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Hexenglaube richtet in vielen Ländern der Erde Schaden an – Medien in Deutschland sind dagegen von Hexen fasziniert

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Im August berichteten wir darüber, dass aktuell in 43 Ländern der Erde Frauen als Hexen verfolgt werden. Das rief hier und da Unglauben hervor, auch weil diese Erhebung von dem katholischen Hilfswerk „missio“ stammt.

Jetzt hat der amerikanische Entwicklungsökonom Boris Gershman eine Studie vorgelegt, nach der 43 Prozent der Bevölkerung in 95 Ländern davon überzeugt sind, dass es Hexen gibt, die mit übernatürlichen Fähigkeiten anderen Schaden zufügen können.

Die Spanne reicht von neun Prozent in Schweden bis zu 90 Prozent in Tunesien. Hohe Werte zeigten sich auch in Marokko, Tansania und Kamerun. In Deutschland sind es 13 Prozent.

Der Glaube an Hexerei sei besonders stark in Ländern mit schwachen Institutionen, geringem sozialem Vertrauen und geringer Innovationskraft verbreitet, schreibt Gershman. Der Deutschen Presse-Agentur sagte der Forscher:

Unser neuer Datensatz macht deutlich, dass erstens der Glaube an Hexerei ein globales zeitgenössisches Phänomen ist, das nicht auf einige wenige ausgewählte Gebiete beschränkt ist, und dass zweitens die Prävalenz sowohl zwischen als auch innerhalb von Weltregionen erheblich variiert.

Religiöse Menschen glauben laut der Studie erheblich häufiger an Hexen als Atheisten. Der Umfrageschwerpunkt lag auf Ländern mit überwiegend christlicher und muslimischer Bevölkerung. Informationen aus China und Indien liegen dagegen keine vor, aus Ost- und Südostasien nur wenige.

Die Folgen des Hexenglaubens seien fatal. Er zwinge die Menschen dazu, sich den lokalen Normen anzupassen, weil jede Abweichung zu einer Anklage führen kann. Diese Art der erzwungenen Konformität aus Angst führe zu Unbeweglichkeit und behindere die Schaffung von Wohlstand und die Durchsetzung von Innovationen.

Darüber hinaus droht den vermeintlichen „Hexen“ und „Hexern“ reale Gefahr für Leib und Leben:

Dies eingedenk, plus die eigentlich unglaublichen 13 Prozent der Bevölkerung in Deutschland, die an Hexen glaubt, würden wir uns vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk kritischere Beiträge zu diesem Thema wünschen als zum Beispiel die „engel fragt“-Folge im Oktober:

Fazit von Moderatorin Julia Tzschätzsch:

Einige Sachen haben mich total fasziniert. An andere werde ich wohl niemals glauben. Ich habe aber auch gelernt, dass Magie viel mit Intuition und Feingefühl zu tun hat.

Für mich war diesmal echt ein Spagat, zwischen eine glaubwürdige Sendung machen und trotzdem der Faszination für Hexen und Schamanen natürlich eine Chance geben. Und ich muss sagen, es hat mich schon ein bisschen gepackt.

Denn egal mit welchen Hilfsmitteln das jetzt genau gemacht wird, im Grunde läuft doch alles auf diese eine Sache hinaus: dass wir uns wieder mehr auf uns selbst besinnen, dass wir wieder zu unserer Mitte zurückfinden. Und dass wir auch die Natur wieder mehr respektieren. Und das ist doch eine gute Sache.

Uns packt es auch gleich, ob so viel Naivität.

Im Standard-Video kommt immerhin Ulrike Schiesser zu Wort, die vor der Gesundheitsscharlatanerie und dem Psychodilettantismus selbsternannter „Hexen“ warnt.

Nicht einmal dazu sind ÖRR-Formate in Deutschland, wie etwa Die Frage („So lebe ich als moderne Hexe“) oder Y-Kollektiv („Was machen eigentlich moderne Hexen?“), in der Lage.

Zum Weiterlesen:

  • Witchcraft beliefs around the world: An exploratory analysis, Plos One am 23. November 2022
  • Weit verbreiteter Glaube an Hexerei bremst Entwicklung aus, Zeit-Online am 23. November 2022
  • Viele Menschen glauben weiterhin an die Existenz von Hexen, FAZ am 24. November 2022
  • Glaube an Hexerei weit verbreitet, mdr am 24. November 2022
  • Glaube an Hexerei global weit verbreitet, Welt-Online am 24. November 2022
  • Tödliche Hexenjagden – und der Kampf der Skeptiker, GWUP-Blog am 4. April 2013
  • „Witch Hunting“ als globale Herausforderung, GWUP-Blog am 26. Dezember 2019
  • Wer an Gott glaubt, glaubt häufig auch an Hexerei, NZZ am 25. November 2022
  • Eva-Maria Schnurr: Das Zeitalter der Hexenverfolgung. Penguin 2022, 304 Seiten, 12 €
  • In 43 Ländern der Erde werden Frauen als Hexen verfolgt, GWUP-Blog am 20. August 2022

16 Kommentare

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  3. Unfassbar eigentlich – aber vielleicht doch nicht?

    Deswegen nicht, weil auch hier wieder die „13 bis 15 Prozent“ Bevölkerungsanteil auftauchen, mit denen z.B. auch die Impfgegnerschaft der „zweiten Reihe“ (also der erste konzentrische Kreis um die echten Hardcore-Impfgegner) ebenso quantifiziert werden wie auch der Anteil von Menschen mit „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, die nach den Forschungen von Prof. Heitmayer seit Jahrzehnten bei diesem Wert „stabil“ ist?

