Zur aktuellen Hirnfraß-Debatte um die angebliche „Systempresse“ und die „Lügenmedien“ gibt es im Spiegel einen lesenswerten Essay des Tübinger Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen:
Es ist ein gegen die etablierten Medien gerichteter Hass, der diese besonders im Netz verankerte Gegenöffentlichkeit eint […]
Man kann sich nach erlittener Lektüre all der Postings und Wutbeiträge in einem Anfall ebenso hilfloser wie falscher Arroganz fragen: Sind dies nicht einfach nur schrille Spinner, gleichsam der Narrensaum der Republik?“
Damit stellt sich zugleich die Frage nach dem Umgang mit sogenannten Trollen, die natürlich auch diesen Blog und andere Social-Media-Kanäle der GWUP heimsuchen.
In Schweden schickt ein TV-Sender den kernigen „Trolljäger“ Robert Aschberg aus, der bei Internetmobbern und Cyberbullies unangemeldet vor der Tür steht:
Die FAZ schreibt heute dazu:
Haben die Online-Demagogen in ihrem Hassgeschwurbel vielleicht noch die Feststelltaste ihrer Tastatur genutzt, werden sie sofort ziemlich kleinlaut, sobald Robert Aschberg ihnen gegenüber tritt.
Aschberg, einer der populärsten Fernsehpersönlichkeiten Schwedens, hat schon die Maskerade von Stalkern, Pädophilen und Politikern beendet. Den Trollen wird sichtlich unbehaglich, wenn die Spalte zwischen dem virtuellen, anonymen Ort „Internet“ und dem durchaus realen Ort „vor der Haustür“ von Robert Aschberg geschlossen wird:
„Das habe ich nicht geschrieben“, sagen sie Aschberg meist ins Gesicht.“
Auch bei uns haben Journalisten und Blogger es langsam satt, sich von aggressiven Honks bedrohen und beschimpfen zu lassen.
Eine Antwort darauf ist die neue Facebook-Seite „Fans des gleichgeschaltet-ironischen Journalistenzirkels“, wo Redakteure von Welt und Welt-Online ihre spaßigen Antworten an die radikalen Anhänger einer Medienverschwörung posten.
Schon länger gibt es „Hate Slam“– oder „Hate Poetry“-Veranstaltungen:
Hierbei lesen Journalisten öffentlich die irrsten Leserbriefe und bösartigsten Beleidigungen vor:
Der nächste „Hate Slam“ findet am 21. Januar in Augsburg statt.
Auch wir Skeptiker sammeln übrigens leidenschaftlich Hass-Kommentare und strunzblöde Verunglimpfungen, die wir gerne bei einem der nächsten Skepkon-Publikumstage präsentieren würden.
Also, Ihr Trolle – strengt Euch mal etwas mehr an!
Zum Weiterlesen:
- Der Hass der Bescheidwisser, Der Spiegel 2/2015 (online im GenFM-Blog)
- Journalisten und Trolle: Einmal auf den Deckel und zurück, taz am 6. Januar 2015
- Mit Ironie gegen Trolle: Facebook-Kommentare der Welt haben mittlerweile eigene Fan-Seite, Meedia am 6. Januar 2015
- Wenn der Troll-Jäger gegen die Tür hämmert, FAZ am 10. Januar 2015
- Woher kommen die Kommentartrolle? tp1024 am 6. Januar 2015
- Hate Poetry: Lachen ist Macht, Süddeutsche am 15. November 2014
- Vom Unterhaltungswert rassistischer Leserbriefe, BR am 4. August 2014
- Hassmails im Abonnement, migazin am 4. Februar 2013
- „Ihr seid so blöd!“: Redakteure lesen beim Hate-Slam die gemeinsten Leserbriefe vor (mit Video), Nordbayerischer Kurier am 6. Februar 2014
- Medienkritik, Paranoia und „Alternativjournalismus“, GWUP-Blog am 2. November 2014
- Haben wir eine “Systempresse”? Was ist das überhaupt? Kann man denn noch guten Gewissens Zeitung lesen? Indub.io am 3. November 2014
- Die „Lügenpresse! – Ein Begriff und seine Geschichte, Publikative am 1. Januar 2015
- Lügenpresse, zoon politikon am 19. Dezember 2014
- Angriff auf Presse und Wohlstand, SPON am 11. Januar 2015
10. Januar 2015 um 17:53
Sie wissen doch, Herr Harder:
Journalisten sind immer die Dummen.
Oft unterstellt man Journalisten:
Das, was sie nicht können, machen sie schlecht und kritisieren es. Dies hört man oft in Künstlerkreisen.
