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„Die Impf-Lüge“ als Video – und wieder die Autismus-Mär

| 15 Kommentare

Der Beitrag „Die Impf-Lüge“ in der Reihe „Leschs Kosmos“ ist jetzt bei Youtube zu finden:

Parallel dazu verweisen Impfgegner in den sozialen Netzwerken wieder verstärkt auf ein angebliches Eingeständnis der amerikanischen Regierung, dass Impfstoffe „Autismus und schwere körperliche/psychische Schäden“ verursachen würden.

Was es damit wirklich auf sich hat, steht bei Evidence-Based Medicine zu lesen.

Es geht mitnichten um „die Regierung“, sondern um das National Vaccine Injury Compensation Program (VICP) und um die grundsätzliche Frage, wie Patienten mit einem Impfschaden zu entschädigen sind:

The goal of the VICP is not to determine scientifically if there is a link between a particular vaccine and a particular side effect. That is determined by the scientific community.

Rather, the VICP’s charge is to determine if “compensation is appropriate” in specific cases.

Nichtsdestotrotz kursiert dazu auch ein Youtube-Video der Impfgegnerin Anita Petek-Dimmer.

In der Offenen Gruppe der GWUP bei Facebook hat Adrian Engler heute diesen ausführlichen Kommentar gepostet:

Der Kommentator […] hat weiter oben ein Video verlinkt, in welchem Frau Petek behauptet, ein Forscher habe zuerst einen Zusammenhang zwischen Quecksilber in Impfstoffen und Autismus gefunden und nach Einflussnahme von Pharmafirmen in eineren späteren Version genau das Gegenteil behauptet, nämlich dass Quecksilber vor Autismus schütze.

Es ist wohl klar, warum Leute wie Frau Petek solche Behauptungen via Video verbreiten: Es ist sehr schwer, den Aussagen nachzugehen. Ich brauchte recht lange, bis ich den Namen des Autors, Dr. Thomas Verstraeten, richtig identifiziert hatte.

Grundsätzlich geht es um eine alte Geschichte aus 2000-2003. Eine etwas detailliertere Darstellung ist hier zu finden.

Verstraeten fand also zuerst eine positive Korrelation zwischen der Verwendung von Quecksilber in Impfstoffen und Autismus, wobei die Daten aber noch innerhalb des Konfidenzintervalls waren (und die Korrelation somit mit großer Wahrscheinlichkeit auf den Zufall zurückging).

Danach führte er die Studie mit mehr Daten weiter, und es konnte gezeigt werden, dass kein Zusammenhang zwischen Quecksilber und Autismus besteht.

Die Behauptung, in der publizierten Version habe Verstraeten (auf Druck der Pharma-Industrie) sogar behauptet, Quecksilber würde vor Autismus schützen, hat sich Frau Petek wohl aus den Fingern gesogen; eine solche Interpretation habe ich sonst nirgends gesehen, obwohl die Studie von Verstraeten vielerorts kontrovers diskutiert wird.

Dass man anfangs schwache Hinweise auf einen Zusammenhang findet und dann mit mehr Daten sagen kann, dass kein Zusammenhang besteht, ist ja an sich ein normaler Vorgang.

Potenziell gibt es bei einem solchem Vorgehen natürlich schon das Risiko eines publication bias, und ich meine, dass man dieses grundsätzlich ernst nehmen muss. Aber ich sehe keinen Grund, gerade bei der Studie von Verstraeten besonders kritisch zu sein.

Seltsam finde ich, wenn im Zusammenhang mit Impfstoffen immer von finanziellen Interessen von Konzernen gesprochen wird.

Die Herstellung von Impfstoffen gehört nicht zu den besonders profitablen Bereichen der Pharma-Industrie, und bei Krankheiten, die nur bei Menschen vorkommen (z.B. Masern), hätten die Hersteller von Impfstoffen ja ein starkes finanzielles Interesse, dass es weiterhin genügend Impfverweigerer gibt, damit die Krankheit nicht ausstirbt und deshalb auch zukünftige Generationen impfen müssen.

