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Xavier Naidoo: „Der Mann aus der QAnon-Welt“

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Heute in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (und bei FAZ+):

Der Autor Sebastian Eder extrahiert aus einem Video mit Naidoo und dem Verschwörungsideologen Oliver Janich, wie der Sänger auf seine seltsamen Ideen kommt:

„Auf den Weg begeben“ habe er [Naidoo] sich schon 1993, kurz nachdem sein Vater gestorben sei. Zunächst habe er die Machenschaften der katholischen Kirche hinterfragt.

1996 habe er dann in der belgischen Stadt Charleroi „etwas gespürt, das ich nicht erklären konnte“. Kurz darauf sei der Fall des Kinderschänders Marc Dutroux ans Licht der Welt gekommen. Jahre später habe er sich eine Wohnung in Brüssel gemietet und „wie ein Privatdetektiv“ versucht zu verstehen, was da los sei. Er habe Obdachlose in seiner Wohnung schlafen lassen, die ihm „krasse Sachen“ erzählt hätten.

Auch andere Verschwörungen habe er durchschaut: Zwei bis drei Jahre nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 habe er die erste Videokassette in die Hand bekommen „von irgendeinem amerikanischen Millionär, der gesagt hat, das ist alles fake“. Das habe ihm „extrem die Augen geöffnet“.

Und als Angela Merkel sich 2015 mit Geflüchteten fotografieren ließ, habe er an ihrer Körpersprache erkannt, dass ihr das unangenehm war. „Für mich hat sie einfach Flüsterer, die ihr sagen, was sie tun soll.“

Obdachlose, die „krasse Sachen“ erzählen. „Irgendein amerikanischer Millionär“, der irgendwas behauptet. Und die Körpersprache der Bundeskanzlerin.

Aha. Offenbar ist Naidoo das geborene Recherche-Genie.

Man könnte über diesen ganzen Unsinn lachen – aber es ist leider nicht lustig:

Miro Dittrich von der Amadeu-Antonio-Stiftung sagt: „Es ist sehr gefährlich, solche Theorien zu verbreiten. Wenn man von einer satanischen Elite spricht, die Kinder foltert, ist damit eine Handlungsanweisung verbunden […]

Dittrich sagt, dass Naidoo in der geschlossenen Telegram-Gruppe „noch abstrusere Dinge“ verbreite als in dem öffentlichen Kanal – zum Beispiel, dass die Erde eine Scheibe sei […]

Michael Blume, der Antisemitismus-Beauftragte von Baden-Württemberg, ist sich sicher, dass Naidoo wirklich von den Theorien überzeugt ist, die er verbreitet. Dass er bereitwillig langjährige Beziehungen opfere, deute darauf hin, dass er nicht nur sein Album bewerben wolle, sondern sich sehr wahrscheinlich „mitten in Baden im endzeitlichen Kampf gegen das Reich des Satans“ sehe.

In einem Podcast zum Thema warnt Blume davor, die Aussagen Naidoos als wirr und wahnhaft abzutun: „Hier werden durch einen noch immer prominenten Musiker gewählte Politikerinnen und Politiker, aber auch Wissenschaftler und vor allem jugendliche Aktivistinnen der ,Fridays for Future‘-Bewegung als Beteiligte einer vermeintlich satanisch-jüdischen Weltverschwörung beschimpft.“

Dass das absehbare Scheitern und der Zerfall „der digitalen QAnon-Wahnwelt“ friedlich verlaufe, sei nicht zu erwarten.

Immerhin fängt Facebook langsam damit an, QAnon-Gruppen und -Seiten zu löschen.

Zum Weiterlesen:

  • Woran Xavier Naidoo glaubt, FAZ+ am 7. Mai 2020
  • Coronavirus und Verschwörungsmythen: Antisemitismus-Beauftragter warnt vor weiterer Eskalation, Stuttgarter Zeitung am 5. Mai 2020
  • So radikalisiert Xavier Naidoo seine Fans mit Verschwörungstheorien, vice am 16. April 2020
  • Schluss mit Q-uatsch: Facebook löscht QAnon-Inhalte, mimikama am 6. Mai 2020
  • Facebook löscht Inhalte rund um Verschwörungstheorie QAnon, rnd am 6. Mai 2020
  • Promis mit Aluhut: Die wirren Corona-Verschwörungstheorien der Stars, Focus-Online am 7. Mai 2020
  • Verschwörungstheorien zum Corona-Virus: Ein wenig Wahn schlummert in uns allen, SPON am 6. Mai 2020
  • Attila Hildmanns Krisenmanagement, Belltower News am 6. Mai 2020
  • Kaufland und Vitalia schmeißen Produkte von Attila Hildmann aus dem Sortiment, rnd am 7. Mai 2020
  • Warum so viele Menschen an Corona-Verschwörungstheorien glauben, social media watchblog am 6. Mai 2020
  • Xavier Naidoo und die satanische Adrenochrom-Verschwörung, GWUP-Blog am 7. April 2020
  • „Quatsch-QANONen – Die irrste Verschwörungstheorie aller Zeiten?“ als Podcast und Video, GWUP-Blog am 3. Mai 2020

12 Kommentare

  1. Xavier Naidoo galt lange als Vorzeige-Christ. Dabei verbreitet er seit geraumer Zeit Verschwörungstheorien. Unser Autor hielt ihm als Fan über Jahre die Treue. Nun fragt er sich: Wurde ich getäuscht?

    https://www.zeit.de/2020/22/xavier-naidoo-verschwoerungstheorie-taeuschung-christ/komplettansicht

