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Der „Münsteraner Kreis“ beendet seine Tätigkeit

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Mit einer „Mischung aus Stolz und Ernüchterung“ hat der Münsteraner Kreis seine Auflösung bekanntgegeben.

Das Wesentliche ist gesagt, aber die Resonanz vor allem in der Politik ist flau,

heißt es in einer Abschlusserklärung des Expertengremiums:

Wohl sind in den vergangenen drei Jahren 15 von insgesamt 17 Landesärztekammern dem Vorstoß Bremens darin gefolgt, endlich die ärztliche Zusatzausbildung für Homöopathie abzuschaffen: ein Relikt aus vorwissenschaftlichen Zeiten, das fast weltweit seinesgleichen gesucht hat.

Aber noch immer besteht etwa die absurde deutsche Konstruktion der „besonderen Therapierichtungen“, mit deren Hilfe Präparate der Homöopathie, Anthroposophischen Medizin und Phytotherapie die etablierten Anforderungen an Wirksamkeitsnachweise umgehen dürfen.

Noch immer hofieren viele Universitäten, Ärztekammern, Kassenärztliche Vereinigungen und Gesetzliche Krankenkassen die „Alternativmedizin“, die in Wahrheit doch nur „Schwurbelmedizin“ und „Quacksalberei“ ist.

Diese gefährliche Toleranz betrifft Forschung, Lehre, Versorgung und Finanzierung.

Der Ball, so der Münsteraner Kreis, liege nun im Feld der Politik.

Der interdisziplinäre Zusammenschluss von Medizinern, Juristen, Gesundheitswissenschaftlern, Psychologen etc. war 2016 von der Medizinethikerin Prof. Bettina Schöne-Seifert initiiert worden.

Ein Jahr später veröffentlichten 17 Autorinnen und Autoren das „Münsteraner Memorandum Heilpraktiker“, dem weitere sechs Memoranden sowie Gastbeiträge zu Themen wie Homöopathie, Anthroposophische Medizin und Integrative Medizin folgten.

„Mit der Buchveröffentlichung der sieben Memoranden – neben dem Internetauftritt – haben wir bis auf weiteres eine argumentative Basis hinterlassen, die jederzeit reaktivierbar ist“, sagte MK-Mitglied Prof. Norbert Schmacke heute gegenüber unserem Blog. „Die Politik muss wach werden, besser: das Herz in die Hand nehmen und den erwartbaren Shitstorm aushalten.“

Die Argumente des Münsteraner Kreises haben auch nach dessen Ende Bestand,

kommentiert die Süddeutsche Zeitung:

Doch weil in Deutschland alles, was nach natürlich, sanft und ganzheitlich klingt, mit einem Heiligenschein versehen wird (auch wenn die Kriterien nicht erfüllt sind), trauen sich nur wenige Institutionen, klare Kante zu zeigen und sich gegen die Scharlatanerie abzugrenzen […]

Bleibt zu hoffen, dass sich die Politik endlich der Aufklärung verpflichtet fühlt und nicht aus Kalkül weiter der Unvernunft Vorschub leistet.

Zum Weiterlesen:

  • Sprechende Medizin geht auch ohne Esoterik, Süddeutsche am 27. Oktober 2023
  • Jetzt als Sammelband: Die sieben Memoranden des Münsteraner Kreises, GWUP-Blog am 11. Oktober 2023
  • „Wir sind keine Lobby“: Initiatorin Prof. Schöne-Seifert zum Heilpraktiker-Memorandum, GWUP-Blog am 25. August 2017

4 Kommentare

  1. Schade.

    Dennoch ziehe meinen Hut vor euch, Münsteraner Kreis, und eurer hervorragenden Aufklärungsarbeit, die ihr in den vergangenen 7 Jahren geleistet habt.

    Ich wünsche den Mitglieder alles Gute auf ihrem weiteren Weg.

  2. Der Klügere gibt nach.

    Andererseits:

    Die Botschaft der Auflösung wird in Schwurbelkreisen die Sektkorken knallen lassen und als Beweis herangezogen werden, dass man eben doch recht hat.

