie David Icke und seinen Thesen, außerirdische Reptillien würden die Menschheit beherrschen.

  5. EXORZISMUS IN POLEN:

    Erschreckend mit welchem Potential, hier z. B. in Polen, die Kirche versucht ihre Macht zu erhalten!

    Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt, Polen war sehr katholisch und der Glaube machte die politische Situation erträglicher, war der naive Zulauf zur Kirche noch groß!

    Heute ist alles möglich und durch die kritische Sichtweise, v. a. der jüngeren Generation, droht der Machtverlust wie in den anderen Industrienationen.

    Da kommen doch geistig Kranke mit fundamentalem Glauben gerade recht!

    Ist es christliche Nächstenliebe? Nein, es ist schlichtweg der Versuch über dieses Ritual Angst und Schrecken zu verbreiten und damit weiterhin Macht über naive Gläubige zu haben!

  6. <<Der Erfolg des Films beruhte zu einem gewissen Teil auf seinem soziopolitischen Gehalt, reflektierte er doch geschickt die Unsicherheiten seiner Zeit. In Amerika taten sich Schluchten auf zwischen Eltern und ihren Kindern, die Generationen konnten nicht mehr miteinander kommunizieren.
    Die Jungen warfen den Alten vor, für den Vietnamkrieg und Watergate verantwortlich zu sein, die wiederum sahen in ihren Söhnen und Töchtern Unamerikaner, die Drogen rauchten und freie Liebe praktizierten.

    Der Exorzist nimmt die Position der Elterngeneration ein, die Gefahr, so zeigt er, lauert in den Kindern: Ein kleines, nettes Mädchen verwandelt sich in einen röchelnden Dämon, ein krudes Sinnbild für den – seinen Eltern entfremdeten – Hippie der Woodstock-Ära.”<<

    Das halte ich für einen Fall von "Hineininterpretieren" ;-)
    Zustimmen kann ich der Theorie von den Gegensätzen "Wissenschaft – Glauben" … der Arzt, der nicht mehr weiter wußte, empfahl einen Exorzisten zu beauftragen (als eine Art "Placebo"). Ausgewählt wurde ein Pfarrer, der auch Psychiater war (und Boxer …;-)) und selbst unter Zweifeln litt; auch hatte er den Tod seiner Mutter zu verkraften, an dem er sich auch "schuldig" fühlte…
    Dieser Film ist einer meiner absoluten Lieblingsfilme, weil er so tiefsinnig und vielschichtig ist.
    Ich kann mich noch erinnern, daß ich in jüngeren Jahren den Film auf VHS aufgenommen hatte und mir es ein Unbehagen verursachte, die Video-Kasette in die Hand zu nehmen; irgendwie erzeugt dieser Film bei mir auf "zwischenhirnlicher" Ebene ein "Angstgefühl". The Ring oder The Grunge schaffen dies nur für eine kurze Zeit, dieser Film erzeugt aber einen "dauerhaften" Schauer…auf jedenfalls bei mir…;-)

  7. @ R.-Maria
    „Ist es christliche Nächstenliebe? Nein, es ist schlichtweg der Versuch über dieses Ritual Angst und Schrecken zu verbreiten und damit weiterhin Macht über naive Gläubige zu haben!“

    Darin ist die katholische Kirche ja bestens geübt. In der einen Hand das Kreuz, in der anderen Hand das Schwert.

    Und wenn ich an die vielen aufgeklärten Missbrauchsfälle an minderjährigen Jungen denke (von der Dunkelziffer ganz zu schweigen), wird mir übel!!!

  8. @Ralf
    Sorry Ralf, mein Kommentar war nicht auf den Film bezogen! Zu diesem Film kann und werde ich keine Aussage treffen. Ich habe ihn nicht gesehen. Eine Person die „wie besessen“ ist, benötigt dringend fachärztliche Behandlung, dies ist meine persönliche Ansicht und deshalb sehe ich mir diese Art von Filme nicht an.

    Meine Aussage bzgl. Exorzismus hatte mit dem GWUP-Artikel/ Nachrichten/ Exorzismus-Boom in Polen vom 15.09.2012 verfasst von Holger von Rybinski, zu tun.

    @Alexander
    Ihre Meinung kann ich nur unterstreichen!

    In Geschichte war ich immer eine schlechte Schülerin. Ich weigerte mich Jahreszahlen zu lernen, welche mit Religionskriegen zu tun hatten. Damals war ich bereits überzeugt, ohne diese Religionen wäre die Welt friedlicher und weniger verlogen. Vielleicht etwas zu kurz gedacht, doch selbst heute ist noch ein Funken Wahrheit dabei!

    Die Macht der Religionen ist für mich die Vierte in einer Demokratie.
    Was unter ihrem Deckmantel passiert ist barbarisch!

    >>>Der Priester Alexander Posack- „Dämonologe und Exorzist“ – jedoch
    hält die verschiedenen Schulen der Psychologie und Psychiatrie für unfähig, mit den Phänomen der „Besessenheit und Umsessenheit“ umzugehen (wohl weil sie derlei Glauben völlig zurecht………..)<<<
    (Auszug: Exorzismus-Boom in Polen, Holger von Rybinski)

    Wann fängt die Kirche an eine/ ihre Krankheit zu erkennen????

  9. @R-Maria
    …ich zitierte aus dem Artikel, ich meinte nicht Ihren Kommentar… ;-)

  10. Nach diesen unfaßbaren teuflischen, perversen Denken und Rituale der katholischen Kirche mal etwas zum lachen über sie:

    Eine Satire, die die Dekadenz der römisch-kath. Kirche zeigt:
    Hier der Link:

    http://www.der-postillon.com/2012/04/papst-bekraftigt-dass-katholische.html

    und hier:

    http://www.welt.de/vermischtes/article7163753/Der-Papst-kommt-Penis-Skulptur-soll-weg.html

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