plusminus (heute Abend, 21.45 Uhr, ARD) gefällt sich anscheinend noch immer in konspirologischem Geraune:
Dabei ist mittlerweile klar, dass bloße Pharma-Schelte in diesem Fall zu kurz greift – unter anderem die Deutsche Schmerzgesellschaft sowie die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie warnen vor „unrealistischen Erwartungen“ und „falschen Hoffnungen“, was den Einsatz von Methadon in der Krebstherapie angeht.
Wenn gesagt wird, dass die pharmazeutische Industrie ein Projekt nicht unterstützt, weil es kein Geld bringt, dann ist das ein Klischee, das sicherlich häufiger mal zutrifft, aber nicht generell zutrifft“,
erklärte auch Wolfang Becker-Brüser, Herausgeber und Chefredakteur des industrieunabhängigen arznei-telegramm und Mitbegründer von Gute Pillen – schlechte Pillen, im BR.
Die FAZ schreibt dazu in der gedruckten Ausgabe vom 2. August (online nur bei FAZ+):
In Deutschland gibt es klare Regeln für die Verordnung eines Wirkstoffs. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen für die entsprechende Anwendung geprüft worden sein.
Eine solche Prüfung gibt es für die potentielle Anti-Tumor-Wirkung des Methadons nicht, und niemand kann vorhersehen, wie sie ausgehen würde, wenn es entsprechende Studien gäbe.
Eine Verordnung ohne Zulassung, ohne klaren, evidenzbasierten Beleg für die Wirksamkeit eines Medikaments in dieser Indikation und ohne Einbindung in eine klinische Studie macht Patienten zu Versuchskaninchen. Die wissenschaftlichen Fachgesellschaften lassen auch keinen Zweifel daran, dass die derzeitige Datenlage nicht ausreicht, um damit individuelle Heilversuche außerhalb der bestehenden Zulassung für Methadon zu rechtfertigen.“
Der Arbeitskreis Tumorschmerz der Deutschen Schmerzgesellschaft verweise darüber hinaus auf das schwere Nebenwirkungspotenzial von Methadon, zu dem eine Unterdrückung der Atmung und lebensgefährliche Herzrhythmusstörungen zählen.
Allerdings habe die öffentliche Debatte dafür gesorgt, dass bei der Deutschen Krebshilfe eine klinische Phase-I/II-Therapiestudie beantragt worden ist. Das Begutachtungsverfahren sei eingeleitet worden, schreibt die Deutsche Krebshilfe in einer Erklärung.
Es bleibe abzuwarten, ob die Studie gefördert werde oder nicht. Das hänge vom Votum der Gutachter und der Entscheidung der Deutschen Krebshilfe ab.
In der Süddeutschen Zeitung vom 8. August (online nur bei SZplus) konstatiert Dr. Werner Bartens, dass „die aufgeheizte Debatte nur Verlierer kennt“.
Bartens kritisiert in dem Artikel auch die Vorgehensweise der plusminus-Redaktion:
Versuche wie jene von Friesen werden im Labor jedes Jahr tausendfach angestellt, um neue Krebsmittel aufzuspüren. Fast 99 Prozent dieser frühen Studien schaffen es aber nicht einmal in die klinische Erprobung oder scheitern dann kläglich – weil sich die Befunde aus dem Labor eben nur selten auf das Leben von Kranken übertragen lassen.
Es ist die Regel, nicht die Ausnahme: Die Substanz, die im Mäuseversuch oder im Reagenzglas so vielversprechende Ergebnisse liefert, zeigt bei Patienten dann keinerlei Wirkung oder schadet sogar.
Nur lässt sich diese ernüchternde Bilanz nicht so gut als Fernsehbericht verkaufen. Die Geschichte vom unterdrückten Heilmittel, für das eine unbeugsame Forscherin gegen den Willen von Pharmaindustrie und Ärzten zum Wohle der Kranken kämpft, ist da schon attraktiver.“
Bartens erinnert daran, dass der Erkenntnisweg in der Medizin, ob etwas hilft und wirksam ist, Zeit und Mühe braucht. Abkürzungen seien von zweifelhaftem Nutzen:
In den 1990er-Jahren haben Aids-Aktivisten darauf gedrängt, noch nicht ausreichend getestete Medikamente früher für die Behandlung zuzulassen. In den 2000er-Jahren hat die Industrie Brustkrebs-Selbsthilfegruppen unterstützt, die seinerzeit vehement neue Medikamente und das flächendeckende Mammografie-Screening gefordert haben.
