Jonas, ein junger Mann, taucht plötzlich in der Klasse auf. Er ist gehetzt und scheint verfolgt. Er erzählt der Klasse, er werde verfolgt. Von wem, lässt er im Nebel, spricht nur von „denen“ und „die“.
Er sieht sich als gejagt, weil er die Wahrheit über 5G, Bill Gates, Impfungen und Aliens kenne und sie allen erzählen, alle aufwecken will.
Als er sein Handy dann in Alufolie wickelt – um abgeschirmt zu sein – und zeigt, dass er selbst Alufolie am Körper trägt, wird sein Auftritt zusehends verstörend.
So beschreibt der Drei Masken Verlag das Theaterstück „Der Entstörer“ von Ursula Kohlert, das derzeit unter anderem vom Theater Dortmund gespielt wird.
Im März gibt es dort zwei Aufführungen (14.3. und 18.3.), das Ensemble tritt damit aber auch an Schulen im Stadtgebiet von Dortmund auf. Grundsätzlich kann jedes Theater die Aufführungsrechte erwerben und den einstündigen Klassenzimmermonolog auf die Bühne bringen
So feierte „Der Entstörer“ bereits in Chemnitz, Neuss, Neustrelitz, Eggenfelden und anderen Städten Premiere.
Jonas erzählt der Klasse von seinem Leben zwischen Alufolie, Verfolgungsangst und Einsamkeit. Ursula Kohlert stellt dabei heraus, wie anstrengend ein solches Leben ist: Einkaufen wird zum strategischen Krieg, die Wohnung wird zur Silber-Festung, Familie weicht dem gerichtlichen Kontaktverbot und die schöne Nachbarin wird stundenlang heimlich gestalked.
Kohlert zeichnet empathisch nach, wie Jonas nach dem frühen Krebstod seiner Mutter immer radikaler und tiefer in Verschwörungstheorien eintaucht – und wie sehnlichst er sich einen Ausweg und ein sorgenfreies Leben wünscht. Sie zeigt Jonas Weg bis zur äußersten Zuspitzung seines Wahns: In einen Reptiloiden verwandelt, wird er unantastbar, allwissend und unnahbar.
Am Theater Dortmund wird Jonas von dem Schauspieler Jan Westphal verkörpert. Ihn reizte an der Inszenierung vor allem die Frage, was machen Verschwörungstheorien mit den Menschen, die daran glauben, sagte Westphal dem GWUP-Blog:
Die Figur des Jonas zeigt sehr eindrucksvoll, dass ihm diese verfestigte Antihaltung nicht guttut, dass er sich mehr und mehr isoliert, dass seine vermeintlichen Erkenntnisse sein Leben nicht wirklich bereichern. In den Nachgesprächen geht es denn auch gar nicht so sehr darum, jede einzelne Verschwörungstheorie zu widerlegen – sondern mehr um Gefühle und Befindlichkeiten.
Zu dem Klassenzimmerstück gehört eine Nachbereitung mit der Theaterpädagogin Erika Schmidt-Sulaimon, „damit diese Horrorstorys aus dem Verschwörungsuniversum“ nicht in der Luft hängenbleiben.
Häufig, berichtet Westphal
… erzählen die Schülerinnen und Schüler von ihren eigenen Erfahrungen. Da gibt es die Tante, die an Chemtrails glaubt, oder den WhatsApp-Kumpel, der Antisemitismus teilt. Die meisten sind in irgendeiner Form von dem Thema betroffen.
Am Theater Dortmund kann das Stück hier gebucht werden. Im Juli spielt das Ensemble den „Entstörer“ beim Kinder- und Jugendtheaterfestival „Penguin’s Days“ in Moers.
Ein Interview mit dem Solodarsteller Jan Westphal, dem Regisseur Peter Kirschke und der Dramaturgin Jacqueline Rausch gibt’s im nächsten Skeptiker (1/2024), der Mitte dieses Monats erscheint.
Zum Weiterlesen:
- „Der Entstörer“: Im Sog der Verschwörung, rheinische post am 5. März 2023
- Theater an der Rott mit dem Klassenzimmerstück „Der Entstörer“ am Comenius, comenius-deg am 6. Mai 2023
- Theater an der Rott bringt Klassenzimmerstück über Verschwörungen in Eggenfeldener Schule, pnp am 2. März 2023
- „Von Lügen und Leiden“: Verschwörungstheorien als Filmthema im P-Seminar an Ingolstädter Gymnasium, GWUP-Blog am 8. Februar 2024
- Verschwörungstheorien: Aussteigerprogramm „ent-täuscht“ hilft, ndr am 27. Februar 2024