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Die Schweinegrippe-Verschwörung

| 5 Kommentare

Probleme gibt’s:

Mittlerweile hat sich auch die vatikanische Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung zum Thema Schweinegrippe geäußert: Es sei Priestern nicht erlaubt, Gläubigen die Mundkommunion wegen der Schweinegrippe zu verweigern.

Prompt überschlugen sich im Bekloppten-Portal kreuz.net die Kommentare. Allgemeiner Tenor: Recht so! Denn:

„Durch den würdigen Empfang der heiligen Kommunion (also die Mundkommunion; Anm. d. Autors) schützt mich der Herr vor Krankheiten … Ich vermute mal, dass eher in der Neuen Messe (die mit der Handkommunion; Anm. d. Autors) die Viren Einzug halten.“

So wird’s wohl sein. Vor allem dann, wenn uns der fiese A/H1N1-Erreger von gar finsteren, teuflischen Mächten geschickt worden ist. Etwa von den Bilderbergern. Oder den Illuminaten, die damit endlich ihren lang gehegten Plan zur Bevölkerungsreduktion verwirklichen wollen.

Wieder einmal zeigt sich, dass Verschwörungsmythen ein menschliches Grundbedürfnis erfüllen: Sie verknüpfen auf eigentümliche Weise vermeintliche Ursachen mit vermeintlichen Konsequenzen und vermitteln so das beruhigende Gefühl, dass bedeutsame Entwicklungen nicht das Ergebnis von Zufällen sind.

Und vielleicht sind sogar folgende Meldungen nichts weiter als der Sehnsucht nach irgendeiner Form von Ordnung im Chaos geschuldet: „Ein Erreger, der Schweine-, Vogel- und Menschenviren vereint – als käme er aus einem außerirdischen Gen-Labor“ halluzinierte etwa die Bild-Zeitung, während in Internetforen wilde Mutmaßungen über die „Interessen der Kartelle“ oder gar über die Influenza-Impfung als „Eugenik-Waffe“ angestellt werden.

Fairerweise muss man dazusagen: Gerüchte blühen vorzugsweise dort, wo echte Informationen fehlen.

„Die meisten dieser Schweinegrippe-Fälle verliefen äußerst milde … Dennoch bestellen Regierungen überall auf der Welt fieberhaft Impfstoffe gegen die Schweinegrippe. Weshalb?“

fragt zum Beispiel jemand unter dem Thread „Seltsamkeiten rund um die Schweinegrippe.“

Hierauf könnte man zum Beispiel mit einer Buchempfehlung antworten.

Vor genau zehn Jahren veröffentlichte Gina Bari Kolata den Report „Influenza – Die Jagd nach dem Virus“ (S. Fischer-Verlag). Darin zeichnet die Wissenschaftsjournalistin die jahrzehntelange Suche nach dem Erreger der Spanischen Grippe von 1918 nach, spätere Influenza-Ausbrüche wie der im Jahr 1997, Panikreaktionen, fehlgeschlagene Impfkampagnen und vieles mehr. Hoch spannend. Ohne das Erscheinungsdatum „1999“ im Impressum hätte man fast das Gefühl, eine aktuelle Situationsbeschreibung zu lesen.

Wieso? Ich versuche mal, den Inhalt in aller Kürze zusammenzuraffen:

„Niemand weiß genau, woher die Grippe von 1918 kam oder wodurch sie so tödlich wurde … Im Nachhinein sprechen Mediziner von zwei Wellen der 1918er-Grippe. Die erste war banal und schnell wieder vergessen. Doch als sie zum zweiten Schlag ausholte, war etwas Monströses aus ihr geworden.“

Die Zahl der Toten schätzte man weltweit auf etwa hundert Millionen. So etwas setzt sich tief im kollektiven Gedächtnis fest. Kolata zitiert dazu einen Virologen:

„Eine Person stirbt, und das Ereignis schlägt Wellen bis in die nächste Generation. Multipliziert man dies mit hundert Millionen, sieht man allmählich die Auswirkungen der Grippe.“

Auffällig war damals:

„Nach der ersten Epidemie im Jahr 1918 erkrankten alljährlich zu Beginn des Winters Schweine an Grippe … War es nur purer Zufall, dass die erste Schweinegrippeepidemie ausgerechnet zu einer Zeit ausbrach, als unter den Menschen gerade die bösartigste Grippe in der Geschichte herrschte? War es denkbar, dass sich 1918 Schweine bei Menschen angesteckt hatten und dass die Grippeviren in den Tieren überlebten?“