Ein Gewinn für die Patienten lässt sich auch im Nachhinein nicht eindeutig belegen.“
Der Medizinredakteur bedauert insbesondere den Riss zwischen Ärzten und Patienten, der …
… einen beachtlichen Misstrauensvorschuss gegenüber den Medizinern ans Licht bringt, statt sie als Verbündete im Kampf um die Heilung zu sehen. Viele Laien und Patienten sehen in der Ankündigung der Studie nur eine Verzögerungstaktik auf Kosten der Kranken.
Und viele Ärzte sind bei dem bereits verfügbaren Wissen über Methadon skeptisch, dass jemals ein Heilmittel für Krebspatienten daraus wird.“
Solche nüchternen Einwände denunziert plusminus allen Ernstes als „absurde Gegenwehr“.
Absurd.
Zum Weiterlesen:
- Methadon: Unterdrückt die Pharmaindustrie ein günstiges, wirksames Krebsmedikament? GWUP-Blog am 20. Juni 2017
- Kann Methadon Krebszellen besiegen? Bayern 2 am 24. Juli 2017
- Kann Methadon Krebspatienten helfen? Volle Kanne (ZDF) am 26. Juli 2017
- Methadon: Wundermittel gegen Krebs? Süddeutsche am 24. Juli 2017
- Gute Medikamente, böse Pharma, NZZ am 18. Juli 2017
- Nein zu Methadon in der Krebstherapie, orf.at am 17. Juli 2017
- Onkologen: Methadon-Euphorie unbegründet, apotheke-adhoc am 15. Juli 2017
- Mediziner lehnt Methadon in der Krebstherapie ab, Deutschlandfunk Kultur am 23. Juni 2017
- Diskussion um potenzielle Anti-Tumor-Wirkung von Methadon, aerzteblatt am 24. Mai 2017
16. August 2017 um 18:38
„In Deutschland gibt es klare Regeln für die Verordnung eines Wirkstoffs. Wirksamkeit und Unbedenklichkeit müssen für die entsprechende Anwendung geprüft worden sein.“
Hüstel, räusper … Homöopathie???
16. August 2017 um 21:13
Ähnliches Problem: Cannabis
https://blog.psiram.com/2017/07/cannabis-medizinsuchtmythenanekdoten-was-uns-bewegt/
17. August 2017 um 00:08
Ja, wieder ein Beweis, das auch der „Faktische-Journalismus“ in post-faktischen Fallen tappt, aber das offen auszusprechen ist schon fast ein Verbrechen, denn die offiziellen Medien haben immer recht!
Hier einen „Quasi-Lobbyeismus“ zu betreiben, obwohl die Faktenlage mehr als unsicher ist, ist schon sehr „post-faktisch“…aber sonst den großen „Moralapostel“ spielen, da sind die Öffentlich-rechtlichen schnell dabei.
17. August 2017 um 00:18
Ralf i.V.:
Manipulativ kaum zu überbieten.
Vor allem geht „Methadon als Schmerzmittel“ und „Methadon als Krebsmittel“ ständig durcheinander, sodass man zehn Minuten lang kaum nachvollziehen kann, worum es jetzt überhaupt geht.
17. August 2017 um 00:59
@Bernd Harder
Ja, Methadon mag wirklich bei einer Chemotherapie helfen, da es ein Opioid ist und somit eine schmerzstillende Wirkung hat.
Als begleitende Therapie ist es vielleicht gut, aber auch nur, um eventuelle Nebenwirkungen zu reduzieren.
Natürlich kann man Studien erheben, die die Wirksamkeit von Methadon belegen können…aber mehr vielversprechend ist das (noch teurere) Medikament: https://en.wikipedia.org/wiki/Avelumab
Ein teureres Medikament, das aber ein Potential hat, ein Medikament für viele Krebsarten zu werden, dann wird es auch billiger…
zum Glück gibt es die pharmazeutische Forschung…und diese kostet sehr viel Geld…und auch Menschen, die bereit sind an Studien teilzunehmen…wie können öffentlich-rechtliche Sender so einen Stuss verkaufen? – Das wahre leben ist komplizierter und auch teurer!!!
17. August 2017 um 09:21
@ crazyfrog:
„Ähnliches Problem: Cannabis“
Nicht so ganz – für THC gibt es eine wesentlich bessere Evidenz. Und der Artikel aus dem Psiram-Blog ist grottenschlecht. Ganz eindeutig von jemandem mit gewaltigem Dunning Kruger verfasst.