  2. Deshalb spricht Xavier Naidoo ständig von Adrenochrom.

    https://www.mimikama.at/allgemein/deshalb-spricht-xavier-naidoo-staendig-von-adrenochrom/

    Xavier Naidoo teilt gegen Presse, Schauspieler, Rapper und „Intellektuelle“ aus“

    https://www.rollingstone.de/xavier-naidoo-wut-auf-presse-schauspieler-rapper-intellektuelle-1984415/

    Xavier Naidoo verneigt sich vor Scheinstaat-Oberhaupt von „Germanitien“

    https://www.rollingstone.de/xavier-naidoo-verneigt-sich-vor-scheinstaat-oberhaupt-von-germanitien-1983659/

  3. @RPGNo1:

    Und immer noch werden diese Typen unterschätzt.

    Sido und Johannes Oerding haben es mit dem Song „Pyramiden“ auf das Cover des LehrerInnenmagazins „Pop in der Grundschule“ geschafft. Ein Unding.

    https://taz.de/Rapper-Sido-und-Verschwoerungen/!5684413/

  4. @Bernd Harder

    Ich habe ein wenig recherchiert.

    Das Lied wurde im September 2019 veröffentlicht, da waren Sidos Anwandlungen noch nicht bekannt. Die Redakteure von „Pop in der Grundschule“ hätten dennoch überlegen sollen, ob es klug war, nach den aktuellen Vorfällen einen Artikel über den Song zu veröffentlichen.

    Die Verbindung von Pyramiden zu den Illuminaten, die taz zieht, sehe ich jedoch als zu weit hergeholt an. Der Songtext weist auf die ägyptischen Pyramiden hin, die seit mehreren tausend Jahren als einziges Weltwunder noch existieren. Das ganze Lied wirkt textmäßig auf mich wie eine Variation von „Astronaut“ aus dem Jahr 2015, als Sido mit Andreas Bourani kooperierte.

  5. Lasst doch mal Sido in Ruhe, der wurde doch einfach nur missverstanden:

    https://www.youtube.com/watch?v=D_-bZYJvHtE

    :P

  6. Passend dazu:

    https://www.tagesspiegel.de/kultur/verschwoerungsmythen-von-kollegah-fler-und-co-warum-der-deutschrap-so-verstrahlt-ist/25843900.html

    Komisch…Metal ist eigentlich frei von Verschwörungsmythen…aber deshalb nicht frei von Antisemitismus/Rassismus oder rechts-außen ;-)

  7. Wie wahr!

    „Xavier Naidoo ist auch so ein Fall der zeigt, dass man auch einfach auf Expert*innen hätte hören können. Wenn wir in Zukunft Einschätzungen geben und Codes erklären, hört doch auf die Expertise, statt Solidaritätsanzeigen in der Zeitung zu schalten.“

    https://twitter.com/DittrichMiro/status/1264139267061747713

  8. Und weiter stellt sich die Frage, wie nun eigentlich heute die Unterzeichner der damaligen Unterstützerliste zu Naidoo stehen. Okay, bei Til Schweiger wissen wir es inzwischen, aber was ist mit dem Rest?

    Immerhin wurde Naidoo, das ist in der Coronakrise ein wenig untergegangen, ja sogar bei den Söhnen Mannheims rausgeworfen.

    Wo ist nun der investigative Journalist, der mal bei Michael Mittermeier, Thomas D, Rea Garvey, Atze Schröder, Tim Mälzer, Johnny Logan, den Prinzen, Jan Delay, Annette Humpe, Bülent Ceylan, Jan Josef Liefers, Sasha, Kay One, Mousse T, Mario Adorf, Gregor Meyle, Johnny Logan, Tim Bendzko, Samy Deluxe, Heinz Rudolf Kunze, Marek Lieberberg und den vielen anderen damaligen „Menschen für Xavier Naidoo“ nachfragt, was sie damals geritten hat? Warum sie die Augen vor dem Offensichtlichen verschlossen haben? Der auch das zu erwartende Schweigen im Walde Name für Name dokumentiert und öffentlich macht?

    Und der ihnen ein eventuelles „Wir haben das doch nicht gewusst“ mit dem Verweis auf die deutsche Geschichte gründlich um die Ohren haut?

    @ Bernd Harder:

    Wäre das nicht mal ein interessanter Job für Dich? Oder vielleicht kennst Du ja jemanden, der das machen würde?

  9. @noch’n Flo:

    Ja, mal schauen.

  10. Kleiner Nachtrag:

    Dunja Hayali hat Michael Mittermaier kürzlich auf Instagram interviewt:

    https://www.instagram.com/tv/CAf_yVwq0D_/?igshid=oxmzpmoc189g

    Ab 22:20 kommt u.a. auch die Causa Naidoo zur Sprache – Mittermeier geht in der Sache zwar einigermassen auf Distanz (wenn auch mit reichlich Geschwurbel), vermeidet dies aber konsequent zur Person.

  11. @ Bernd Harder:

    Es könnte für die GWUP zumindest ein interessanter Publicity-Stunt werden.

  12. „„Was uns betrifft: Der Kerl kommt nur über unsere Leichen auf eine unserer Bühnen.“ Die meisten Kulturvermittlungen erteilen erteilen klare Absagen an Xavier Naidoo“:

    https://www.rollingstone.de/xavier-naidoo-soll-im-ostallgaeu-und-am-bodensee-spielen-die-meisten-veranstalter-distanzieren-sich-2111673/

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