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Konsumentenbund siegt vor Gericht gegen „Heilpraktiker für Krebstherapie“

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Neuerlicher Erfolg für den Deutschen Konsumentenbund:

Ein Kölner Heilpraktiker darf nicht länger als „Heilpraktiker für Krebstherapie“ auftreten und auch nicht mit evidenzlosen Therapieangeboten gegen Krebs wie „Chelat“, „Vitamin B17“ oder „Vitamin C“ werben.

Das hat das Landgericht Köln am 12. Februar entschieden.

Zu dem Verfahren war es gekommen, weil der Heilpraktiker sich geweigert hatte, eine künftige Unterlassung wettbewerbswidriger Werbung zu unterschreiben. Der Beklagte machte unter anderem geltend, dass er „aufgrund seiner Spezialisierung Heilpraktiker für Krebstherapie“ sei und sich auch so bezeichnen dürfe. Außerdem sei das Angebot „Krebstherapie“ ein anerkanntes Arbeitsfeld für Heilpraktiker.

Eine wissenschaftlich gesicherte Wirkung seiner „alternativen“ Behandlungsmethoden hielt der Mann nicht für geboten, da diese nur zur Unterstützung der Schulmedizin empfohlen würden.

Das Gericht urteilte jedoch, dass die Zulassung zum Heilpraktiker „weder eine besondere berufliche Ausbildung noch den Nachweis einer besonderen Fachqualifikation erfordert“. Daher könne sich der Heilpraktiker nicht auf die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit berufen.

Durch die Bezeichnung „Heilpraktiker für Krebstherapie“ entstehe ferner der Eindruck einer umfassenden und nicht nur subsidiären Therapie:

Der hierdurch bei dem Verbraucher erweckte Eindruck geht über das von dem Beklagten reklamierte sachliche Informationsinteresse an einer nur subsidiären Behandlung oder der Behandlung nach der Schulmedizin austherapierter Patienten hinaus.

Daher sei die Klage des Konsumentenbunds begründet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Zum Weiterlesen:

  • Konsumentenbund siegt vor Gericht gegen “Heilpraktiker für Krebstherapie”, konsumentenbund.de am 16. Februar 2019
  • Aus für die Werbekategorie „Heilpraktiker für Krebstherapie“ bei Jameda, GWUP-Blog am 26. April 2018
  • Der Münsteraner Kreis kritisiert erneut die Krebsbehandlung durch Heilpraktiker, GWUP-Blog am 25. März 2018
  • Mit „Hellsichtigkeit“ Menschen von Krebs befreien: DKB legt Scharlatanin das Handwerk, GWUP-Blog am 8. Juli 2018
  • Schluss mit Geistheilen – der Imbiss ist die wahre Berufung, GWUP-Blog am 25. März 2018
  • Konsumentenbund erwirkt Verfügung gegen „Krebsheilerin“, GWUP-Blog am 25. März 2016

11 Kommentare

  1. Die Postulate des Gerichts kann man gar nicht wichtig genug einschätzen – es wird klar zum Ausdruck gebracht, dass Heilpraktiker keinen Schutz aufgrund der Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 GG genießen – weil sie (das lässt sich herauslesen) keinen „Beruf“ mit der Schutzwürdigkeit des Art. 12 darstellen.

    Sag ich ja schon immer…

    Das ist insofern höchst wichtig, weil eines der politischen „Argumente“ gegen das Vorgehen gegen das Heilpraktiker(un)wesen stets war, dem stünde der Schutz des Art. 12 GG entgegen.

    Was seit jeher Unsinn und nur eine Ausrede war. Hoffen wir, dass die Letztinstanz das LG Köln bestätigt, das wäre dann eine wichtige juristisch-politische Etappe beim Kampf gegen die Duldung einer „Parallelmedizin“.

    Glückwunsch, Konsumentenbund!

  2. Zitat Udo Endruscheit:
    „Hoffen wir, dass die Letztinstanz das LG Köln bestätigt, das wäre dann eine wichtige juristisch-politische Etappe beim Kampf gegen die Duldung einer „Parallelmedizin“.“

    Es wäre zu wünschen. Leider bin ich in dieser Sache pessimistisch, es wird sich kein Minister in die Nesseln setzen und Einschränkungen für die Tätigkeit dieser Medizinlaien per Gesetz verfügen lassen. Die Lobby ist doch zu gut.

    Es werden dann wie üblich Stimmen laut, die behaupten, dass die Ärztelobby (die Pharmaindustrie, die Krankenkassen und was weiß ich noch für welche Organisationen) den doch für das Gesundheitswesen so wichtigen und so teuer zu erlernenden Beruf des Heilpraktikers als üble Konkurrenz abschaffen wollen.