17. August 2017 um 09:50
@noch’n Flo/Crazyfrog:
Sehr wahrscheinlich Thema bei der nächsten SkepKon.
17. August 2017 um 11:28
Was auf der Plusminus Facebook Seite los ist, unglaublich? Alle wollen Hilfe von der Chemikerin!
„Plusminus Dr. Claudia Friesen:
„Wenn man keinen Arzt findet, der Methadon als Schmerzmittel verordnet, kann man sich gern an mich wenden.
Bitte in den Betreff den Ort und die Postleitzahl. Es dauert aber mittlerweile 3-4 Wochen, bis ich anworten kann, da ich pro Tag 200-1000 Anfragen habe. Ich werde aber jede Mail beantworten.“
26 · 14 Std.
Die Ulmer Chemikerin Dr. Claudia Friesen hat eine erstaunliche Wirkung von Methadon in der Krebstherapie entdeckt. Ihre Forschungsergebnisse machen vielen Patienten Hoffnung, werden aber auch kontrovers diskutiert. Diskutieren Sie mit. Mit Dr. Friesen, die Ihnen heute parallel zu Plusminus hier und heute Ihre Fragen beantwortet.
———-
Update:
Auch der Palliativmediziner Dr. med. Hans-Jörg Hilscher beantwortet heute hier Ihre Fragen.“
https://de-de.facebook.com/plusminus.ARD/
17. August 2017 um 11:43
@Gast:
Man darf sich darüber, was diese Frau antreibt, mittlerweile wohl so seine eigenen Gedanken machen.
Mal sehen, wie lange die Uni noch zuschaut, dass eine Chemikerin Krebspatienten medizinisch berät.
17. August 2017 um 13:45
@BH:
Als Laiendiagnose „Narzißmus“ oder umgangssprachlich „querulantische Besserwisserei“
17. August 2017 um 14:04
Auch hier:
http://blogs.faz.net/deus/2017/08/16/methadon-krebs-und-das-spiel-mit-der-hoffnung-4546/
Mach sich Frau Dr. Claudia Friesen nicht strafbar, wenn sie als Chemikerin Krebspatienten berät? Laut FAZ will Dr. Friesen damit Geld verdienen!
Die Uni Ulm scheint einfach zuzuschauen.
17. August 2017 um 14:46
Vielleicht hat Frau Friesen aufgrund der Werbekampagne (etwas überspitzt ausgedrückt) in den Medien inzwischen die rote Linie von der Selbstsicherheit zur Hybris überschritten?
Ihre ersten Statements zur zusätzlichen Wirkung von Methadon klangen ja noch halbwegs vernünftig, aber das hier ist doch ein ganz anderes Kaliber.
17. August 2017 um 15:41
@RPGNo1/rambaldi/Gast:
Allen drei Einschätzungen kann ich mich anschließen.
@Gast: Die Uni Ulm hatte Friesen zwischenzeitlich auflaufen lassen, aber offenbar nicht mit dem neuen Sendungsbewusstsein der Dame gerechnet.
Ich denke, da muss und wird noch mehr kommen.
http://www.uniklinik-ulm.de/news/article/1119/stellungnahme-zur-tumortherapie-mit-methadon-1.html
http://www.swp.de/ulm/lokales/ulm_neu_ulm/klinikum-stellt-forscherin-kalt-15395244.html
17. August 2017 um 15:46
@Gast:
Sehr interessanter Artikel, Zitat:
„Warum hält Friesen dennoch so an ihrer Idee fest? Ein möglicher Grund ist, dass sie zusammen mit zwei Kollegen ein Patent auf die Anwendung von Methadon bei Krebserkrankungen hält (Methadon als Krebsmedikament war also sehr wohl patentierbar).“
Auch das lässt die „Big-Pharma-VT“ recht alt aussehen.
17. August 2017 um 16:26
@Bernd Harder
Haben ich und andere ja auch schon mal in einem anderen Beitrag zu Methadon geschrieben:
Es war von Anfang an Quatsch und typische Hetze gegen die Pharmaindustrie, dass Methadon zu billig sei und als alter Wirkstoff nicht mehr patentierbar.
Patent:
Vielleicht ist es auch ein Schutzpatent, damit nicht irgendeine Pharmafirma ihr zuvorkommt und Methadon dann irgendwann in Zukunft für Unsummen verkauft – sozusagen für die Allgemeinheit patentiert.
Ich fürchte aber, die profanere und realistischere Begründung ist die, dass sich die Frau eine goldene Nase verdienen will.
