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Homöopathie: Brauchen wir „mehr Forschung“?

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Das Deutsche Ärzteblatt widmete sich in einer der letzten Ausgaben erneut der Homöopathie-Kritik. In dem Beitrag von Dr. Marc Meißner heißt es unter anderem:

Kernproblem der Diskussion ist zum einen der fehlende wissenschaftliche Nachweis, dass homöopathische Mittel tatsächlich wirken. Für jede Studie, die Befürworter der Heilmethode als Nachweis anführen, wissen Kritiker mindestens eine zu nennen, die das Gegenteil zeigt. Zum anderen fehlt auch eine schlüssige Erklärung, wie Homöopathie überhaupt wirken könnte.“

Das ist richtig. Der vielleicht bedeutendste Aspekt der Homöopathie ist: Es besteht keinerlei Mangel an Daten und an soliden Studien dazu (erst recht nicht an unsoliden). Präzisieren wir diesen Punkt aus Sicht der GWUP noch etwas:

  • Es gibt keine theoretische Begründung, warum Homöopathie funktionieren sollte. Alle diesbezüglichen Ansätze haben sich als nicht stichhaltig herausgestellt.
  • Es gibt eine theoretische Begründung, warum Homöopathie nicht funktionieren sollte.
  • Es gibt etliche gescheiterte (weil fehlerhafte) theoretische Begründungen, warum sie funktionieren sollte.
  • Es gibt keinen empirischen Beleg dafür, dass Homöopathie funktioniert. Je besser die Studie, desto ungünstiger fällt sie in der Regel für die Homöopathie aus.
  • Es gibt empirische Belege dafür, dass sie nicht funktioniert.
  • Es gibt etliche gescheiterte (fehlerhafte) empirische Belege dafür, dass Homöopathie funktioniert.

Schlechter kann die argumentative Lage (empirisch wie theoretisch) für ein Weltbild kaum aussehen. Aber könnte das nicht vielleicht bedeuten, dass wir einfach „mehr Forschung“ brauchen, wie Homöopathie-Fans gerne formelhaft argumentieren?

Lassen wir darauf den englischen Arzt und Autor Ben Goldacre antworten:

Kaum jemand weiß, dass dieser Satz Wir brauchen mehr Forschung seit vielen Jahren aus dem British Medical Journal verbannt wurde, weil er nichts Neues beiträgt: Man darf sagen, welche Art von Forschung fehlt, worüber geforscht und wie und was gemessen werden soll, und warum man der Meinung ist, dass diese Forschung fehlt, aber der beiläufig hingeworfene, scheinbar aufgeschlossene Ruf nach mehr Forschung ist eine bedeutungslose Floskel und wenig hilfreich.

Es hat über hundert randomisierte, kontrollierte Studien zum Thema Homöopathie gegeben, doch jetzt ist es an der Zeit, damit abzuschließen. Homöopathische Mittel wirken nicht besser als Placebos, soviel wissen wir jetzt. Jetzt können wir uns interessanteren Studien zuwenden.“

Der Artikel im Ärzteblatt endet mit der Feststellung:

Unabhängig davon, wie die Diskussion um die Homöopathie ausgeht: Auf die Finanzlage der Kassen wird sich dies kaum auswirken. Nach dem Arzneiverordnungsreport 2009 gab die GKV 2008 weniger als neun Millionen Euro für homöopathische Mittel aus. Angesichts von fast 30 Milliarden Euro, die jährlich für Medikamente gezahlt werden, ein verschwindend geringer Betrag.“

Mag sein. Aber bedeutsam ist, dass die „besondere Therapierichtung“ Homöopathie endlich öffentlich diskutiert wird. Denn augenfällig funktioniert in der Außenseitermedizin die Patientenaufklärung nicht – und wird auch von homöopathisch tätigen Ärzten anscheinend nicht geleistet.

Die wenigsten Patienten, die sich homöopathisch behandeln lassen, wissen, was Homöopathie eigentlich ist. Eine Umfrage eines Homöopathika-Herstellers und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) von 2006 erbrachte, dass „die meisten Befragten“ in der Homöopathie eine „natürliche und sanfte Heilmethode“ sehen, die „die Selbstheilungskräfte des Körpers aktiviert. Sie denken bei homöopathischen Arzneimitteln an natürliche Inhaltsstoffe und das Fehlen von Nebenwirkungen.“

Dass der Verband klassischer Homöopathen Deutschlands e.V. diesen Wortlaut der Umfrage auf seiner Homepage zitierte, ist ein Beleg dafür, dass die Homöopathie vorwiegend über ein gut aufgebautes Image verkauft wird – nicht über Tatsachen. Mutmaßlich wäre es vielen Anwendern/Verkäufern von Homöopathie wohl selber peinlich, ihren Patienten das verquaste Gedankengebäude der Homöpathie und ihrer „geistartigen Kräfte“ auseinanderzusetzen.

