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Video: Doktor Whatson über Placebo- und Nocebo-Effekte

| 1 Kommentar

Der Youtuber „Doktor Whatson“ (Cedric Engels) über den Placebo-Effekt:

“Homöopathie wirkt nicht über den Placebo-Effekt hinaus.” Was bedeutet das eigentlich? Das haben wir mit der Hilfe zweier Experten recherchiert und es stellt sich heraus: es gibt tatsächlich etwas, das die Medizin von der Homöopathie lernen kann.

Mit den beiden Experten sind offenbar Sven Benson und Manfred Schedlowski gemeint.

Zum Weiterlesen:

  • Doktor Whatson: So krass ist der Placebo-Effekt wirklich, spektrum am 23. Juli 2024
  • Homöopathie auseinandergenommen, spektrum am 30. Mai 2024
  • Vortragsvideo: „Die Macht der Erwartung“ – Placebo- und Nocebo-Effekte in der Therapie, GWUP-Blog am 19. Juni 2024
  • Die Quarks Science Cops über den Placebo-Effekt, GWUP-Blog am 14. Oktober 2023
  • Der gewissenhafte Doktor Whatson, stifterverband am 16. Dezember 2020
  • Homöopathie-Hersteller erhält Satire-Preis: Hevert für „größten Unfug“ des Jahres ausgezeichnet, apotheke-adhoc am 16. Dezember 2019
  • Hevert kann aufatmen – vor der ganz großen Blamage kam jetzt die Notbremsung, GWUP-Blog am 23. Januar 2020

Ein Kommentar

  1. Immer wieder dieses „von der Homöopathie lernen“ unter Bezug auf die angebliche „Optimierung des Placeboeffekts“ durch das homöopathische Behandlungssetting.

    Ja, ist auf den ersten Blick mag was dran sein und ja, genau das war ja auch der Ausgangspunkt von Natalie Grams‘ ursprünglicher Kritik an der Homöopathie:

    die Methode um Hokuspokus zu bereinigen und das für die Medizin nutzbar machen, was dann übrigbleibt.

    Nur sehen wir nicht gern diese schön klingenden Headlines mit „von der Homöopathie lernen“. Erstens legitimiert das die Homöopathie und zweitens suggeriert dies, dass die Homöopathie den Placeboeffekt sozusagen erfunden habe und dessen exklusiver Vertriebspartner sei.

    Beides stimmt natürlich nicht. Und eine „Optimierung“ des seit Urzeiten in der Medizin wirksamen Placeboeffekts hat sie nur insofern herbeigeführt, als dass sie ihn durch Verzicht auf brachiale Medizin vorwissenschaftlicher Zeiten hat zur Wirkung kommen lassen.

    Und bei alledem darf man auch niemals die wichtige Sentenz von Placebo-Papst Ted Kaptchuk vergessen:

    „Placebos dazu führen mögen, dass Sie sich besser fühlen – sie werden Sie aber nicht heilen“. Der Anspruch moderner Medizin geht aber darüber hinaus.

    Abgesehen davon ist die medizinisch-psychologische wissenschaftliche Placeboforschung derart fortgeschritten, dass es geradezu aberwitzig ist, die Homöopathie als Beleg für den Nutzen von psychotropen Effekten anzuführen. Eine solche Argumentation beruht lediglich auf soziokulturell erlernten Scheinwahrheiten.

    An etlichen medizinischen und psychologischen Einrichtungen weltweit wird intensiv sowohl an den Mechanismen als auch an der Nutzbarmachung des Effekts geforscht.

    Wenn man dann noch in Rechnung stellt, dass der „ächte homöopathische Heilkünstler“ nichts von einer Placebotherapie wissen will und darauf besteht, er praktiziere eine spezifische Arzneimitteltherapie, dann werden solche Rückgriffe auf die Homöopathie als vorgeblichem Hort der Placebowunder endgültig obsolet.