Problematisch bleibt, dass sie als Nichtmedizinerin, Nichtpharmazeutin und, es schmerzt zu sagen, Nichtmalheilpraktikerin anmaßt, Leute medizinisch zu beraten und gegen Ärzte, Pharmaindustrie und alle, die sich gegenüber Methadon skeptisch äußern, aufzubringen.
17. August 2017 um 16:27
@Bernd:
Auch die Kommentare sind lesenswert – eine informierte Gegenöffentlichkeit zu dem unverantwortlichen Verschwörungsgeraune von Plusminus, z.B.:
„Die AIO (Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie) betreibt selbst Studien, und zwar mit bewährten Substanzen, ganz ohne die Pharmalobby. Warum hat diese respektable Gesellschaft denn bislang nicht die Kombination mit Methadon eingängiger untersucht? Weil es einfach vielversprechendere Ansätze gibt, Fortschritten bei der Therapie zu erzielen. Signale aus Zellen oder Mäusen sind halt mal eine ganz andere Baustelle als Menschen. Sehr anders.
Dank der Presse wird die Philantropin Frau Dr. Friesen jetzt wahrscheinlich mit Forschugnsgeldern der alternativen Verschwörungstheoretiker überschüttet, Studien werden folgen. Und falls die keinen Vorteil zeigen ist eh keiner mehr da, der klagen kann, bzw. dann interessiert sich keiner mehr dafür. Aber für Frau Dr. Friesen sicherlich ein ganz passabler (sicherlich ungewollter) Nebeneffekt.“
17. August 2017 um 16:32
@Christian:
In einem der Kommentare gibt es leichte Korrektur des Artikels, die die Sache aber nicht wesentlich besser macht:
„Claudia Friesen hält das Patent nicht, sie ist lediglich die darin festgehaltene Erfinderin. Über den Arbeitnehmerauftrag liegen die potentiellen finanizellen Verwertungs- und sonstigen Patentrechte bei ihrem damaligen Arbeitgeber und nicht bei ihr. Doch trotzdem, oder vielleicht gerade deswegen, hat sie nachvolziehbarerweise ein (möglicherweise auf irgendeinem Weg auch finanzielles) Interesse an einer Fortführung ihrer Forschung.“
17. August 2017 um 18:51
@Gast
Vielen Dank für den Hinweis auf den FAZ-Blog. Der Artikel ist gut geschrieben und sehr sachlich gehalten, was man von einigen Kommentaren leider nicht sagen kann.
17. August 2017 um 21:34
Es gibt ja auch echte Medizin:
http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/krebs-therapie-erste-gentherapie-gegen-krebs-steht-kurz-vor-der-zulassung-1.3629362
18. August 2017 um 13:39
Nachdem bislang vor allem Chemiker und Palliativmediziner glauben, das Thema dominieren zu können, kommen endlich auch mal Onkologen zu Wort – und zwar mit ganz anderen Erfahrungen als das, was Frau Friesen propagiert (anders kann ich das nicht mehr nennen):
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/77415/Methadon-in-der-Krebstherapie-Nicht-ohne-Absprache-mit-dem-Onkologen
19. August 2017 um 13:54
Aber eigenartig ist es schon, daß Frau Friesen zwar als Erfinderin im Patent eingetragen ist, aber offenkundig in den letzten Jahren nicht versucht hat, klinisch zu forschen oder die Kooperation mit einem Pharmaunternehmen zu suchen.
Gleichzeitig würde anderweitige Forschung durch dieses Patent doch erschwert werden, weil das UK Ulm um Erlaubnis gefragt werden müßten und ggfs. Lizenzgebühren fällig würden?
Unabhängig von diesem Aspekt: Frau Friesen scheint ja in plusminus oder den anderen Medien die Frage der Patentierbarkeit von Methadon nicht korrekt dargestellt zu haben – mit anderen Worten: Sie lügt, und in diesem Fall tatsächlich „wie gedruckt“. Oder hat sie eventuell ihr eigenes Patent vergessen?
Und ja, jenseits der juristischen Bewertung halte ich Frau Friesens Gebahren, praktisch medizinische Auskünfte geben zu wollen, für hoch problematisch.
Vielleicht noch ein Hinwes für die Chemotherapieinteressierten: Frau Friesen hat bei ihren Studien die Glioblastomzellen in vivo und im Tierversuch mit Doxorubin behandelt. Doxorubicin spielt aktuell gar keine Rolle bei der Therapie von Glioblastomen beim Menschen.