    Und das Schlimme ist, ein Großteil der Bevölkerung glaubt wirklich noch daran, dass der HP etwas Besonderes sei – gar so etwas wie ein besserer Arzt.

    Und wenn ich in meiner heimatlichen Kleinstadt schon mehr „Praxis“schilder von HPs sehe als von Ärzten, dann frage ich mich, wieviele Leute es geben muss, um diesen Kurpfuschern den Lebensunterhalt zu ermöglichen.

    Und der scheint doch ziemlich hoch zu sein, immerhin sind die Gewerberäume bei uns in der Innenstadt sehr teuer.

    Wir werden leider noch lange mit einer „Medizin“ dieser Art leben müssen. Es sei denn, es findet ein Umdenken in der Bevölkerung und der Politik statt.

  3. Es ist einfach nicht zu fassen. Ein Onkologe muss eine 72monatige Ausbildung (mindestens) hinter sich bringen.

    Wo und wie der Unheilpraktiker dann seine angebliche Spezialisierung zur Krebstherapie erlangt haben? YouTube? Wochenendseminar?

    Ich hoffe doch, dass er den Rechtsweg voll ausschöpft und am Ende so viel Geld verloren hat, dass er seine Folterkammer schließen kann.

  4. Man muss ja nur mal bei Google „heilpraktiker onkologie“ eingeben, da wimmelt es doch nur so von Heilpraktikern, die Krebstherapien anbieten.

  5. Zitat RPGNo1:
    „Ich hoffe doch, dass er den Rechtsweg voll ausschöpft und am Ende so viel Geld verloren hat, dass er seine Folterkammer schließen kann.“

    Wenn ich im Gerichtsurteil richtig gelesen habe, liegt der Streitwert bei € 15.000,00, eines Streitwertes, bei dem die Kosten für Anwälte und das Gericht auch bei weiteren Instanzen überschaubar bleiben, so in der Größenordnung von ca. € 20.000,00. Da lohnt sich die Überlegung, ob das Prozessrisiko eingegangen werden kann, denn der Werbeeffekt für einen Heilpraktiker, der auch „Krebsspezialist“ ist, ist sicherlich enorm.

    Ich gehe davon aus, dass jeder Kunde (nicht etwa Patient) eine erkleckliche Summe für irgendwelchen Hokospokus des HP ausgibt, insbesondere dann, wenn Ärzte ihn lediglich noch palliativ behandeln können.

    Und ich gehe ebenfalls davon aus, dass jeder HP den Angehörigen fürs Versagen seiner Therapie ausreichend Gründe darlegen kann: der Kunde ist viel zu spät gekommen, notfalls hatte er die Medikamente nicht exakt nach Vorschrift (exakt 06:00 Uhr mit minimal 125 ml und maximal 150 ml Wasser u.ä.) genommen, hatte den Elektrosmog in seiner Umgebung nicht vermieden und was es an Ausreden sonst noch gibt.

    Und ich gehe weiterhin davon aus, dass die Verdienstmöglichkeiten dieser Heilpraktiker noch weit über denen der nigerianischen Prinzen oder den plötzlich aufgetauchten Enkeln oder Neffen liegen.

  6. Nur am Rande: Das LG Köln hat natürlich nicht entschieden, dass sich Heilpraktiker nicht auf Art. 12 GG berufen können. Das wäre auch offensichtlich so grob falsch, dass die Entscheidung auf dieser Grundlage kaum Bestand haben würde, denn Beruf iSv Art. 12 GG ist jede nicht (zulässigerweise) verbotene Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient; und das ist auch bei der Tätigkeit des Heilpraktikers der Fall. Das LG Köln hat allein mit Blick auf die Nichterforderlichkeit einer qualifizierten Ausbildung eine durch Art. 12 GG bei Ärzten und Krankenhäusern gebotene Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 12 des Gesetzes über Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG) nicht auf Heilpraktiker übertragen. Das kann man machen, ist aber nicht so selbstverständlich, wie das LG Köln meint, und wirft noch weitere verfassungsrechtliche Fragen auf (die hier nicht zu vertiefen sind).

    Es wäre zugleich ein Missverständnis, aus dem Umstand, dass eine Tätigkeit von Art. 12 GG erfasst wird, zu folgern, dass sie unreglementiert zulässig ist. Sie wäre auch (gleichwohl) vollständig verbietbar. Beispiel ist die Schließung des Berufs der Rechtsbeistände, die das Bundesverfassungsgericht 1987 gebilligt hat (Beschluss vom 05. Mai 1987 – 1 BvR 724/81 –, BVerfGE 75, 246 ff.). Allerdings wäre es voraussichtlich nicht zulässig, derzeit aktiven Heilpraktikern die weitere Ausübung ihrer Tätigkeit zu untersagen, da dem Aspekte des Vertrauensschutzes entgegenstünden. Es könnte allein eine Neuzulassung verhindert werden.

