Ein Beispiel, das Schule machen sollte:
Am Camerloher-Gymnasium in Freising hat GWUP-Mitglied Jürgen Plank als Kursleiter eines W-Seminars (wissenschaftliches Seminar) der Q 11 (Qualifizierungsstufe elfter Jahrgang) einen Wünschelruten-Test im Klassensaal initiiert.
Die 15 Seminar-Teilnehmer im Alter von 17 bis 18 Jahren beschäftigten sich über mehrere Wochen mit dem Themenfeld „Shaping Reality – Conspiracy Theories and Hoaxes“.
Ich selbst hatte das Vergnügen, eine Doppelstunde zu scheinbar übersinnlichen Phänomenen und außergewöhnlichen Behauptungen halten zu dürfen.
Höhepunkt war indes der Test eines Rutengängers nach dem Vorbild der PSI-Tests der Skeptiker.
Für den Jahresbericht der Schule hat die Kursteilnehmerin Tabea von Schilling folgenden Beitrag darüber geschrieben:
Unser W-Seminar „Shaping Reality – Media Hoaxes and Conspiracy Theories“ unter der Leitung von Herrn Plank untersuchte mediale Falschmeldungen sowie Verschwörungstheorien und fragwürdige Methoden, wie beispielsweise das Dowsing – zu Deutsch: Wünschelrutengehen.
Um die Wirksamkeit dieses umstrittenen Hobbys zu testen, ließ es sich tatsächlich einrichten, einen Dowser und Pendler zu uns ans Camerloher einzuladen und ihn – nach entsprechender Absprache – einer „selbstgemachten“, aber nach möglichst wissenschaftlichen Kriterien konzipierten Prüfung mit Stromkabeln und Wasserflaschen zu unterziehen.
Unser Wünschelrutengänger Herr W., der auch schon mit Pendeln viele Erfahrungen gesammelt hat, erklärte sich dankenswerterweise bereit, uns seine Fähigkeiten zu präsentieren, um möglicherweise als wahrer Wünschelrutencrack in die Weltgeschichte einzugehen.
Bei erfolgreichem Nachweis „paranormaler“ Fähigkeiten im Rahmen eines internationalen Tests in Amerika winkt dem Gewinner nämlich ein stattliches Sümmchen von einer Million US-Dollar.
Natürlich bedarf es für so einen Test viel Vorbereitung, eine exakt geplante Durchführung sowie jede Menge Teamwork. Schließlich sollte das Ergebnis, wie immer es auch ausfallen sollte, hieb- und stichfest sein.
Kursleiter Herr Plank entwarf einen ausgeklügelten Plan für die Vorbereitung bzw. die Durchführung und teilte jedem Mitglied unseres Seminars eine Aufgabe zu. Dem Team für die Vorbereitung beispielsweise oblag es, sowohl sechs Wasserflaschen unter Geschenktäschchen als auch Stromkabel der gleichen Menge unter einem Stoff zu verstecken, welche Herr W. dann mit seinen Instrumenten aufspüren und entlarven sollte.
Das V-Team sollte jedes Mal vor Rundenbeginn die einzige mit Wasser gefüllte Flasche unter einem der sechs Hütchen deponieren und eines der Kabel mit einer Stromquelle verbinden, was wiederum zum Leuchten der angeschlossenen Lampe führte.
Dabei ging das Team strikt nach dem sogenannten Double-Blind-Prinzip vor, welches besagt, dass weder die Testperson noch der Moderator der Prüfung von der wahren Wasser- beziehungsweise Stromquelle wissen dürfen, um versehentlich verräterische Gestik oder Mimik des Moderators zu verhindern.
Parallel dazu übernahmen zwei Schüler die Aufgabe, per Zufallsprinzip (Würfel bzw. „Bauchgefühl“) selbst einmal zu versuchen, ob sie die korrekte Lösung „erspüren“ können.
Und dann war es auch schon soweit: Nach der herzlichen Begrüßung des Dowsers durch die Schüler folgte erst einmal eine kleine Informationsrunde, in der Herr W. über sein Hobby berichtete. Einige seiner Bekannten konsultierten ihn beispielsweise bei Schlafstörungen, denen er nach seinen Angaben zum Beispiel durch Aufspüren einiger Steckdosen nahe des Schlafplatzes ein jähes Ende bereitete.
Des Weiteren gewährte er uns einen tiefen Einblick in sein vielseitiges Equipment, zu welchem auch zwei Instrumente gehörten, die er daraufhin in dem Test verwendete. Noch eine kleine Buchvorstellung zu diesem vielseitigen Thema – und dann ging es ans Eingemachte.