Das war mehr als nur denkbar, und als 1976 ein 18-jähriger Soldat namens David Lewis in New Jersey an einem Virus starb, der eng mit dem Schweinegrippevirus verwandt war, gingen alle Sicherheitslampen an – zumal es hier

„weit und breit keine Schweine gab, die die Soldaten hätten infizieren können, und das bedeutete, dass die Schweinegrippe sich von Mensch zu Mensch übertragen haben musste. Und einer der Infizierten war gestorben.“

Allein die Möglichkeit, dass das Grippevirus von 1918 zurückkehren könnte, veranlasste die US-Regierung unter Präsident Gerald Ford zu einer weitreichenden Maßnahme: 135 Millionen Dollar wurden für eine landesweite Immunisierung gegen Schweineinfluenza bereitgestellt: „Ein in der Geschichte einmaliger Aufwand, um einer der schlimmsten Seuchen, die die Menschheit jemand heimgesucht hatte, vorzubeugen.“

Doch die Impfkampagne endet in einem Fiasko: Wissenschaftler, Impfstoffhersteller, Ärzte, Juristen und Politiker verzetteln sich in endlosen Streitereien um Sinn und Unsinn der Vakzine, um Haftungsfragen, Nebenwirkungen und vieles mehr. Kommt uns das irgendwie bekannt vor?

Kolata schreibt abschließend:

„Es gibt zwei Vorfälle, die das Denken von Grippeforschern nachhaltig beeinflusst haben:

  • Der eine ist die Pandemie von 1918 … Um ein Massensterben vergleichbaren Ausmaßes zu finden, müsste man bis ins 14. Jahrhundert zurückgehen, zum Schwarzen Tod.
  • Das zweite Geschehen war die Episode mit der Schweinegrippe 1976. Etwa 40 Millionen Menschen erhielten den Impfstoff und ein paar Hundert entwickelten das Guillain-Barré-Syndrom. Aber eine Pandemie blieb aus. Solche Dingen bleiben den Menschen im Gedächtnis.“

Und zwar in sehr widersprüchlicher Weise.

1976 trafen die Verantwortlichen ihre Entscheidung nach dem Motto:

Besser ein Impfstoff ohne Epidemie als eine Epidemie ohne Impfstoff.“

Heute wissen wir, dass eine spezielle Variante des aktuellen „Schweinegrippe“-Virus H1N1 tatsächlich der Auslöser der Spanischen Grippe von 1918 gewesen ist.

Auch wenn die Neue Grippe von 2009 sich von der Spanischen Grippe genetisch unterscheidet und gewissermaßen eine Neukombination aus unterschiedlichen Virustypen darstellt: Anstatt bizarre Verschwörungstheorien zu spinnen, sollten wir lieber froh sein, dass wir besser gerüstet sind, um ihr zu begegnen.

Zumal wir die Vergangenheit kennen.

Link zum Thema:

5 Kommentare

  1. Bernd,

    schon in den 60ern waren Kirchen und ihre Patronen für die Verbreitung von Infektionen verantwortlich. Da hatte Gott wohl grad viel zu tun und konnte seine Schafe nicht vertragsgemäß beschützen.

    Hier, ein alter Beitrag aus dem Spiegel: „P III ausverkauft“, DER SPIEGEL 34/1961 VOM 16.08.1961, SEITE 29

  2. @Paraphen:
    Danke, sehr interessant!

  3. Hallo,

    wo sind denn im genannten Blog die Belege für diese Behauptung:

    „So wird’s wohl sein. Vor allem dann, wenn uns der fiese A/H1N1-Erreger von gar finsteren, teuflischen Mächten geschickt worden ist. Etwa von den Bilderbergern. Oder den Illuminaten, die damit endlich ihren lang gehegten Plan zur Bevölkerungsreduktion verwirklichen wollen.“

    Ich kann sie nicht entdecken. Oder entspringt diese Behauptung skeptizistischem Wunschdenken. Das würde uns ja viel über die fundamentalistisch skepizistische Denkweise aussagen. Nämlich: Viel Wind und keine Belege.

    Aber ihr seid ja soooo wissenschaftlich, Schenkelklopfer……, ihr kleinen skeptizistischen Schlümpfe, echt putzig.

    LG

    Groovy

    PS. better luck next time

  4. @Groovy: Du möchtest nicht wirklich die Ironie im genannten Zitat erklärt bekommen, oder?! Na gut, wenn du wirklich willst, bitte: Es ist Ironie. Und jetzt tief durchatmen und weitergehen. Troll dich woanders aus.

  5. @groovy:

    Mist, hätte ich auf der Journalistenschule bloß besser aufgepasst:

    Erster Tag, erste Unterrichtsstunde:

    „Ironie. Versteht der Leser nie.“

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