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Viel Verschwörungsgetöse um nichts: weder Zwangsimpfung noch Immunitätsnachweis

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Viel Verschwörungsgetöse um nichts: Weder hat die Bundesregierung einen Corona-„Impfzwang“ beschlossen noch wird es absehbar einen Immunitätsnachweis geben.

Letzteres gab Bundesgesundheitsminister Jens Spahn heute bekannt:

Das Überkochen der einschlägigen Internetforen ist also nur mal wieder gezielte Empörungsprovokation, mit der die neuen Bündnisreihen geschlossen werden sollen:

Worum ging’s überhaupt?

Kurz gesagt um einen Vorschlag von Spahn, der darauf abzielte, das Infektionsschutzgesetz an zwei Stellen (Paragraph § 22 und Paragraph §28) zu ergänzen beziehungsweise zu reformieren.

Das Gesundheitsministerium wollte zum einen, dass eine Immunität gegenüber Covid-19 durch eine separate Dokumentation oder einen Eintrag im Impfpass nachgewiesen werden kann, analog zu den bisherigen individuellen Impfdokumentationen (Paragraph 22).

Das hätte auch Auswirkungen auf den Paragraphen 28 gehabt, in dem die „Anordnung und Durchführung von Schutzmaßnahmen“ geregelt ist: Wer nachweisen kann, immun zu sein (durch Impfung oder durchgemachte Erkrankung), könnte dann nämlich von einschränkenden Maßnahmen ausgenommen werden.

Impfgegner und Verschwörungsgläubige machten aus dieser harmlosen Ankündigung das:

In einem guten Erklärvideo für den Youtube-Kanal Kanzlei WBS brachte der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke die Sachlage allgemeinverständlich rüber:

Am letzten Mittwoch, am 29. April, hat die Bundesregierung diesen Gesetzesentwurf, der jetzt viele Menschen aufregt, erst mal eingebracht. Der Bundestag wird am Donnerstag darüber beraten und schon am 14. Mai soll das Gesetz verabschiedet werden, sodass es Mitte Juni in Kraft treten kann.

Hintergrund ist, dass wir künftig Immunitätsdokumentationen bekommen sollen, und es soll dann klar werden, dass von bestimmten Personen keine Infektionsgefahr mehr ausgeht. Das soll nicht nur für Covid-19-Erkrankte gelten, sondern für alle Arten von Krankheiten.

Bürger sollen ihre Immunität durch ein Dokument oder durch eine Chipkarte nachweisen können. Und ein Arzt soll das Ganze entsprechend ausstellen. Hintergrund der ganzen Geschichte ist, dass man bestimmte Berufsgruppen entlasten will, die sollen dann unbeschwerter, mit mehr Sicherheit, ihren Tätigkeiten nachgehen können, zum Beispiel im Gesundheitswesen. Wenn man wüsste, diese und jene Ärzte sind immun, dann können diese vielleicht auch kritischere Operationen durchführen, weil von ihnen keine Ansteckungsgefahr mehr ausgeht.

Wie will man das nun anstellen?

Man will Paragraph 22 des Infektionsschutzgesetzes ändern und dort zusätzlich noch die Immunitätsdokumentation einführen. Was es da schon jetzt gibt, und deswegen kommen vielleicht auch diese Gerüchte auf, ist die Impfdokumentation. Und in gleicher Weise wie eine Impfdokumentation soll es künftig auch eine Immunitätsdokumentation geben. Es soll also dokumentiert werden, ob Ihr gegen gewisse ansteckende Krankheiten entweder geimpft oder immun seid.

Das ist erst mal der grundsätzliche Plan. Es sollen dort folgende Daten stehen: der Name der Krankheit, was wäre jetzt aktuell Covid-19, das Datum der Feststellung der Immunität und die voraussichtliche Dauer der Immunität. Dann die Testmethode, also wie ist diese Immunität getestet worden, und der Name des Arztes, der die Immunität festgestellt hat.

Das soll nach Paragraph 22 Infektionsschutzgesetz in einer neuen Immunitätsdokumentation stehen, die künftig die Bürger erhalten sollen.

