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Bei Vollmond schlafen wir immer noch nicht schlechter

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Immer wieder gerne genommen – diesmal bei spiegel.de:

Spiegel: Besonders schlecht schlafen Menschen in Vollmondphasen – zumindest ist dieser Glaube weitverbreitet. Es gibt unzählige Studien, die darauf hinweisen. Eine Gruppe der Universität von Washington hat das Schlafverhalten von vier verschiedenen Teilnehmergruppen über zwei Mondzyklen untersucht. Dabei kam heraus, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den drei bis fünf Tagen vor Vollmond 30 bis 80 Minuten später einschliefen als gewöhnlich. Zudem schliefen sie bis zu 90 Minuten weniger. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?

Erwartbare Antwort des Schlafforschers Jürgen Zulley:

Da möchte ich klar widersprechen. Ja, es gibt unzählige Studien, aber die meisten konnten keinen Zusammenhang finden. Trotzdem geben Menschen an, bei Vollmond schlecht zu schlafen, aber warum? Eine Ursache könnte die selbsterfüllende Prophezeiung sein.

Wenn ich davon ausgehe, dass ich bei Vollmond schlecht schlafe, und ich weiß, dass in der kommenden Nacht Vollmond ist, bin ich dementsprechend angespannt. In der Regel schlafe ich dann auch schlechter.

Also ist Ihrer Meinung nach an der Theorie nichts dran?

Auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien lässt sich dieser Glaube nicht bestätigen. Solche Studien sind sehr aufwendig. So wurden zum Beispiel in Österreich über sechs Jahre 5000 Nächte miteinander verglichen. Es kam heraus, dass in allen Mondphasen genauso häufig schlecht geschlafen wurde.

Aber es gibt noch weitere Erklärungen für einen vermeintlichen Zusammenhang: zum Beispiel die selektive Wahrnehmung, ein allgemein bekanntes Phänomen. Man merkt sich Zusammenhänge nur, wenn sie mit der eigenen Erwartung übereinstimmen, ansonsten vergisst man sie.

Glaube ich an die Wirkung der Mondphase und stelle ich nach einer schlechten Nacht fest, dass Vollmond war, merke ich mir das, erzähle das vielleicht weiter. Wenn ich aber nach einer schlechten Nacht aufwache und es war kein Vollmond, dann ist es schlicht uninteressant, ich vergesse es.

Wie könnte der Mond denn unseren Schlaf überhaupt beeinflussen?

Zum einen ist es das Licht, insbesondere in wolkenlosen Vollmondnächten. Ohne Vorhänge am Fenster kann das Licht stören. Das ist aber ein trivialer Effekt, der in Großstädten weniger wirksam sein müsste, weil dort ja ohnehin mehr Licht in den Nächten vorhanden ist.

Eine weitere Möglichkeit wäre die Anziehungskraft des Mondes, aber jetzt sprechen wir vom Mond überhaupt – und nicht von der Mondphase. Studien haben bewiesen, dass der Mond keinen ausdrücklichen Gravitationseffekt auf den Menschen hat. Zwar werden Ebbe und Flut auch durch den Mond beeinflusst, allerdings nur in den großen Meeren, die über die Erde verbunden sind, da die Erdumdrehung hier eine sehr wichtige Rolle spielt. Auch der größte See hat keine Ebbe und Flut. Und der Mensch ist in diesem Vergleich nun doch viel zu klein.

Aber der Glaube wird von den Anhängern des Mondphaseneinflusses sehr vehement verteidigt, wohl weil ihnen sonst eine Erklärungsmöglichkeit für eine Schlafstörung genommen wird. Dies betrifft auch den Glauben an die Mondphasen überhaupt, zum Beispiel wann Holz geschlagen, ein Bau begonnen, zum Friseur gegangen oder eine Operation angesetzt werden soll.

Das Leben wird ja durch solche Vorgaben kontrollierbar und somit erleichtert. Übrigens: Auch der überzeugteste Mondgläubige kann nicht erklären, wie der Mond wirken sollte.

Zum Weiterlesen:

  • Vortragsvideo: Voll der Mond – die Mythen im Check, GWUP-Blog am 20. Mai 2019
  • Der Mond ist unschuldig, GWUP-Blog am 21. August 2010
  • Schlafen wir bei Vollmond wirklich schlechter? spiegel.de am 6. April 2023

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