Vor dem eigentlichen Test ließen wir Herrn W. einmal probeweise herumgehen, wobei er das jeweils stromführende Kabel bzw. die gefüllte Flasche mitgeteilt bekam. Bei diesen behauptete er, etwas zu spüren, und seine Winkelruten (engl. dowsingrods oder divininggrods) und Pendel bestätigten dies auch durch heftige Ausschläge.
Eine Schülerin durfte sogar auch einmal probieren. Tatsächlich berührten sich die beiden Winkelruten bei der gefüllten Flasche sowie beim stromdurchflossenen Kabel. Damit war zumindest einmal klargestellt, dass der Versuchsaufbau funktionierte und Wünschelrutengehen bzw. Pendeln zu korrekten Aussagen führt, wenn das zu erreichende Ergebnis im Vorfeld bekannt ist.
Hochmotiviert und voller Spannung begaben sich die beiden Herren sowie das Durchführungsteam hinaus, um dem V-Team das Feld zu überlassen.
Dieses würfelte eine Zahl aus (um auf diese Weise das Prinzip der „Randomisierung“ einzuhalten), vermerkte diese und zapfte das jeweils nummerierte Kabel an, um es danach unter dem improvisierten Karton zu verstecken. Zu dem Wasser wollten wir erst am Schluss der Stunde kommen.
Nach dieser spannenden Aktion wurde das Klassenzimmer gewechselt, um dem Durchführungsteam sowie Herrn W. und dem Kursleiter freie Bahn zu gewähren.
Die Testperson wählte nach eingehendem Studium die verdächtige Flasche wie Kabel aus und verließ – nach Notierung der Nummern – mit dem Team und dem Lehrer den Raum.
So ging es weiter, indem V- wie D-Team abwechselnd den Raum belegten und nur durch jeweils neutrales Klopfen an der jeweiligen Tür das Signal gaben, dass die nächste von insgesamt sechs Testrunden beginnen konnte.
Gegen Ende der Stunde war der Strom-Test abgeschlossen, allerdings konnte es aus Zeitgründen bedauerlicherweise nur mehr zu einem einzigen Wasser-Test kommen. Danach schlug die Stunde des letzten Teams, der Jury, das die Ergebnisse des V- und D-Teams zusammenstellen musste.
Also versammelten sich Kurs, Lehrer und Dowser, um die Ergebnisse am Overhead-Projektor auszuwerten. Die Ergebnisse waren eindeutig, auch wenn so mancher wohl auf ein Wunder gehofft hatte.
Beim einzigen durchgeführten Wasser-Test hatte Herr W. falsch gelegen und beim Stromtest landete er bei seinen sechs Versuchen nur einen einzigen Treffer – das entspricht dem klassischen Zufallsprinzip.
Das Würfel-Team hatte ebenfalls einen Treffer vorzuweisen. Somit war der Fall entschieden: Auf Wünschelrutengehen ist offensichtlich kein Verlass.
Doch der anfangs so optimistische Herr W., der auch während der ganzen Testreihen absolute Zuversicht ausgeströmt hatte und nun entsprechend verdutzt war, hielt solidarisch an seiner Meinung fest und behauptete, von diesem Ergebnis nicht auf die Unwirksamkeit des Dowsings schließen zu können.
Faktoren wie Nervosität, fremde Umgebung sowie bestimmte Schwingungen könnten seiner Meinung nach die Durchführung des Tests beeinflusst haben.
Diese Argumentation wurde jedoch als wenig stichhaltig empfunden, da seine Instrumente bei den unverblindeten Tests vorher ja exakt so ausgeschlagen hatten, wie das erhofft worden war (für Interessierte: Verantwortlich für solche „Erfolge“ sind offensichtlich winzige, unbewusst ablaufende Muskelbewegungen aufgrund des Carpenter– bzw. ideomotorischen Effekts).
Trotzdem wird Herr W. jedenfalls nach wie vor seinem Hobby nachgehen und versuchen, seinen Mitmenschen damit zu helfen. Die Prüfung in Amerika abzulegen und somit einen hohen Geldbetrag zu gewinnen, kommt für ihn zwar nicht mehr in Frage – doch davon lässt sich der überzeugte Dowser nicht verunsichern.
Wir danken Herrn W. jedenfalls für seinen exklusiven Besuch und wünschen ihm weiterhin alles Gute mit seinen Detektoren!