Bezogen auf Covid-19 allerdings kann da noch gar nichts reingeschrieben werden, weil wir noch gar nicht wissen, wie lange derjenige überhaupt immun ist. Spahn spricht daher von einer vorsorglichen Regelung […]

Fakt ist jedenfalls: Es ist jetzt nicht so, dass da eine Impfpflicht gegen Covid-19 drinsteht. Sondern da, wo festgehalten wird, dass man geimpft worden ist, soll künftig auch festgehalten werden, dass man immun ist. Das ist das, was in den Paragraph 22 Infektionsschutzgesetz reinkommen kann. Das ist jetzt erst mal relativ langweilig, da steht dann einfach nur: „Ich bin immun gegen Covid-19.“

Jetzt erst wird’s spannend, jetzt kommt nämlich die große Frage: Wozu führt das, wenn in meinem Immunitätspass oder in meiner Immunitätsdokumentation drinsteht, dass ich immun gegen irgendetwas bin?

Das führt dazu, dass ich nach dem Infektionsschutzgesetz möglicherweise mehr Freiheiten haben könnte als jemand, der nicht immun ist.

Schauen wir also mal, was in den Paragraphen 28 Infektionsschutzgesetz rein soll: Da wird gesagt, dass bei der Anordnung von Schutzmaßnahmen berücksichtigt werden soll, ob jemand eine Krankheit wegen eines Impfschutzes oder einer bestehenden Immunität nicht oder nicht mehr übertragen kann. Wenn man so einen Immunitätsausweis hat, kann es also sein, dass man zu seiner Zweitwohnung am Meer fahren darf. Es kann sein, dass man wieder zur Arbeit gehen darf, als Friseurin zum Beispiel.

Niemand aber sagt, Ihr müsst euch impfen, gegen Covid-19 gibt es ja noch gar keine Impfung. Das ist überhaupt nicht vorgesehen, aber natürlich hätten diejenigen, die geimpft sind, gewisse Vorteile, wenn beispielsweise ein Lockdown stückweise wieder aufgehoben wird. Bei der Änderung im Paragraph 28 Infektionsschutzgesetz geht es also darum, dass man die Freiheitsrechte schneller wieder für diejenigen öffnen kann, die geimpft oder immun sind.

Das ist alles. Allerdings kritisierten auch Medien, Datenschützer, Virologen und Politiker Spahns Pläne.

Der erklärte heute, dass es vorerst keine Regelungen geben soll, inwiefern solche Immunitätsnachweise Ausnahmen von Alltags-Beschränkungen ermöglichen könnten. Spahn habe den Deutschen Ethikrat um eine Stellungnahme dazu gebeten. In der Koalition sei vereinbart worden, bis dahin keine gesetzliche Regelung zu dieser Frage vorzunehmen.

Auch die angebliche Ankündigung einer Zwangsimpfung durch den CDU-Politiker Rudolf Henke ist eine bewusste Falschinterpretation.

Zum Weiterlesen:

  • Spahn rudert zurück: Immunitätsnachweis aus Gesetz gestrichen, BR24 am 5. Mai 2020
  • Corona-Impfpflicht heimlich beschlossen? Das steckt wirklich hinter der Aufregung, Schwäbische Zeitung am 4. Mai 2020
  • Kommt jetzt ein Ausweis für die, die gegen das Coronavirus immun sind? swr3 am 3. Mai 2020
  • Faktencheck: Hat das Bundeskabinett einen „Impfzwang“ beschlossen? swr3 am 4. Mai 2020
  • Nein, es wurde kein „Impfzwang“ beschlossen, mimikama am 4. Mai 2020
  • Fake! KEIN “Impfzwang” – Wie ihr über das Infektionsschutzgesetz belogen werdet, volksverpetzer am 4. Mai 2020
  • Kündigt ein CDU-Politiker die Zwangsimpfung von Kindern an? Mimikama am 5. Mai 2020
  • Nein, CDU-Politiker Henke will Kinder nicht für Zwangsimpfungen abholen lassen, correctiv am 28. April 2020
  • Den Impfwahn STOPPEN!? Das möchten wir auch, mimikama am 6. Mai 2020
  • Lohnt sich eine Impf-Verschwörung? volksverpetzer am 7. Mai 2020

14 Kommentare

  1. 66% würden sich gegen COVID-19 impfen lassen, Mitte April waren es noch 79%. Bei einer angenommenen Basisreproduktionsrate von R0 = 3 und einem perfekt wirksamen Impfstoff würde eine Impfbereitschaft von 66% nicht ausreichen, um die Verbreitung des Virus zu stoppen.

    https://twitter.com/CorneliaBetsch/status/1258752574452367360

  2. Was hat die 13% dazu bewogen, nicht mehr impfen zu wollen? An der Informationslage hat sich doch nichts Wesentliches verändert, oder? Sind es die Demonstrationen? Oder die YT-Universität? Facebook?