Und zuletzt noch einiges, was mir beim jüngsten plusminus-Beitrag unangenehm aufgefallen ist: Die von dritter Seite durchgeführten und in plusminus angegebenen Forschungen (https://www.egms.de/static/de/meetings/oegu2017/17oegu006.shtml, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21798596) sind ebenfalls in-vitro-Studien, die eine alt, die andere aktuell und mit Prostatakarzinomzellen, insofern interessant, aber völlig unpassend zu den im Beitrag angegebenen Patientenbeispielen (ironischerweise war an einer der Studien ein Mitarbeiter von Sanofi-Aventis beteiligt!!).
Ohnehin erfahren wir nichts über Begleittherapien, z.T. noch nicht einmal die konkrete Diagnose (wie bei der letzten präsentierten Patientin).
Der in Minute 1:29 vorgestellte Befund eines Hirntumors im cMRT nach Methadongabe wirkt auf mich sehr komisch. Ich bin kein Neuroradiologe, und es ist nicht meine Art, Ferndiagnosen zu stellen, aber im Vergleich zur Voraufnahme in Minute 1:28 sieht mir es aus, als ob der Tumor operiert worden sein könnte.
So viel zum suggerierten „Methadon allein“.
Was aber sehr spannend ist: Ein PET-CT-Scan der Leber, der im Film bei 1:31 eingeblendet wird, wird sinngemäß so vorgestellt, daß es sich um einen Patienten handele, der unter Methadon tumorfrei gewoden sei, und zum Patientengut von Frau Friesen gehöre.
Interessanterweise findet sich dieser Scan in einer Präsentation wieder, welche von Frau Friesen zu stammen scheint. Dort allerdings wird ergänzend festgestellt, dass der Patient das Methadon additiv zu einer typischen palliativen Standardchemotherapie erhielt, d.h. wir können überhaupt nicht sagen, woher die Remission des Patienten stammt.
Spannend hierbei aber auch, wo ich diese Quelle gefunden habe, nämlich auf der Website des Schurken und Geschäftemachers Ralf Kollinger (ausnahmsweise eine Verlinkung: https://anonym.to/?http://http://www.ralf-kollinger.de/wp/wp-content/uploads/2017/05/Dr.-Claudia-Friesen-Ralf-Kollinger-Frankfurter-Consilium-Diagnose-Glioblastoma-multiforme-IV-MGMT-negativ-2017-an-%C3%84rzte-.pdf).
Ob der nun unberechtigterweise unter Bruch des Urheberrechts diese Datei anbietet, kann ich nicht sagen, da ich die Folien auf die Schnelle nicht im Netz wiedergefunden habe.
Es könnte aber auch sein, daß Frau Friesen mit diesem Subjekt zusammenarbeitet, allerdings wirken die Beiträge von Kollinger über einen persönlichen Kontakt zu ihr ziemlich plagiiert.
Doch leider halte ich Frau Friesen für so aufmerksamkeitsheischend, daß ich mir das gut vorstellen kann.
Ich bitte nochmal um Entschuldigung für die Länge meiner Beiträge, aber das Thema betrifft mich derzeit sehr, weil ich jetzt den ersten Tumorpatienten bei mir betreue, der von 3. Hand Methadon zu der Therapie bekommt, die meine Einrichtung ihm verabreicht – hoffen wir, daß es nicht schief gehen wird.
19. August 2017 um 15:37
@ borstel:
Mich haben auch schon mehrere Patienten nach der Methadontherapie gefragt – u.a. einer mit metatasiertem Prostata-Ca, der aber derzeit mit Enzatulamid und Denosumab gut eingestellt und beschwerdearm ist. Ich habe ihm dann den Erkenntnisstand und die Risiken erklärt und 5 Minuten später war das Thema durch.
Gerade den Patienten mit infauster Prognose muss man m.E. ganz klar sagen, dass sie bei solchen Therapien ein hohes Risiko eingehen, die Zeit, die ihnen noch bleibt, nochmal massiv zu verkürzen, und das diesem Risiko kein realistisch erwartbarer Gewinn gegenübersteht.
Ich mache das auch schon seit langem so, wenn mal wieder eine Tumorpatient wegen der sog. „Misteltherapie“ fragt. Nicht jeder will das zwar wahrhaben, aber diejenigen, die man vor unnötigem Leid bewahren kann, sind die offenen Worte absolut wert.