Diese Geschichte von 2000-2003 ist natürlich etwas veraltet, es gibt jetzt nicht mehr so viele Impfstoffe mit Quecksilber. Aber die Impfgegner finden natürlich wieder andere Stoffe für ihre Angstmacherei, aktuell z.B. Formaldehyd und Aluminium.

Beim Formaldehyd müssen sie aber aufpassen, dass sie nie einen Apfel essen – ein Apfel enthält viel mehr Formaldehyd als eine Impfdosis (der menschliche Körper produziert für den Stoffwechsel auch Formaldehyd).

Wenn also schon das Formaldehyd in Impfdosen gefährlich sein könnte, müsste das Essen von Äpfeln als etwas extrem Gefährliches betrachtet werden.“

Zum Weiterlesen:

  • MMR and Autism Rises from the Dead, Science-Based Medicine am 4. September 2013
  • Reich werden durch Impfen? GWUP-Blog am 31. März 2014
  • 20 häufige Impfgegner-Argumente: Was ist dran? GWUP-Blog am 18. Juli 2013
  • 13 Impf-Mythen, Ratio-Blog am 14. November 2009
  • This Is Why You Have No Business Challenging Scientific Experts, Mother Jones am 30. Mai 2014
  • Vaccine Injuries: The Federal Compensation Program, nolo.com
  • Dear parents, you are being lied to, iflscience am 9. April 2014

15 Kommentare

  1. Wenn also schon das Formaldehyd in Impfdosen gefährlich sein könnte, müsste das Essen von Äpfeln als etwas extrem Gefährliches betrachtet werden.

    Keineswegs.

    Äpfel werden ja – anders als Impfstoffe – in aller Regel nicht intramuskulär verabreicht, oder?

    Vielleicht sind dann Schluckimpfungen für Impfgegner eher akzeptabel?

  2. „Die Herstellung von Impfstoffen gehört nicht zu den besonders profitablen Bereichen der Pharma-Industrie, und bei Krankheiten, die nur bei Menschen vorkommen (z.B. Masern), hätten die Hersteller von Impfstoffen ja ein starkes finanzielles Interesse, dass es weiterhin genügend Impfverweigerer gibt, damit die Krankheit nicht ausstirbt und deshalb auch zukünftige Generationen impfen müssen.“

    Genau diesen Widerspruch bringe ich immer wieder gerne in der Diskussion mit Impfgegnern. Bislang konnte ihn niemand widerlegen. Meist bin ich im Laufe der Diskussion dann aus den jeweiligen Foren rausgeflogen.

    Echt tolle Streitkultur: wenn man nicht mehr weiter weiss, eliminiert man den Diskussionsgegner ganz einfach. Sehr seriös!

  3. Hervorragende Sendung ! und „Übrigens“ war ein klares Statement von Harald Lesch, wie man es von ihm gewohnt ist.

    Eigentlich sollte man über eine Impfpflicht nachdenken, weil es das Gemeinwohl schützt – genauso sperrt man Verbrecher ein, die zu einer Gefahr (für sich selbst) und oder der Gemeinschaft sind.

    Bakterien werden in naher Zukunft wieder zurückkommen, weil Antibiotika „ausgehebelt“ sind.

    Viren können zu einem großen Teil zurückkommen, weil eine Impfmüdigkeit eingetreten ist – das müßte nicht sein !

    Die langsame Wirkungslosigkeit von Antibiotika ist zum Teil nicht zu verhindern, da der Einsatz dieser, Resistenzen begünstigen kann.

    Aber Impfmüdigkeit ist nicht zu entschulden ! Dabei handelt es sich, um ein „menschengemachtes“ Problem.

    Das einige Krebsarten von Viren ausgelöst werden können, sollte eigentlich nicht überraschend sein, da Viren die gesunden Zellen dazu „zwingen“, ihre RNA zu reproduzieren, dies kann (mMn) sehr wohl zu Krebs führen.