Auch wenn Wünschelrutengeher und Pendler unter wissenschaftlich durchgeführten, also randomisierten und doppelt verblindeten Testbedingungen bisher noch immer gescheitert sind und die Million-US-Dollar (genauso übrigens wie die hier in Deutschland ausgesetzten 10.000 Euro) weiterhin auf einen Empfänger warten, der übersinnliche Fähigkeiten tatsächlich nachweisen kann, bleibt das „Prinzip Hoffnung“.
Oder, wie manche meinen: There can be miracles – when you believe!“
Zum Weiterlesen:
- Skeptiker macht Schule: Teenager als Mythbuster, GWUP-Blog am 6. September 2009
- Warum Wünschelrutengehen keine Wissenschaft ist, GWUP-Blog am 17. November 2013
- Überraschung beim PSI-Test: Kandidat räumt „bittere Erfahrung“ ein, GWUP-Blog am 28. Juli 2014
- Warum die Wissenschaft viel besser ist als ihr Ruf, Focus-Online am 17. August 2014
18. August 2014 um 18:30
Ja, so ist es, der „Wünschler“ macht weiter, selbst wenn man ihm sein „Versagen“ beweisen kann…so ist das (meist)..
.
Es handelt sich hier um ein „Glaubenssystem“, das durch subjektive Wahrnehmung geprägt ist – die meisten Menschen haben leider die Neigung, ihren eigenen (oder von nahestehenden Personen) Wahrnehmungen zu vertrauen, als auf objektive Beweise…
ich muß das jetzt so krass sagen: Solange leben wir noch im „Mittelalter“…
18. August 2014 um 22:52
Schöne Schilderung des erwartbaren Verlaufs.
Bleibt trotzdem die Frage: Haben die da einen Englisch-Fimmel?
19. August 2014 um 11:06
@Dexter:
Das Seminar war im Fach Englisch.
19. August 2014 um 12:34
Sehr schön ge- und beschrieben von Tabea von Schilling. Vielen Dank für den Beitrag.
22. Februar 2015 um 09:49
Schon lange her … trotzdem!
Ein „wünscheln“ sollte unter ganz anderen Voraussetzungen als einem „dieser TESTs“ erfolgen. Das sollte auch ein seriöser Gänger wissen und ainhalten.
Wie viele renomierte Wissenschaftler belügen absichtich oder unabsichtlich, fälschen und haben von „Tuten und Blasen“ keine Ahnung. Oder es interessiert sie überhaupt nicht, nur das liebe Geld.
Meiner Meinung nach sollte man die „angebliche Wissenschaft“ und diese „Hobbys“ anders – seriöser“ bewerten.
Übrigens – ich habe absolut keine Ahnung vom „Wünscheln“, bin eher ein wissenschaftlich Orientierter, aber auch etwas seriös und unmodern.
Rolf Gräfe
22. Februar 2015 um 10:52
@Rolf Gräfe:
„Das sollte auch ein seriöser Gänger wissen und ainhalten.“
Es gibt keine „seriösen“ Gänger – die Leute mögen persönlich integer sein, aber wenn das zugrunde gelegte Wissen unseriös bzw. falsch ist, ist die Dienstleistung eben auch unseriös:
https://blog.gwup.net/2013/11/17/warum-wunschelrutengehen-keine-wissenschaft-ist/
„Ein “wünscheln” sollte unter ganz anderen Voraussetzungen als einem “dieser TESTs” erfolgen.“
Das ist eine der Standardausreden, die wir immer wieder hören.
Wenn das wirklich ein Argument wäre, würden die unverblindeten Vortests an gleicher Stelle mit den selben Personen unter völlig identischen Bedingungen ja ebenfalls nicht funktionieren.
Das tun sie aber, und zwar immer – also kann es an den „Voraussetzungen“ nicht liegen:
https://blog.gwup.net/2013/09/02/interview-zu-den-psi-tests-vorher-und-nachher-klappts/
„Wie viele renomierte Wissenschaftler belügen absichtich oder unabsichtlich, fälschen“
Das mag es geben, nichtsdestotrotz hat die Wissenschaft Regularien und Mechanismen, um dies zu verhindern und/oder im Nachhinein aufzudecken.
Rütengänger haben keinerlei unabhängige Kontrolle ihres Tuns, sondern suchen sich Selbstbestätigung nur in ihren Kreisen, und jede externe Kritik daran wird ausgeblendet.
„Meiner Meinung nach sollte man die “angebliche Wissenschaft” und diese “Hobbys” anders – seriöser” bewerten.“
„Seriöser“, als Rutengänger immer wieder, trotz x-facher Widerlegung, zu testen und sie ihr angebliches Können unter kontrollierten Bedingungen vorführen zu lassen, kann man wohl kaum mit dem Thema umgehen.