19. August 2017 um 15:42
Ich rege an, auch bei Plusminus selbst zu diskutieren, wo die Chemikerin Friesen meint, Patienten beraten zu können, und wo die Patentfrage m.E. massiv heruntergespielt oder geleugnet wird:
https://www.facebook.com/plusminus.ARD/posts/1110419005726447:0
19. August 2017 um 19:56
Breaking bad news: Heute ist der plusminus-Beitrag auch bei „Brisant“ gelaufen (ich weiß gerade nicht, ob ich lachen soll, denn Galgenhumor kann ich, oder doch lieber heulen – face palm wäre aber auf jeden Fall angebracht).
Bei Facebook bin ich nicht Mitglied, aber die Diskussion ist ja glücklicherweise öffentlich einsehbar. Der Blödsinn, den Hilscher und die Friesen von sich geben, ist ja haarsträubend!
Als einer der Topkommentare ist mir das Thema Weihrauch aufgefallen – als ob einer von den beiden dazu überhaupt geforscht hätte!
Irgendwelche apodiktischen Aussagen, Methadon könne für diese oder jene Zustandsverschlechterung nicht verantwortlich sein, sind völlig unseriös! Eigentlich könnte man hier fast jedes Statement des Dynamischen Duos auseinandernehmen… Und Kritiker haben sich dort kaum angefunden, was ja auch nicht verwunderlich ist.
20. August 2017 um 09:26
Den eigentlichen Skandal finde ich, dass die Uni Ulm da mitmacht und sogar eine Email Adresse eingerichtet hat. Über dies Adresse werden Patienten beraten. Hier müsste wirklich die Staatsanwaltschaft eingreifen.
20. August 2017 um 12:24
Das ist richtig, und es spricht auch der Berichterstattung der ARD Hohn, denn abgesehen davon, daß die Hauptwebsite des Universitätskliniums die Pressemitteilungen zur Methadonstudie nicht mehr vorhält und zwischenzeitlich einige Dokumente von der Site des Institues für Rechtsmedizin gelöscht worden sind, sind alle relevanten Informationen aus der Sicht der Propagandisten noch vorhanden.
Eigentlich aber sollten Herr Hilscher und Frau Friesen eine gemeinsame Website eröffnen. Und zwar eine private! Wobei genau diese Informationen hier (http://pkdnil.de/methadon/) auf der Website von Hilschers Arbeitgeber abrufbar sind…
Interessant auch, daß die im plusminus-Beitrag von Prof. Seufferlein nich nur Frau Friesen als Coautorin hat (https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0035-1559240), sondern auch im Arzneitelegramm als unrealistisch dargestellt wurde (https://www.arznei-telegramm.de/html/htmlcontainer.php3?produktid=049_02&artikel=1706049_02k). Was stimmt denn nun? Oder wird hier auf öffentlichen Druck Geld für eine völlig nutzlose Studie verbraten werden?
Aber vielleicht bringt (nachdem ich mich zuletzt Frau Friesen gewidmet habe) doch folgender Artikel des Iserlohner Kreisanzeigers und Zeitung (IKZ) (https://www.ikz-online.de/staedte/letmathe/erfolge-im-kampf-gegen-krebs-id210460671.html) Licht ins Dunkel:
Da beschreibt also Herr Hilscher, daß in den letzten Jahren 4 Hirntumorpatienten noch leben mit einer Komplettremission, die eigentlich längst tot sein müßten, weil er sie mit Methadon behandelt habe – na, das ist ja schön und gut und erfreulich, es sagt aber gar nichts über einen Erfolg durch Methadon aus: Welche Histologie? Welche Krankheitsdauer, Nachbeobachtungszeit, Therapien? Wieviele waren es im Vergleich zu anderen Patienten mit der gleichen Diagnose, die er mit Methadon behandelt hat? Und dann erklärt er noch, daß der MDK ihm bestätigt habe, daß die Gäste seines Hospizes ganze 14 Tage länger leben, als die Gäste umliegender Einrichtungen.
Das soll schon der ganze Erfolg sein?!
Unabhängig davon, daß hier natürlich eine statistische Schwankung vorliegen kann, daß es auch daran liegt, mit welchen Diagnosen die Gäste eingewiesen wurden und auch, ob sie eher frühzeitig oder spät mit ihrer Krankheit in das Hospiz gelangten – aus 14 Tagen eine solche Welle zu schlagen und daraus auf einen Nutzen bei Patienten zu schließen, die nicht sterbenskrank sind, ist grob fahrlässig, um nicht zu sagen, eine mutwillige Verbiegung von Fakten.