    Es gibt verschiede Theorien, die die Erstehung des Lebens erklären wollen; eine davon ist die „Freie DNA bzw RNA“ – ich halte diese für die Wahrscheinlichste. Zuerst gab es eine Evolution der DNA/RNA und dann kamen die „Membranen“ und „Stoffwechsel“

    Aber ich bin kein Biologe, sondern nur Naturfreund ;-)

  4. @ Ralf:

    Yep, wirklich eine tolle Sendung. Nur schade, dass sie nicht auf RTL, N24 oder DMAX lief – da wäre der Glaubwürdigkeitsgrad für die Zielgruppe wohl besser gewesen. Dem „Rentnersender“ ZDF glaubt doch niemand mehr – schon gar nicht bei Beiträgen azs den „Mainstream“-Medien…

    @ Robert:

    {\Irony Mode off}

    (Nur vorsorgehalber.)

  5. @Ralf

    Impflicht kenne ich auch Polen vor 1981. Ich wurde in der Zeit diverse male geimpft. Weiß ehrlich nicht mehr gegen was alles. Das wissen aber vielleicht meine Eltern. In Erinnerung habe ich nur die Polio und die Pocken-Impfung. Aber scheinbar nicht gegen Windpocken, weil ich sie erst mit 31 bekam. Was absolut nicht lustig war.

    Für eine Impflicht zu sein…. durchaus ja. Ich hätte bloß nicht so gerne, dass man mich bei jeder, noch so unbedeutenden, Grippewelle zum impfen zwingt. Es geht hier dabei um eine gut durchdachte, gesellschafts-verträgliche, und maßvolle Maßnahme. Das würde viele kluge Entscheidungen erfordern. Jemand muss ja schließlich entscheiden wann eine Impfung wirklich nötig ist. Vor allem allumfassende Impfungen, nicht nur einer Risikogruppe.

    Ich denke aber, dass bei sich sehr schnell verbreitenden und tödlichen Epidemien mit einem großen Ansteckungspotenzial man ohnehin nicht um einen Zwang zum Impfen kommt. Ich denke, dass in so einer Situation man sogar notfalls unter Anwendung von Gewalt da zu gezwungen wird. Ich kann das schwer abschätzen. Aber die heutigen gefährlichen Krankheitserreger sind garantiert nicht das Ende der Fahnenstange. Wir können wahrscheinlich kaum abschätzen was auf uns in der Zukunft Viren-technisch noch zukommen mag. Es gab vielleicht nie in der Menschheitsgeschichte eine bessere Zeit für Krankheitserreger die Menschen befallen, als die heutige. Wir reisen vielleicht nicht mehr als zuvor, aber dafür schneller, öfters, und weiter hin und her in kürzeren Zeiten als früher.

  6. Danke für den Beitrag und den Video-Tipp zur „Impf-Lüge“ – besonders nützlich für die Wenigen und Interessierten, die keinen Fernseher haben.

    Eine weitere Argumentationshilfe gegenüber chronischen Impfgegnern …

  7. @nihil_jie
    Die Windpockenimpfung gibt es erst seit Mitte der 90er, insofern bist Du vor 1981 sicher nicht dagegen geimpft worden.

    Zur Sendung:
    Insgesamt fand ich sie gut, auch wenn ich natürlich nicht weiß, wie sie von unentschlossenen aufgenommen wurde.

    Es ist sinnvoll, dass dieses Thema immer mal wieder von den so genannten Wissenssendungen aufgegriffen wird (auch nicht nur in den öffentlich-rechtlichen Sendern!), und ich hoffe, dass es auch etwas bringt.

    Was mir noch fehlt (oder vielleicht schalte ich nur nicht die richtigen Sendungen ein?) ist, dass auch „spaßige“ Sendungen wie z.B. die heute-show das Thema aufgreifen. (Gerade gestern erst wurde das Thema wieder beim amerikanischen Vorbild, „The Daily Show“, in Meinen Augen sehr gut behandelt – leider nicht mehr ohne weiteres von Deutschland aus abrufbar, deshalb hier nur ein Bericht darüber.)

  8. Die Veranschaulichung der Risiken von Impfung und Nichtimpfung mit den Kegeln gefällt mir. An der Stelle hätte ich mir gewünscht, dass am Beispiel der immer wieder erwähnten Masern gezeigt wird, wieviele Individuen aus den beiden Gruppen (Geimpfte und Nichtgeimpfte) am Ende welche bleibenden Schäden davontragen.