  3. Wenn der Ball im Feld der Politik liegt, wird er da liegen bleiben. Die Lobbyarbeit ist zu gut und von politischem Willen geschweige denn Verantwortungsbewusstsein kann keine Rede sein.

  4. Der Klügere gibt nach? Wohl eher nicht.

    Der Münsteraner Kreis ist selbstverständlich enttäuscht, dass seine Arbeit praktisch kein Echo bei den Entscheidern im Gesundheitswesen gefunden hat. Andererseits haben die hochrangigen Leute, die dort gearbeitet haben, auch anderes zu tun als die „bis zum Erbrechen“ dargelegten Argumente bis zum St. Nimmerleins-Tag zu wiederholen.

    Daher ist die Entscheidung zu einem Ende der gemeinsamen Arbeit durchaus rational, wenn auch ohne Zweifel gemessen am ursprünglichen Anspruch nicht ohne Resignation.

    Es hat ja auch seinen Grund, weshalb die Memoranden des MK abschließend als Buch erschienen sind. Man macht sie damit ganz bewusst noch einmal verfügbar und öffentlich und fordert damit weiterhin verantwortliches Handeln ein.

    Das INH, das mit verschiedenen seiner Mitglieder durchgängig im Münsteraner Kreis vertreten war, macht sich natürlich auch so seine Gedanken – nicht erst jetzt. Die vor einem Jahr erschienene „Globukalypse“-Webseite zielte ja ganz bewusst auf ein „Erweckungserlebnis“ bei Entscheidern ab.

    Ergebnis: siehe Statement des MK.

    Nun ist die Basisaufgabe des INH ja nach wie vor die Aufklärung des allgemeinen Publikums zu Homöopathie und die Bildung eines Gegenpols zu konkreten „Manifestationen“ der homöopathischen Szene wie zuletzt mit dem Erreichen des Retracts des Reviews von Gärtner et al. .

    Aber auch wir wissen, dass wir mit diesen Bemühungen keinen wirklichen Durchbruch gegen die Reputation der Homöopathie hierzulande erreichen können, wenn sich die Entscheiderebene in Gesundheitswesen und Politik weiter taub stellt. Und so lange vertiable Skandale wie das Hineinregieren von Minister Lucha in fachliche Angelegenheiten der Ärztekammr BW möglich bleiben.

    Wir machen weiter, auf jeder Ebene. Derzeit haben wir ein Auge auf die berühmte „iHOM“-Studie (wer denkt sich sowas nur aus … etwa gefördert von Apple?) an der TMU München im Auftrage des bayerischen Landtags. Die Erfahrung mit dem Dunning-Kruger-Effekt gestern in einer FB-Diskussion dazu war einmal mehr – naja, quantifizieren wir das mal nicht

    Man muss aber auch als hartgesottener Kritiker immer noch schlucken, manchmal.

    Gegenüber den Entscheidern führt möglicherweise eine deutlichere Tonlage weiter.

    Waren wir zu sachlich-freundlich in unseren Offenen Briefen? Muss man doch radikal deutlich werden dabei, den Adressaten klarzumachen, was der unangetastete Binnenkonsens tatsächlich alltäglich bedeutet im Umgang der Menschen mit der Homöopathie (und z.B. dass sich die Fa. Pflüger mit großem Selbstbewusstsein als „Arzneimittelhersteller“ präsentiert, statt sich nach der Sache mit der „Maus“ lieber zurückzuhalten …).

    Nun, wir werden sehen. Dank an die Mitglieder des MK, dessen Arbeit wir seit 2016 stets begleitet haben. Wir jedenfalls bleiben dran.

    Und sei es nur deshalb, um Prof. Walach Lügen zu strafen, der seinerzeit nach der Gründung des INH süffisant meinte, bislang habe sich noch jede Homöopathiekritik ergebnislos totgelaufen und deshalb sei es sinnlos, das Rad nochmals neu zu erfinden.

    Von wegen!

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