Nein, anhand der MDK-Daten (wenn sie denn stimmen sollten), so sage ich, können wir noch nicht einmal etwas über den Nutzen des Methadons bei todkranken Menschen schließen.
Übrigens – Pharma und so: https://correctiv.org/recherchen/euros-fuer-aerzte/datenbank/empfaenger/hans-jorg-hilscher-iserlohn-de/ – es sind allerdings nur 600 € von AsrtraZeneca im letzten Jahr gewesen, aber immerhin…
Und auch bei Frau Friesens Chef, Prof. Miltner, waren es einige Euros: https://correctiv.org/recherchen/euros-fuer-aerzte/datenbank/empfaenger/erich-miltner-ulm-donau/.
Natürlich ist das mengenmäßig nicht mit den Zuweisungen an das Krebsforschungszentrum zu vergleichen, aber pharmaunabhängig sind die Protagonisten ganz sicher nicht.
22. August 2017 um 19:47
What sagste, Frau Friesen?
„Methadon in der Krebstherapie: Wenige Onkologen berichten über positive Wirkung“:
https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/krebs/article/941482/methadon-falsche-hoffnungen-krebs-geweckt.html
https://m.aerzteblatt.de/news/77765.htm
22. August 2017 um 19:51
@crazyfrog:
„In der aktuellen Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts setzen sich fünf Krebs-und Palliativmediziner sowie der Direktor der Apotheke des Universitätsklinikums Jena Michael Hartmann in einem Beitrag mit dem Titel „Methadon in der Onkologie: ‚Strohhalmfunktion‘ ohne Evidenz“ kritisch mit dem neuen Hype um Methadon als Wirkverstärker einer onkologischen Behandlung auseinander.
Sowohl Methadon als auch L-Polamidon (Levomethadon) bergen bei Tumorpatienten erhebliche Risiken, heißt es im Beitrag der Autoren um Jutta Hübner von der Klinik für Innere Medizin in Jena. Sie begründen dies unter anderem mit der problematischen Pharmakokinetik des Wirkstoffs. Wegen der sehr langen Halbwertszeit dürfe die Dosis nur sehr langsam gesteigert werden. Außerdem werde Methadon über CYP3A4 metabolisiert und könne deshalb zahlreiche Wechselwirkungen haben.
In der Onkologie werde das Opioid in der Regel von schmerztherapeutisch erfahrenen Ärzten bei Palliativ-Patienten eingesetzt, die oft keine antitumorale Therapie mehr erhalten. Die Einstellung auf das Medikament bedürfe einer engen, mehrfach täglichen Überwachung, die in den meisten Fällen nur unter stationären Bedingungen zu leisten sei.
Beim Einsatz während aktiver antitumoraler Therapien sei das Risiko von Wechselwirkungen und dadurch bedingten gravierenden Nebenwirkungen möglicherweise deutlich höher.“
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2017/08/21/methadon-aerzte-warnen-vor-unkritischem-einsatz/chapter:2
23. August 2017 um 09:07
@ Bernd Harder:
Aber das ist doch alles nur Panikmache der Farmerlobby. Es gilt doch wohl immer noch: wer heilt hat recht. Und wenn der Patient stirbt, kommt auch das Tumorwachstum schnell zum Stillstand. Mission accomplished!
23. August 2017 um 10:59
@noch’n Flo
„Und wenn der Patient stirbt, kommt auch das Tumorwachstum schnell zum Stillstand. Mission accomplished!“
Entwickelst du dich langsam zum Berufszyniker?
23. August 2017 um 11:23
@ RPGNo1:
Entwickeln?
23. August 2017 um 11:30
Bild der Wissenschaft:
Methadon gegen Krebs?
http://www.wissenschaft.de/leben-umwelt/medizin/-/journal_content/56/12054/19402518/Methadon-gegen-Krebs%3F/
23. August 2017 um 13:00
@noch’n Flo
Tschuldigung, Dr. House, du bist ein Berufszyniker.
23. August 2017 um 18:36
@ crazyfrog – Bedank für den Link!
@ noch’n Flo: Vorsicht, Zynismus kann Falten machen – habe ich erst wieder heute feststellen müssen, als ich im Bad wieder so eine Hackfresse im Spiegel gesehen habe…
27. August 2017 um 10:57
Der hehre Anspruch in der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Westfahlen-Lippe:
„Die Weiterbildung dient der Sicherung der Qualität ärztlicher Berufsausübung. … Die Befugnis zur Weiterbildung kann nur erteilt werden, wenn der Arzt die Bezeichnung führt, fachlich und persönlich geeignet ist und eine mehrjährige Tätigkeit nach Abschluss der entsprechenden Weiterbildung nachweisen kann.“
Vergleiche hierzu auch das entsprechende Heilberufsgesetz für NRW und die Berufsordnung der LÄK WL.