Zum Weiterlesen:

7 Kommentare

  1. NEIN !
    wir brauchen mehr mutige und sachkundige politiker,die dergleichen unsinn nicht mit dem begiff „besondere therapierichtung“ absichern.

    falls juristen(wie z.b. frau künast) homöopathie fördern, gebrauche ich immer den medizinerspott:

    „mediziner wissen alles,juristen wissen alles besser“

  2. Doch wir brauchen mehr Forschung, wesentlich mehr. Aber nicht auf dem Gebiet der Homöopathie. Soll doch Profitol trinken, wer will.
    Würde ich die Homöopathie nur von meiner Warte aus betrachten würde ich sagen:
    Das wirkliche Dumme ist, dass man selbst zu moralisch ist, seine Mitmenschen auszunutzen.

    Was Homöopathie an sich angeht möchte ich Mark Twain frei zitieren: ‚Wasser in maßen genossen schadet nicht‘.

  3. Sie, meine lieben ,schulmedizinischen‘ Kollegen haben keine Vorstellung, WIE ernsthaft einige von uns Ärzten, die Homöopathie praktizieren, in der Arbeit und weiteren Erforschung und Verbesserung unserer Heilkunst arbeiten.
    Ein größeres Stückchen weiter in diesem Verständnis gelängen Sie, bemühten Sie sich um ein Verständnis dessen, was der Kollege in diesem Interviewausschnitt sagt:
    http://www.youtube.com/watch?v=EZKR0eu7gMs

    Wenn Sie das nicht verstehen, kein Problem, dann akzeptieren Sie einfach, dass es heutzutage eine Heilkunst gibt, die Sie nicht verstehen!
    Ich muß auch akzeptieren, dass ich keine Begabung zum Viszeralchirurgen oder Konzertpianisten habe oder je hatte!
    Das was gebraucht wird, ist vielfältig und unser Wissen ist nicht am Endpunkt angelangt. Deshalb ist Homöopathie auch noch nicht naturwissenschaftlich erklärbar. Einige Zeitgenossen – auch unter Homöopathen – glauben immer, ihr Wissen sei ultimativ … die Erde ist eine Scheibe!

    Nichts für ungut!

  4. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass mir die Homöopathie helfen kann. Und egal, ob die Wirksamkeit dieser Therapie in wissenschaftlichen Studien bestätigt werden kann oder nicht – wer hilft, hat Recht. Für mich sind Globuli Kügelchen und die anderen Naturheilmittel zwar kein Allheilmittel, aber doch eine durchaus nützliche Ergänzung der Schulmedizin.

  5. @Patrick: Wir finden, über den Satz „Wer heilt, hat Recht“ sollte man sich ein paar mehr Gedanken machen. Damit ist es nämlich nicht weit her, und die mögliche „Wirkung“ hat nichts mit Homöopathie zu tun:

    https://blog.gwup.net/2010/02/25/wer-heilt-hat-recht-falsch/

    http://psiram.com/ge/index.php/Wer_heilt_hat_Recht

    https://blog.gwup.net/2011/10/09/warum-homoopathie-wirkt/

    https://blog.gwup.net/2010/08/31/wer-heilt-hat-recht/

  6. @tiger:

    “ Wenn Sie das nicht verstehen, kein Problem, dann akzeptieren Sie einfach, dass es heutzutage eine Heilkunst gibt, die Sie nicht verstehen! “

    Ich fürchte, jemand, der ernsthaft dieses „Argument“ verwendet, hat selber nichts verstanden, und zwar nicht mal den Physikunterricht der siebten Klasse.

    Es gibt bei der Homöopathie absolut nichts, was wir „noch nicht“ wissen oder nicht verstehen – sondern Homöopathie ist Unsinn, *weil* wir sehr gut wissen und verstehen, warum sie Unsinn ist.

    Zum Beispiel: Es gibt keine „geistartigen Heilkräfte“. Eine Flüssigkeit hat kein Erinnerungsvermögen. Beim Reiben oder Schütteln müssten immer die „Heilkräfte“ mehrerer Substanzen frei werden. Etc.pp.

    Ich empfehle Ihnen das neue Buch „Die Homöopathie-Lüge“. ( https://blog.gwup.net/2012/09/22/die-homoopathie-luge/ )

    Zitat:

    „Um die Paradigmen der Homöopathie zu akzeptieren, muss man nicht nur neue Naturgesetze definieren, sondern auch alte, die sich bereits widerspruchsfrei bewährt haben, über Bord werfen. Es müsste also Dinge zwischen Himmel und Erde geben, die sich der Mensch bislang zwar zur vollsten Zufriedenheit, aber dennoch völlig falsch erklärt hat.“

    Und das ist mehr als nur ein wenig unwahrscheinlich.