Sicher, es gibt unter denen, die sich Journalisten NENNEN, einige, die wahrscheinlich nicht mal ihre Berufsbezeichnung richtig schreiben können (habe ich tatsächlich schon mehrmals erlebt).
Aber Kritik von Journalisten regt an, motiviert zum Nachdenken – wenn sie konstruktiv formuliert ist.
Echte verantwortungsvolle Journalisten brauchen wir so dringend. Denn sie sind es, die aufdecken, aufklären und uns das Leben näher bringen.
Journalisten, die wissen, wovon sie schreiben – insbesondere in tiefergehenden Fachbereichen – sind natürlich den unwissenden Besserwissern ein Dorn im Auge.
Viel lieber würden sie nämlich selbst allen die Welt erklären. Allerdings so, wie sie sie gern hätten. Weit weg von der wirklichen Realität, am liebsten in ihrer eigenen Scheinwelt.
Wollen wir diese Spinner?
Natürlich nicht!
Die Journalisten hingegen, die ihren schweren und anstrengenden Beruf ernstnehmen, sei großer Dank ausgesprochen.
Was wären wir ohne sie?
10. Januar 2015 um 21:07
Da gibt es wirklich eine hässliche Querfront von Aluhut tragenden rechten Esoterikern bis zu vorgeblich „nachdenklichen“ Seiten linker Bescheidwisser.
Erstere sprechen eher von „Lügenpresse“, letztere von „Mainstream“. Ein „System“ sehen sie alle.
10. Januar 2015 um 21:14
@Pierre Castell:
<< Aber Kritik von Journalisten regt an, motiviert zum Nachdenken – wenn sie konstruktiv formuliert ist. << Das ist richtig, aber ich fürchte, *derzeit* ist es tatsächlich eher so: << Glaubwürdigkeit ist ein flexibler Begriff, der täglich neu definiert wird. Die Grundregel dabei lautet: Hohe Glaubwürdigkeit genießt der, der mir sagt, was ich ohnehin hören will. << http://www.publikative.org/2014/12/11/pegida-wenn-untertanen-aufmuepfig-werden/
11. Januar 2015 um 12:14
Zum Teil geht die Kritik doch eher gegen das ’system‘ als gegen die darin verwickelten Journalisten. Das ein Glaubwürdigkeitsdefizit aufgekommen ist verwundert mich nicht.
Aber Hass und Gewalt ist natürlich nicht akzeptabel.
11. Januar 2015 um 21:28
Hab ich gestern übersehen: Das mit dem Sand hat doch was!
(Gell, Juri?)
11. Januar 2015 um 21:29
@Augustiner Hell:
Na, jetzt aber!
12. Januar 2015 um 18:57
LOL…gerade vorhin bei „heute“, da sprang so ein PEGIDA-Troll vor die Kamera und schrie: „Lügenpresse“
http://www.heute.de/
12. Januar 2015 um 23:40
Gerade eben im Ersten…
„Schlachtfeld Internet“
http://programm.daserste.de/pages/programm/detail.aspx?id=1870F7C1D2487E166009BD367C75B147
zum Schluß der Satz:
Sorry, dafür ist es zu spät
Das würde einen totalen „Reboot“ bedeuten, mit ganz neuen Sicherheitsprotokollen (die früher oder später auch geknackt werden würden)…
Sorry, ich bin zwar kein absoluter Sicherheitsexperte, aber habe schon eine zwanzigjährige Programmiererfahrung im Bereich „Betriebssystemtools“ und deshalb finde ich diesen Satz absolut „naiv“…ja, er hört sich wunderbar an, aber er zeigt die Hilflosigkeit (auch der Medien) bzgl. der Sicherheit von Computersystemen.
Gut, die Systeme werden komplexer (aber deshalb nicht sichererer, sondern im Gegenteil)…noch vor zehn Jahren, hätte ich mit bestimmten Programmen jeden Computer lahmlegen können – heute, habe ich auch Probleme, da die Systeme komplexer geworden sind und auch etwas mehr für die Sicherheit betriebssystemintern getan wird, aber ich könnte immer noch viele Dinge verwirklichen (und auch viele andere Programmierer).
Was ich auch sagen will: Es sind nicht nur professionelle Geheimdienste, die das Internet hacken können, sondern auch interessierte und versierte Programmierer/Hacker, die Tools/Programme entwickeln können, die jeden PC zum „kochen“ bringen…
Der „Cyberkrieg“ wird nicht durch die NSA zur Gefahr, sondern durch viele kleine kriminelle Regime, die auch über diese Fähigkeiten verfügen.
Aktuelles Beispiel ist der „Sony-Hack“.