Die Realität: Dr. Hilscher hat die Weiterbildungsermächtigung für 18 Monate Allgeimeinmedizin und die volle Ermächtigung von 12 Monaten für die ZWB Palliativmedizin…
27. August 2017 um 13:25
@ RPGNo1:
Es ist niemals Lupus.
5. September 2017 um 10:22
Kann sich noch einer an den Regividerm-Hype erinnern – der rosa Wundersalbe, die Neurodermitis „heilt“? https://www.psiram.com/de/index.php/Regividerm
Ging auch im WDR los…
5. September 2017 um 14:16
@gedankenknick
Oh ja, bin erst vor ein paar Wochen auf die Story gestoßen und habe mich darüber ein wenig schlauer gemacht.
5. September 2017 um 15:36
Die Schweizer TV-Leute machen es besser:
“«Puls» beleuchtet die Tücken der Medizinberichterstattung und ihre Folgen.”
http://www.srf.ch/sendungen/puls/methadon-gegen-krebs-augennotfall
5. September 2017 um 17:05
„Puls“ soll mal gut recherchierte Berichterstattung bringen? Das wäre ja etwas ganz Neues…
5. September 2017 um 19:26
Na, zumindest besser, als im Beitrag von nano vom 2. Mai, wo derselbe Blödsinn aus dem plusminus-Beitrag verwurstet wurde, wie überall sonst (http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=66335).
Aber interessant ist auch, daß Madame Friesen, sich auch vor den Karren von Außenseitervereinen spannen läßt, wenn sie nur ihre Heilswahrheiten behaupten darf (https://www.youtube.com/watch?v=T5WMLT5wyoI). Okay, genug des Fischens im Trüben…
5. September 2017 um 19:43
@borstel:
Da sucht aber jemand verzweifelt nach den 15 Minuten Aufmerksamkeit, die ihr im Labor ewig verwehrt geblieben sind…
7. September 2017 um 18:30
@crazyfrog: Scheint so. Aber ich sehe das ganze langsam sportlich und werde eine Liste machen: Bislang haben mich Patienten mit Glioblastom, Ösophaguskarzinom, Prostatakarzinom und Rektumkarzinom in unterschiedlichen Tumorstadien nach Methadon gefragt. Schaun wir mal, wann ich alle Tumorentitäten vollhabe…
7. September 2017 um 19:09
@ borstel:
Soll das so eine Art „Karzinom-Bingo“ werden?
10. September 2017 um 12:43
@ noch’n Floh:
Zum Beispiel! Dann stellt sich allerdings die Frage des Hauptpreises, wenn die imaginäre Bingokarte voll ist – bin für Vorschläge offen!
Aber um noch mal aus dem Nähkästchen zu plaudern: Ich, d.h. unsere Abteilung, befindet sich in einem Dilemma, konkret bei den Gliopatienten: Wir, die Abt. B, betreuen unsere Patienten in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Abt. A, wobei wir in der Reihenfolge der therapeutischen Maßnahmen nach der A rankommen.
Die Patienten bleiben (sinnvollerweise) aber auch in der A angebunden.
Wir, Abt. B, haben uns intern klar daruaf geeinigt, daß Methadon nicht ins therapeutische Repertoire gehört. Blöderweise sieht die Abt. A das aber mal ganz anders: wenn die Glioblastompatienten es möchten, erhalten sie dort Methadon auf Privatrezept; schlimmer noch, es wird ihnen auch aktiv empfohlen. Uns bleibt dann nur übrig, den Leuten auseinanderzusetzen, weshalb wir das als problematisch ansehen. Manche Patienten gehen auf unsere Bedenken ein, andere hingegen nicht.
Letztendlich können wir natürlich denen, die zusätzlich Methadon einnehmen möchten, nicht raten, sich einen anderen Arzt zu suchen. Wir müssen das beste aus der Situation machen und behandeln sie weiter – wenigstens wissen wir dann, daß sie das Zeugs schlucken. Die beiden Chefärzte der Abteilungen haben sich bislang aber auch nicht zusammengesetzt, um den Konflikt zu lösen.
Soweit, so schlecht…