    Wenn man nämlich meint, Masern seien überwiegend harmlos, wird man das Kegelbild irrelevant finden. Wenn man aber vorgeführt bekommt, wieviele der umgekegelten Individuen am Ende sterben oder von ihrer Masernerkrankung erhebliche Beeinträchtigungen nachbehalten, und wie wenige der nichtumgekegelten (also geimpften) Individuen nennenswerte Impfschäden davontragen, sollte das mehr Überzeugungskraft haben.

    Klar hat Lesch die Gefährlichkeit der Masern an anderer Stelle ausführlich beschrieben. Aber etwas unmittelbar Anschauliches als Teil der Kegelepisode hätte, glaube ich, mehr Durchschlagskraft gehabt.

    Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Die Sendung ist klasse gemacht – klar positioniert, gut argumentiert, gut verständlich.

    Dafür zahle ich gern Runfunkgebühr!

  9. @Vicky

    oh… *gg vielleicht hätte ich mal nachschauen sollen, dann wäre meine Verwunderung darüber erst gar nicht eingetreten :D na gut… aber ich habe es ja auch überlebt.

  10. @nihil jie
    Ach Quatsch, man muss ja nicht jedes Detail wissen, und es besteht auch die Möglichkeit, dass man trotz Impfung eben zu den Unglücklichen gehört, die keine Immunität aufbauen. Ich weiß das auch nur weil ich mich gewundert hatte, dass ich als Kind die Windpocken bekam, obwohl ich eigentlich streng nach Plan geimpft war.

    Genau das ist ja leider immer wieder ein „Argument“ der Impfgegner: man könne sich auf den Impfschutz sowieso nicht verlassen (inclusive der Anekdote, dass beim Masernausbruch XY viel mehr Geimpfte erkrankt seien als Ungeimpfte), also sei eine Impfung nicht sinnvoll.

    Dabei wird außer Acht gelassen, dass bei ausreichend hoher Impfrate sowohl diejenigen, die nicht geimpft werden können, als auch die, die trotz Impfung keine Immunität aufbauen, kaum Gefahr laufen mit dem Virus in Kontakt zu kommen. Da wäre man wieder bei den Kegeln, die ich als Visualisierung auch sehr treffend finde (ist aber nicht vom ZDF erfunden worden: ich kannte das schon von Penn&Teller’s BS, und wer weiß wo die es herhatten).

    Andererseits gibt es auch solche Eltern (das geht dann wieder in Richtung Steiner), die glauben die „Kinderkrankheiten“ seien wichtig für die (seelische?) Entwicklung eines Kindes, so dass sie nicht wegen der Immunität, sondern für die „Entwicklung“ ihres Kindes eine Infektion in Kauf nehmen oder sogar forcieren.

  11. Hier mal der “The Daily Show” Beitrag in schlechter Qualität bei bei youtube, dafür aber auch aus Deutschland abrufbar.

  12. Hmm da hab ich wohl Mist gemacht. Ja den Beitrag meinte ich :)

  13. @nihil jie
    Deine Bedenken kann ich nachvollziehen, denn eine „Plicht“ oder auch ein „Zwang“ ist immer eine „extreme“ Maßnahme eines Staates, deshalb führte ich auch den Freiheitsentzug als Beispiel auf.
    Als Gesellschaft sollten wir uns immer wieder die Frage nach den Freiheiten des Einzelnen stellen und diese sollten so „frei“ sein als möglich.
    Bei Infektionskrankheiten, die nachweislich zu einem großen Schaden in der Gesellschaft führen können, sollte über eine „Pflicht“ (also einem „Freiheitsentzug“) nachgedacht werden.
    Wir sperren – so mein Beispiel – auch potentielle Straftäter „lebenslang“ hinter Gitter, da sie eine Gefahr für die Gesellschaft darstellen. Ich möchte hier nicht abschweifen müssen, aber auch die „Schuldfrage“ ist relativ; nicht jeder Straftäter ist frei in seiner Handlung, aber trotzdem werden diese „weggesperrt“.

  14. @Stefan:

    << Hmm da hab ich wohl Mist gemacht. << Nicht unbedingt, youtube-Videos verschwinden häufig und tauchen an anderer Stelle wieder auf.

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