    Oder:

    „Wer dieses Argument vorbringt, hat ganz grundlegende Dinge nicht verstanden. Astrologie, Wünschelrutengehen oder Homöopathie sind keine Gegenthesen oder Erweiterungen der derzeit gültigen Wissenschaft, so wie Einsteins Relativitätstheorie eine Gegenthese oder eine Erweiterung zu Newtons Gravitationstheorie war. Die esoterischen Behauptungen, die mit einem Goldenen Brett ausgezeichnet werden, sind entweder längst wissenschaftlich untersucht und haben sich als Unfug herausgestellt, oder sie widersprechen der wissenschaftlichen Erfahrung so fundamental, dass eine weitere Überprüfung gar nicht mehr nötig ist.

    Eine neue wissenschaftliche Theorie widerspricht zwar an bestimmten Punkten der alten Theorie, doch sie muss trotzdem die alte Theorie bis zu einem gewissen Grad beinhalten: Sie muss nämlich die Experimente, die bisher mit Hilfe der alten Theorie erklärt wurden, ebenfalls erklären. Unsere wohlerprobte Gravitationstheorie sagt, dass Objekte, die ich schräg nach oben schleudere, ziemlich genau in parabolischer Bahn wieder auf den Boden zurückkehren. Wenn nun morgen jemand eine neue Gravitationstheorie aufstellt, sollte auch diese neue Theorie die parabolische (oder zumindest: bis auf winzige Abweichungen parabolische) Flugbahn erklären können. Wenn sie das nicht tut, kann ich sie sofort getrost als falsch entsorgen: Dann widerspricht die Theorie nämlich von vornherein unzähligen Experimenten, die schon bisher durchgeführt wurden, bevor es die neue Theorie überhaupt gab.“

    (Zit. nach http://scienceblogs.de/naklar/2012/10/11/nur-noch-eine-woche-bis-zum-goldenen-brett/)

  7. Tiger!

    Ich glaube, Sie verkennen da unsere Fähigkeit der Wahrnehmung: Leider, leider, müssen wir ständig aufs Neue registrieren, wie ungeheuer ernsthaft Homöopathen die Homöopathie betreiben; das genau ist ja das Problem.

    Wir können uns übrigens auch sehr gut vorstellen, wie ernsthaft Alchemisten, die sich mit der Transmutation, also der Wandlungen von unedlen Metallen zu Edelmetallen wie Gold und Silber, beschäftigten, bei der Sache waren.

    Nun hat sich die Idee aus Blei Gold zu machen – trotz aller Ernsthaftigkeit der Beteiligten – wegen der erwiesenen Untauglichkeit der alchemistischen Theorien zwar erledigt, bedauerlicherweise hat sich aber die okkulte Vorstellung von den metaphysischen Prinzipien in den Stoffen, mittels der homöopathischen Idee von der geistartigen Eigenschaften der Arzneien, in die Gegenwart hinübergerettet – was im Grunde als ein kaum anzuzweifelnder Beleg für die Feststellung gewertet werden darf, dass die Mutter der Dummheit immer schwanger ist. Aber Wahnideen haben halt eine unglaubliche Virilität.

    Insoweit erscheint es angemessen, hier kurz auf einen auch für Sie, Tiger, wichtigen Satz hinzuweisen, den Johann Cristoph August Heinroth, erster deutscher Professor für Psychologie, Zeitgenosse Hahnemanns und – vor allem – Verfasser des Anti-Organons in der Einleitung zu eben diesem schrieb:

    Wer falsche Begriffe hat, spricht auch falsche Regeln aus, wenn er auf seine Begriffe Regeln baut; und thut er dies, so verleitet er auch zu einem falschen Verfahren.”

    Deshalb kann der von Ihnen verlinkte Herr Sankaran noch so viel Laien beeindruckende Gossenpsychologie absondern, noch so ausgefeilte Anamnese-System entwickeln, oder mal eben eine neue Ordnung des Periodensystem verkünden, es ändert nichts daran, das Materie nicht über solche Eigenschaften verfügt, wie sie zum zum Funktionieren der Homöopathie, auch zum Funktionieren der Sankaran-Methode, notwendig wären.

    Wir müssen also wieder einmal feststellen, dass selbst ein Übermaß an Ernsthaftigkeit und die Liebe zu Detail eine Wahnidee nicht sinnvoller macht, sondern nur zu mehr Eskapismus und der damit verbundenen geistigen Abschirmung führt.

    Ihr von der Arroganz der Erleuchteten strotzender Hinweis: „Wenn Sie das nicht verstehen, kein Problem, dann akzeptieren Sie einfach, dass es heutzutage eine Heilkunst gibt, die Sie nicht verstehen!“, ist deshalb nicht mehr, als ein armseliger Offenbarungseid eines Ideenfanatikers.

    Nichts für ungut!

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