    Oder ist es tatsächlich nur die vermeintliche Impfpflicht, die quasi eine Trotzreaktion auslöste?

  3. @RainerO:

    Unklar:

    Jüngere Menschen zeigen verstärkten Egoismus und stimmen bei COVID-19 eher zu als bei Impfungen allgemein, dass man sich nicht impfen lassen muss, wenn alle anderen sich impfen lassen.

    https://projekte.uni-erfurt.de/cosmo2020/cosmo-analysis.html

  4. Wie soll das bloß werden, wenn uns mal eine richtig gefährliche Seuche trifft? Es geht ja noch um einiges schlimmer als COVID-19.

  5. @ Bernd Harder
    Aber die egoistischen Jüngeren sollte es doch Mitte April auch schon gegeben haben.

    Wie irrational die Verschwörungstheoretiker sind, zeigt auch sehr schön der Auszug:

    „Zwei gegensätzliche Theorien (Corona ist menschengemacht vs. ist ein Schwindel) sind nur gering verbreitet, je 17% der Befragten stimmen (eher) zu. Wer allerdings an die eine Theorie glaubt, glaubt auch eher an die andere; 9% der Befragten glauben an beide Theorien.“

    Hauptsache gegen den „Mainstream“, auch wenn ich mich in Widersprüchen verheddere. Und ein Viertel (2×17%-9%) aller Befragten glaubt an eine oder beide dieser VTs? Das halte ich nicht wirklich für „gering verbreitet“.

  6. @ Positron
    >> Wie soll das bloß werden…?

    Zynische Antwort: Bei einer wesentlich schlimmeren Seuche können diese Spezialisten dann gerne das Recht auf eine Infektion wahrnehmen. Das mendelt sich dann aus.

  7. Interessantes Interview: Ein Zitat daraus:

    „WDR: Wie kann man solche Menschen aus so einer Blase wieder herausholen?

    Nocun: Verständnis und Respekt ist ganz wichtig. Wenn man so einen Fall im Bekanntenkreis hat, sollte man unter vier Augen mit der Person sprechen. Wir alle haben gerade mit der Corona-Krise zu kämpfen. Vielleicht ist er oder sie gerade in einer schwierigen Situation, hat Angst, den Job zu verlieren, ist überfordert und deshalb besonders anfällig für solche Erzählungen. Oft hilft es, diesen Menschen zuzuhören. Man muss aber auch ganz klar sagen: Diese Verschwörungsmythen sind falsch.“

    https://www1.wdr.de/nachrichten/themen/coronavirus/interview-verschwoerungstheoretiker-katharina-nocun-100.html

  8. @ Skep:

    „Wie kann man solche Menschen aus so einer Blase wieder herausholen?“

    Möglicherweise gar nicht. Viele von Ihnen sind bereits seit der Schweinegrippe in dieser Blase, und nachdem es für die meisten von ihnen auch diesmal wieder vergleichsweise glimpflich ausgegangen ist, haben sie immer noch keinen Grund, diese Blase zu verlassen.

  9. Kurze Frage:

    Wenn ich heute für ca. 30 bis 60 Minuten eine Maske trage, sie danach nicht in den Backofen lege sondern einfach für z. B. 2 Wochen irgendwo hinlege, kann ich sie dann wieder benutzen, oder direkter gefragt, ist der Virus dann noch an der Make vorhanden?

  10. @ Alexander W:

    Das Virus kann sich nach 2 Wochen möglicherweise nicht mehr mit Dir infizieren, vice cersa jedoch schon.

  11. @ noch’n Flo

    Bist du dir da sicher? Mein Wissenstand ist der, dass das Virus nach einer so langen Zeit „ausgetrocknet“ ist.

    Auf trockenen Oberfächen (und davon kann man bei der Stoffmaske nach 2 Wochen ausgehen) hält sich das Virus maximal 72 Stunden (und das auch nur bei Kunststoff und Edelstahl).

  12. Ich benutze übrigens FFP2-Masken, falls das die Beantwortung meiner Frage noch erweitern könnte…

  13. Unter denen, die jetzt gegen die Corona-Politik auf die Straße gehen, sind viele Impfgegner. Was ist dran an den Gerüchten über eine angeblich drohende Impfpflicht?

    https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-05/corona-falschinformation-zwangsimfpung-geheimplaene-geruecht

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