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Interview mit Florian Aigner: „Kein Grund mehr, die Quantenphysik zu mystifizieren“

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Noch zwei Tage lang kann man bei Lovely Books das neue Buch von Florian Aigner

Warum wir nicht durch Wände gehen – unsere Teilchen aber schon. Ein Reiseführer durch die Welt der Quanten

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Ein Interview mit dem Quantenphysiker gibt’s bei den GWUP-News:

GWUP: Wie auch schon in deinem vorherigen Buch widmet sich ein Teil deiner Erläuterungen den Skeptikern wohlbekannten ,,esoterischen Irrtümern“. Warum ist die Quantenphysik bei Esoterikern, also etwa Anhängern der „Alternativmedizin“, so populär? Und warum, das erfährt man mit Erstaunen im Kapitel ,,Quantenphilosophie und Quantenesoterik“, sind selbst preisgekrönte Physiker nicht vor pseudowissenschaftlichen Fehlschlüssen daraus immun?

Florian Aigner: Ich glaube, das hat historische Gründe.

Ganz zu Beginn, vor etwa hundert Jahren, war die Quantentheorie tatsächlich etwas höchst Verwirrendes. Es gibt Zitate großer Physiker aus dieser Zeit, die Quantenphysik als etwas Undurchschaubares, beinahe Mystisches darstellen. Das ist aus damaliger Sicht verständlich – aber die Wissenschaft hat sich weiterentwickelt.

Vieles von dem, was damals für die größten Genies der Welt tatsächlich verwirrend war, haben wir mittlerweile recht gut verstanden. Nicht weil wir klüger sind als die Gründerväter und -mütter der Quantentheorie, sondern weil wir heute auf einen reichen Schatz an unzähligen Experimenten, Beobachtungen und Theorien zurückgreifen können.

Heute gibt es wirklich keinen Grund mehr, die Quantenphysik zu mystifizieren.

Zum Weiterlesen:

  • ,,Warum wir nicht durch Wände gehen“: Interview mit Florian Aigner, GWUP-News am 22. April 2023
  • Neues Buch von Florian Aigner: Ein Reiseführer durch die Welt der Quanten, GWUP-Blog am 19. April 2023

9 Kommentare

  1. „Vieles … haben wir mittlerweile recht gut verstanden.“

    Das „wir“ ist hier nicht angebracht. Für viele ist die Quantentheorie nach wie vor verwirrend und für manche auch ein gutes Mittel, um Verwirrung zu stiften.

    Kant, Marx oder Adorno versteht übrigens auch nicht jeder. Komischerweise erfreuen die sich in der Esoterik nicht solcher Wertschätzung.

  2. @ Joseph Kuhn

    Ich glaube, Florian Aigner bezieht sich bei dem „wir“ auf die Physiker (der heutigen Zeit).

  3. @ RainerO:

    Schon klar. Es klingt halt an der Stelle wie wenn der Arzt fragt, wie es „uns“ denn heute geht.

    Man kann auch andere Konzepte durchprobieren. „Energie“ und „Schwingungen“ finden sich auch zuverlässig im esoterischen Bauchladen. Die „Gravitation“ dagegen nicht, obwohl sie durchaus geheimnisvolle Seiten hat.

    Auch von den „Mibrollen“ und „Vibromen“ halten sich die Esoteriker fern, obwohl die doch gut in ihre Gedankenwelt passen würden.

  4. … wieso? Gravitationswellenmassagen sind doch schon im Angebot ;-)

  5. Es gibt meines Erachtens spezielle Gründe, warum gerade die Quantenmechanik so gerne mystifiziert wird.

    „Esoterische Strömungen“ lassen sich natürlich nicht alle über einen Kamm scheren, aber es gibt zwei Kernsätze, die sehr häufig anzutreffen sind:
    – „Alles hängt mit allem zusammen“
    – „Geist ist wichtiger als Materie“

    Nun gibt es in der Quantenphysik einige wichtige (und sehr viel diskutierte!) Aspekte, die diese beiden Aussagen scheinbar bestätigen.

    Die Verschränkung weit voneinander entfernter Teilchen kann leicht als Beleg des ersten Satzes missverstanden werden; die Diskussion um die Rolle der Messung und insbesondere des Beobachters wird gerne als Beweis des zweiten Satzes fehlgedeutet.

    Neben diesen beiden zentralen Aspekten kommt noch hinzu, dass sich viele Physiker gerne zu phantasievollen Metaphern und lockeren Sprüchen hinreißen lassen. Wenn schon eine Autorität wie Richard Feynman gesagt hat, dass niemand die Quantenmechanik versteht, dann kann auch der Dorf-Guru von sich behaupten, dass er sie genau so gut verstehe wie Feynman.

    Ich bin Florian Aigner sehr dankbar, dass er sich mit einem ganzen Buch dafür einsetzt, die Quantenphysik auf „vernünftige Weise“ einem größeren Publikum nahezubringen. Mystische Interpretationen sind vollkommen unnötig, auch wenn viele davon sich weder streng logisch noch empirisch endgültig widerlegen lassen.

    Die Quantenphysik und die Relativitätstheorie sind die beiden großen Entwicklungen der modernen Physik, die auch philosophisch wichtig sind, weil sie Aussagen über unsere Realität, über die „Natur der Dinge“ treffen.

    Für Esoteriker ist die Relativität – die von den meisten Leuten genau so wenig verstanden wird wie die Quantenphysik, und ebenso Aussagen macht, die dem „gesunden Menschenverstand“ zuwider laufen – aber viel weniger attraktiv, weil es weit schwieriger ist, sie im esoterischen Sinne falsch zu verstehen.

    Tatsächlich dürfte sogar ein guter Teil der zahlreichen Hobby-Physiker, die Einstein widerlegt haben wollen, esoterisch motiviert sein!

  6. @ Philippe Leick:

    Dass die Quantentheorie für Esoteriker besonders attraktiv ist, weil sie die beiden genannten Kernsätze und auch den dritten Hauptsatz der Esoterik („Nicht ist, wie es scheint“) zu bestätigen scheint, klingt plausibel.

    Es liegt sicher nicht nur daran, dass die Quantentheorie nicht einfach ist, das sind andere physikalische Theorien auch nicht, und einfach sind, wie gesagt, auch Kant oder Marx nicht.

    Nur am Rande: Fehlt im letzten Satz ein „aber trotzdem“? Er passt sonst nicht so recht zum vorletzten Satz.

  7. @ Joseph Kuhn: Vielen Dank für den Hinweis zum 3. Hauptsatz der Esoterik und zum unglücklich formulierten letzten Satz.

    Was ich tatsächlich aussagen wollte ist, dass die meisten Esoteriker mit der Relativitätstheorie bestenfalls wenig anfangen können. Schlimmer noch, mit der Lichtgeschwindigkeit setzt sie eine harte Grenze, die sich nicht gut mit dem Glauben verträgt, dass alles möglich sei…

    Deshalb ist die Relativität – anders als die Quantenmechanik – keine Theorie, auf die sich viele Esoteriker berufen. Im Gegenteil, sie ist ihnen suspekt, und gar nicht so wenige fühlen sich deswegen geradezu berufen, Einstein zu widerlegen.

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