    Genau aus diesen Gründen hat Natalie Grams sich im Zusatzkapitel der englischen Ausgabe von „Homöopathie neu gedacht“ von ihrer ursprünglichen, noch von der Absicht einer „Rettung“ der Homöopathie geprägten Idee verabschiedet:

    „Nur brauchen wir aber in der Tat- das weiß ich heute – hier gar keine Ansätze aus der Homöopathie. Denn solche Ansätze sind längst Gegenstand medizinisch-wissenschaftlicher Forschung, man arbeitet intensiv an Möglichkeiten und Wegen, diese für die Praxis der wissenschaftlichen Medizin nutzbar zu machen. Was mir bei der Abfassung des Buches in diesem Maße nicht bekannt war, ist der hohe Forschungsstand der Wissenschaft zu psychosomatischer Medizin, zur Placeboforschung und den damit verwandten Feldern und auch zur Weiterentwicklung des Konzepts der evidenzbasierten Medizin. […]

    Die Psychologie entwickelt sich beständig weiter, die Psychosomatik, also der Zweig, der inzwischen nicht nur psychosomatische Zusammenhänge erforscht, sondern medizinisch relevante psychothrope Methoden evaluiert und praxisrelevante Möglichkeiten entwickelt, ist nach meiner Ansicht derjenige, der in Zukunft noch größte Bedeutung im Kontext der wissenschaftlichen Medizin entwickeln wird. […]

    All das entwickelt sich vor dem Hintergrund des Konzepts der evidenzbasierten Medizin, das die wissenschaftliche Fundierung durch erprobte, evidenzbasierte Methoden und Mittel mit der ärztlichen „Kunst“ und Erfahrung einerseits und den individuellen Bedürfnissen und Vorstellungen des Patienten andererseits verbindet, mit der Vorstellung, hieraus ein individuelles Behandlungskonzept ganz im Sinne einer Emergenz zu erreichen – ein ganzheitlicher Ansatz par excellence.“ (Übersetzung INH)

    Und an einer weiteren Stelle zeigt die Berufung auf die Homöopathie als Placebo par excellence eine Bruchstelle: Man kann doch nicht gleichzeitig die Homöopathie als Methode beschreiben, die „nicht über Placebo hinaus“ wirke und gleichzeitig genau deswegen ihr Loblied singen. Genau das will doch der Beschluss des Deutschen Ärztetages vom 10. Mai 2024 zum Ausdruck bringen:

    „Beobachtbare Effekte homöopathischer Behandlungen beruhen auf Kontext-Effekten, zu denen auch der Placebo-Effekt gehört. Dies ist nicht zu leugnen, jedoch keine Rechtfertigung für eine Scheinmethode wie die Homöopathie, gerade nicht in ärztlicher Hand. Die Behauptung spezifischer Wirkungen einer vorgeblichen Arzneimitteltherapie ohne deren Nachweis steht dem rationalen, wissenschaftlichen Anspruch des Fachgebiets Medizin entgegen.“

    So weit, dass Placebo als „standalone“ eine medizinische Therapieoption wäre, sind wir noch lange nicht. Und ärztliche Zuwendung zur Optimierung des Behandlungserfolges sollte selbstverständlich sein – und selbstverständlich auch honoriert werden -, geht aber über „den Placeboeffekt“ weit hinaus.

    Und abschließend noch ein quantitaiver Blick. Nur ein Fünftel bis ein Sechstel des Homöopathie-Umsatzes beruht auf therapeutischen Verordnungen. Bei der ganz überwiegenden Zahl homöopathischer Verwendungen liegt also schon einmal gar kein therapeutisches Behandlungssetting zugrunde, von dem „die Medizin lernen könnte“.

    Vom Rest muss man noch Verordnungen nichtärztlicher Behandler abziehen und diejenigen ärztlichen Behandler, die Varianten praktizieren, die dem Anamnesegespräch keine oder nur eine untergeordnete Rolle zuweisen (z.B. reine Konstitutionstherapeuten oder Praktizierende der Gruppenanalyse nach Jan Scholten).

    Bei genauem Hinschauen dürfte also im Gesamtkomplex Homöopathie das so hochgelobte, angeblich den Placeboeffekte „optimierende“ Anamnesegespräch eh nur eine Marginalie sein – und wegen seines eigentlichen Zwecks (der Mittelfindung) nur akzidenzielle psychotrope Effekte hervorbringen.

    Also bitte; Schluss mit dem ewigen „von der Homöopathie lernen können“. Bitte!

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