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WDR-Feature: Krebsheiler – Das Geschäft mit der Hoffnung

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Hörfunk-Feature bei WDR 5:

Die Laienmedizin ist in Deutschland eine Welt mit eigenen Regeln, festgelegt im veralteten Heilpraktikergesetz von 1939. Von der Justiz haben Krebsheiler bislang kaum etwas zu befürchten. Oft finden Krebspatienten oder ihre Angehörigen nicht die Kraft zu klagen.“

Hier geht’s zur Audio-Datei (zirka 53 Minuten).

Zum Weiterlesen:

  • Krebs, Zitronensaft und Tod – aber der Youtube-Kanal läuft trotzdem weiter, GWUP-Blog am 17. Februar 2018
  • Das nächste Todesdrama in der Alternativ-Szene: Die Unheilerin, GWUP-Blog am 27. November 2017
  • Alternative Krebsbehandlung: Carl-Sagan-Preis 2017 der GWUP für Undercover-Doku/-Artikel, GWUP-Blog am 14. März 2017
  • Die Unheiler, correctiv.org am 18. Dezember 2015
  • Undercover-Doku bei ARTE: Krebs – Das Geschäft mit der Angst. Gefährliche Folgen alternativer Behandlung, GWUP-Blog am 13. Oktober 2015
  • Homeopathy, Cancer and Dr Dietmar Payrhuber: how TV endangers cancer patients, edzardernst am 12. März 2018

8 Kommentare

  1. Heilpraktiker verschuldet Tod einer Frau
    Fahrlässige Tötung: Zwei Jahre und drei Monate – Heilpraktiker aus dem Kreis Kelheim ist schuld am Tod seiner Patientin.

    https://www.mittelbayerische.de/region/kelheim-nachrichten/heilpraktiker-verschuldet-tod-einer-frau-21029-art1623676.html

    Ich dachte es wäre mehr oder weniger unmöglich Heilpraktiker für falsche Diagnosen und Behandlungen verantwortlich zu machen. Aber anscheinend gibt es ja noch Hoffnung.

  2. @ Christoph:

    Und dann vor allem dieses:

    „„Sie machen einfach so weiter“, sagte die Richterin und warf dem Heilpraktiker vor: „Ihre Verteidigerin zeigt mehr Empathie als Sie. Sie zeigen keine Reue.“ Dagegen wehrte sich der Verurteilte, erklärte, dass er den Tod der Patientin zutiefst bedauere, blieb aber bei seiner Einschätzung, dass er richtig behandelt habe. Deswegen dürfe man ihm seine Praxis auch nicht schließen. „Sie ist meine Existenzgrundlage.“

    Vorerst wird der Mann auch weiter praktizieren. Sein Berufsverbot greift erst beim endgültigen Abschluss des Prozesses. Und gegen das Urteil des Kelheimer Amtsgerichts gibt es die Rechtsmittel der Berufung und Revision. “

    Solche Leute sind eine Gefahr für die Allgemeinheit und das beste Argument für die Abschaffung des Heilpraktikerberufs.

  3. “ … verantwortlich zu machen.“

    In einem Rechtsmittelstaat kann das noch dauern. Da hat er reichlich Zeit noch ein paar Frauen über die homöopathische Klinge springen zu lassen.

    Zitat Mittelbayerische:

    „Vorerst wird der Mann auch weiter praktizieren. Sein Berufsverbot greift erst beim endgültigen Abschluss des Prozesses. Und gegen das Urteil des Kelheimer Amtsgerichts gibt es die Rechtsmittel der Berufung und Revision.“

  4. @ Flo

    Es ist wirklich beängstigend, dass man in der aktuellen Rechtslage auch solche Heilpraktiker weiter praktizieren lassen muss.

    Aber mich treibt noch ein anderer Gedanke um. Wir haben zwar nur einen Zeitungsartikel und keine Urteilsbegründung und zumindest wir beide sind keine Juristen. Aber bedeutet das Urteil -sofern es denn Bestand hat- nicht im Umkehrschluss, dass jeder Heilpraktiker für alle bleibende Schäden durch seinen Hokuspokus voll haftet, sofern er nicht eine wasserdichte, unterschriebene Erklärung des Patienten hat, in der dieser bestätigt, dass er über die (korrekte) Diagnose sowie die Risiken einer ausbleibenden medizinischen Behandlung aufgeklärt wurde? Ich dachte immer Heilpraktiker haben fast vollumfängliche Narrenfreiheit.

    Es scheint also nur daran zu liegen, dass so wenige Leute klagen.

    Wobei man einem anderen Artikel zum Fall entnehmen kann, dass er sich wohl auf seine falsche Pendeldiagnose verlassen durfte bis sich „[…] die Brust verhärtete, verfärbte und schließlich Tumorflüssigkeit austrat […] Auch die Schulter und Rückenprobleme an denen die Frau litt, waren für den Onkologen „untrügliche Zeichen, dass die Knochen von Metastasen befallen waren.“

    https://www.mittelbayerische.de/region/kelheim-nachrichten/quaelender-prozess-um-krebstod-21029-art1620868.html

    Also stimmt mein Gedanke wohl doch nicht. Er scheint sich erst strafbar gemacht zu haben als die arme Frau schon halb tot war und jeder Laie mit einem einzigen Blick eine sehr schwere Krankheit erkannt hätte.