  7. @ Habra:

    „Und ich gehe weiterhin davon aus, dass die Verdienstmöglichkeiten dieser Heilpraktiker noch weit über denen der nigerianischen Prinzen oder den plötzlich aufgetauchten Enkeln oder Neffen liegen.“

    Als erfahrener Scambaiter kann ich Dir versichern: das ist nicht der Fall. Nach inoffziellen Schätzungen machen die „419-Scammer“ (*) weltweit jährlich mehrere Milliarden Dollar „Gewinn“. Da müssen sich die deutschen Heilpraktiker noch ordentlich langmachen, um mithalten zu können.

    (*)
    Der Begriff leitet sich vom §419 des nigerianischen Strafgesetzbuches ab, in dem solcher Betrug beschrieben ist. Er steht in der Scambaiter-Szene für jeglichen Vorschussbetrug, egal von welchem Land aus er begangen wird.

    Die nigerianischen Prinzen, unerwarteten Erbschaften und überraschenden Lotteriegewinne sind jedoch ein Hühnerfurz gegen den sog. „Love-Scam“, welcher weltweit über Dating-Plattformen läuft. Klar: wenn die Hormone ins Spiel kommen, schaltet der gesunde Menschenverstand ganz schnell ab.

    Zurück bleiben Menschen, die einfach nur das kleine private Glück suchten, am Ende jedoch nicht nur alles verloren, sondern im schlimmsten Fall bis an ihr Lebensende hoffnungslos verschuldet sind.

  8. @ noch’n Flo

    Ich wollte mit dem Vergleich eigentlich diejenigen Heilpraktiker, die für immense Summen offensichtlich austherapierten Krebserkrankten irgendwelche nutzlosen Therapien als Heilsversprechen anbieten, auf die gleiche Stufe wie die nigerianischen Prinzen und Enkeltrickbetrüger stellen.

    Das Gleiche gilt in meinen Augen aber auch für Institutionen wie zum Beispiel eine bestimmte Klinik am Rande des Schwarzwaldes, die auf pseudowissenschaftlicher Basis austherapierte Patienten finanziell noch so weit wie möglich ausnehmen.

    Über die Größenordnung der Betrügereien in der Scamerszene (ob Love oder nigerianische Prinzen) war ich mir eigentlich nicht so bewußt – mehrere hundert Millionen schätzte ich, aber dass das in den Bereich der Milliarden geht, war jenseits meiner Vorstellungekraft.

  9. Heute vor 80 Jahren trat das Heilpraktikergesetz in Kraft.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Heilpraktikergesetz

    Es sollte endlich den Weg alles Irdischen gehen und sterben.

  10. @noch’n Flo

    Um auf die Verdienstmöglicheiten der Lovescammmer zurückzukommen, wenn ein Heilpraktiker Krebskranken im Endstadium „Medikamente“ verkauft, wohlwissend, dass die Wirksamkeit gleich Null ist, und so viel Geld abzockt, inwieweit unterscheidet sich so ein Typ moralisch von den Lovescammern?

    Zitat:
    „Der Heilpraktiker und Volkswirt soll von 2015 bis 2018 unter anderem das Mittel „Rerum“, das Menschen mit Krebs im Endstadium helfen soll, an Therapeuten und Alternativmediziner verkauft haben. Bei einer Firma soll der Mann laut Anklage „nicht für die Anwendung an Mensch oder Tier bestimmte“ Testchargen des Stoffes bestellt und pro Glasfläschchen sieben Euro bezahlt haben, an Patienten diese dann aber für 302 Euro verkauft haben.
    Durch den Verkauf der Arzneien soll er knapp drei Millionen Euro eingenommen haben, die nach Ansicht der Staatsanwaltschaft eingezogen werden sollen.
    …“
    http://www.nordbayern.de/region/nuernberg/heilpraktiker-soll-illegale-medikamente-verkauft-haben-1.8648354

    Selbstverständlich waren das lediglich Nahrungsergänzungsmittel und niemals nicht Medikamente und es stand ja auch nicht im Beipackzettel, dass die irgendeine besondere Wirkung hätten. Deshalb ist der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass der HP illegal Medikamente verkauft hätte, ja sicherlich völlig haltlos.

    Ich hoffe nur, dass vom Gericht endlich mal ein Exempel statuiert wird und das so erwirtschaftete Geld mit Zinsen eingezogen wird zuzüglich einer entsprechenden Strafe wegen Betrugs oder auch nur wegen Wuchers.

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