    Für einen „Bodensatz“ oder für eine Zahl hinnehmbarer Ausreißer, die man eben „durchschleppen“ muss, nach meiner Ansicht ein bisschen viel …

  4. Ghanas Bevölkerung wird immer älter, mit Begleiterscheinungen wie Alzheimer und Demenz. Doch in Dörfern werden diese Krankheiten oft für schwarze Magie gehalten – und die Alten in Hexencamps abgeschoben.

    https://www.spiegel.de/ausland/demenz-und-alzheimer-in-ghana-die-vergesslichen-hexen-a-b2b5a3e3-8dcc-4570-897d-6071d747279f

  5. @Udo Endruscheit

    13 bis 15 Prozent – Zahlen, die nach AfD riechen.

  6. @Peter Friedrich:

    Bei allem Verständnis für ihre politischen Vorlieben oder Abneigungen. Die GWUP sollte sich an Fakten halten, die Zahlen sprechen nicht für Ihre These:

    Nach den Ergebnissen der Bundestagswahl 2021 passt die Zahl auf eine andere Partei.

    Quelle: https://www.bundeswahlleiter.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2021/52_21_endgueltiges-ergebnis.html

    SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands 25,7 %

    CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands 18,9 %
    GRÜNE BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 14,8 %
    FDP Freie Demokratische Partei 11,5 %
    AfD Alternative für Deutschland 10,3 %
    CSU Christlich-Soziale Union in Bayern e.V. 5,2
    DIE LINKE DIE LINKE 4,9 %
    SSW Südschleswigscher Wählerverband 0,1 %
    Sonstige 8,6 %

  7. @Thomas Roth

    Die Grünen sind verhext gut‼️

  8. @ Peter Friedrich

    So eine böswillige Unterstellung! Natürlich sind Sonstige und Die Linke verhext, das sind auch 13,5%

  9. Man muss (leider) auch einen gehörigen Anteil Grüne und Linke zu den 13-15 % hinzuzählen.

    Das sind die Luchas, die Homöopathie supi finden. Die Böll-Stiftungen, die mit Anthroposophen kuscheln bzw. vor ihnen kuschen. Die Wagenknechts, die Coronaschutzimpfungen „skeptisch“ betrachten.

    Um nur ein paar Beispiele zu nennen.

  10. Können wir uns bitte wieder auf ein Normal einpendeln?

    Heitmayers Forschungen in Bezug GMF bezieht sich auf Zugehörigkeit zu einer Gruppe vs. Rechtsextremismus. Er kam auch auf stabile Anteile um die 20%.
    Die GMF und auch Verschwörungsglaube ist bei Wählern rechter Parteien höher als bei anderen, ist aber bei Wählern aller Parteien vorhanden.

    Wie sich Wähler, die an Hexerei glauben, verteilen ist mir nicht bekannt. Es wäre nett, wenn irgendwer der Experten mir dazu Quellen nennen könnte.

  11. @Hendrik Enders:

    Danke. Genau darauf wollte ich mit meinem Post hinweisen: Dass es unsinnig ist, aufgrund von gleichen ( überdies geschätzten) Prozentzahlen auf die gleichen Gruppen zu schließen.

  12. @Hendrik Endres

    Es gibt keinen statistischen Zusammenhang zwischen Parteipräferenz und Religiosität, erst recht nicht zur Hexerei. Die Grundgesamtheit wäre dafür auch zu klein. Deswegen nehme ich die vorherigen Behauptungen auch nicht allzu ernst.

    Den Zusammenhang zwischen den modernen Hexen in Westeuropa und die aktuelle Verfolgung von „Hexen“ weltweit verstehe ich immer noch nicht.

    Die Hexen in Westeuropa sind eine Neue religiöse Bewegung seit den 1950ern, die keine gesellschaftliche oder politische Repression fürchten müssen. Während die Geschichte der Verfolgung von „Hexen“, also sozial unerwünschte Personen, sich bis in die Gesetzestexte des Zweistromlandes vor 5000 Jahren zurückverfolgen lässt.

    Religionshistorisch dürften die Gemeinsamkeiten ebenfalls übersichtlich sein.

  13. Ernst genommen habe ich die Behauptungen auch nicht. Aber am Ende glaubt noch jemand den Unfug.

    Die esoterische Form des Hexenglauben in Westeuropa, hatte ihren Ursprung in England (Wicca).

    In Deutschland kam die Hexenbewegung im Zuge der New-Age-Esoterik an. Das sind romantisierende Formen von Hexenglaube.

    Herbert Rätz meinte in Bezug der Hexenverfolgung dazu:

    Insofern sind die blödsinnigen Behauptungen moderner „Hexen“, dass sie über magische Kräfte verfügen, eine Verunglimpfung von Justizmordopfern, weil damit implizit behauptet wird, dass die Opfer rechtmäßig ermordet wurden.

    siehe hier: https://blog.gwup.net/2012/03/04/hexenrehabilitation/

    Bei der traditionellen Form der Hexerei geht es vorrangig um den Glauben, dass es Menschen gibt, die mit übernatürlichen/magischen Mitteln anderen Menschen Schaden zufügen können.

    Im Deutschland nach 1945 kam es vereinzelt vor, das Flüchtlinge aus dem Osten der Hexerei beschuldigt wurden.

    Heute kommt es hier nicht mehr zu Übergriffen, aber der Glaube an der Hexerei ist noch vorhanden und es werden noch Leute der Hexerei beschuldigt.

    Und der Exorzismus ist der Nachbar des Hexenglauben.

  14. Mir wurde auch schon eine „Hexe“ genannt, die befähigt wäre, Impfungen auszuleiten. Dabei war ich so froh, dass ich den Biontech-Impfstoff intus hatte…

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