    @ Michael

    Ich teile natürlich deine Meinung und denke seine Praxis hätte man schon vor Jahren dicht machen sollen. Aber diesen Nachteil eines Rechtsstaats müssen wir wohl für immer und ewig ertragen. Ich freue mich trotzdem, dass es überhaupt mal so ein Urteil gibt. Auch wenn es nur die erste Instanz ist.

  5. Die Gerichte sind in einer extremen Zwickmühle, für die sie sich beim Gesetzgeber bedanken dürfen.

    An der Tatsache der Laienheilung selbst ist wegen der unsäglichen Gesetzeslage nicht zu rütteln (wobei klar ist, dass HP Laienheiler sind und nichts anderes). Und wie der Fall Brüggen-Bracht zeigt, kommt dazu, dass es keinen state of the art gibt, keine Regeln und Verbindlichkeiten, die einen faktischen und Rechtsrahmen für die Tätigkeit bilden. Deshalb wird grundsätzlich der HP durch eine schlichte Einverständniserklärung -die ihm die Juristen der HP-Verbände zuliefern- bestens abgesichert, besser als jeder Arzt, der ganz anderen Restriktionen unterworfen ist.

    In dem besprochenen Fall kam dazu – und das ermöglichte letztlich die Anklage – dass ihm bei sichtbarem Nichterfolg bei der Patientin nicht in den Sinn kam, einen Arzt bzw. eine Klinik einzuschalten, nicht mal, seine eigene Therapie zu ändern. Daraus wurde ihm dann von der Anklage der Strick der fahrlässigen Tötung gedreht, was nur aufgrund des HP-Status und der faktisch grenzenlosen Therapiefreiheit nicht möglich gewesen wäre.

    Hätte er die Patientin „gerade noch rechtzeitig“ (nämlich lebend) in eine Klinik überwiesen, wäre sie dort gestorben – natürlich auch in seiner Verantwortung, aber der Todesfall selbst wäre -wie fast immer- in die Statistik der „Schulmedizin“ eingegangen und es wäre fast unmöglich gewesen, ihn für das „Vorher“ zu belangen.

    Er zahlt also hier für taktische Dummheit, nicht für einen „Kunstfehler eines Heilpraktikers“. Das muss man sich immer vor Augen halten. Bei Brüggen-Bracht ist es ja genau das Problem, dass man über die Therapie als solcher an den Mann nicht herankommt und die Indizien, dass er allzu lange auf einer „erfolglosen“ Behandlung beharrt habe, dünn bis nicht vorhanden sind.

    Dessen PatientInnen sind einigermaßen schnell gestorben, nach meinem Dafürhalten hat er sie schlicht vergiftet. Es war also gar keine Zeit für ihn, sich zu „besinnen“ – und dafür wird man ihn dann laufen lassen müssen.

    Und dann kommt noch hinzu, dass das Strafrecht auf den subjektiven Schuldgehalt abstellen muss, also zu ermitteln ist, was der Angeklagte wirklich über sein Handeln und dessen Schuldgehalt „gedacht“ hat. Wie sollte das Gericht das in einem solchen Fall tun, wo in der Regel tatsächlich anzunehmen ist, dass der „Heiler“ überzeugt von seinem unqualifizierten Blödsinn war – nicht zuletzt, weil es vom Grundsatz her ja vom Gesetzgeber abgesegnet war?

    Nein, es gibt nur einen Weg – völlige Abschaffung der jetzigen HP-Rechtslage. Wenn der Gesetzgeber seit Beginn der Bundesrepublik das Problem vor sich herschiebt, dann soll er die dadurch entstehenden Verwerfungen jetzt bitte auch ausbaden. Wenn ein großer Autokonzern Tausende auf einen Schlag auf die Straße setzt, erhebt sich vergleichsweise wenig Empörung und Lobbyismus.

  6. „Nein, es gibt nur einen Weg – völlige Abschaffung der jetzigen HP-Rechtslage.“

    So ist es. Die Idee dass das Urteil auf anderem Wege möglich war, war ein schöner Wunschtraum von mir. Es gibt wieder absurde Neuigkeiten von der Front. Der Kinderheilpraktiker von dem ich immer wieder erzähle, hat jetzt was neues für seine Kundinnen entdeckt. Die sogenannte Lotusgeburt. Das Salz, die Öle, die Kräuter und die genähte Plazentatasche verkauft seine Frau als Set gleich mit dazu.

  7. @ RPGNo1

    Ich habe auch mal etwas zu dem Thema recherchiert und wie so oft in der Pseudomedizin baut das ganze im Prinzip auf einem wissenschaftlichen Gedanken auf und wird dann völlig übertrieben und ad absurdum geführt.

    Denn die Nabelschnur auspulsieren zu lassen und die Plazenta dabei für einige Zeit höher zu halten als das Kind, ist etwas mit dem sich echte Mediziner beschäftigen. Es gibt dabei Hinweise auf weniger Blutverlust etc.

    Da reden wir dann aber von aller höchstens 30 Minuten bis zur Abnabelung.

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