Erinnert sich noch jemand an den Artikel „Esoteriker sind unsympathisch“ von Sibylle Berg anno 2011?
Letzte Woche wollte ich die Spiegel-Online-Kolumnistin neuerlich zitieren, und zwar mit ein paar Sätzen aus ihrem Beitrag „Wir dürfen die Welt nicht unseren Feinden überlassen“:
Was tun wir also mit der Einsicht, dass Argumente fast niemanden erreichen, und dass Aggression jedes Problem nur zuspitzt?
Vielleicht denken Sie sich: Wenn ich die Gegner meiner Weltsicht nicht überzeugen kann, bleibe ich einfach zu Hause, poliere Porzellan und warte auf mein Ende.
Das Problem: So angenehm sich dieser Gedanke anfühlen mag, er führt nicht zu einer Verbesserung der Welt oder was auch immer Sie dafür halten – nicht einmal im Kleinen. Denn dieser Gedanke beraubt Sie der Chance, wenigstens die aufgeschlossenen zwei Prozent zu erreichen.
Es hilft also nichts, man muss sich empören, man muss gegen das halten, was man für falsch erachtet. Man muss versuchen, Argumente zu finden, die möglichst viele andere auf die vermeintlich gute Seite bringen […]
Wer sich nicht mehr wehrt, wer nicht mehr für die Welt kämpft, in der er leben will, ist schon tot. Und das passiert früh genug.“
Ich finde, diese Passage passt ganz gut zu einer aktuellen Debatte innerhalb der „Skeptiker-Szene“.
Blogposts dazu finden sich unter anderem bei
- Astrodicticum simplex: „Ist skeptischer Aktivismus kontraproduktiv?“
- Hayley Is A Ghost Geek: Taking out the garbage – on approaching Skeptical Activism
- Neurologica-Blog: Why We Need a Skeptical Movement
- Nachdenken bitte: Sind Skeptiker Arschlöcher?
- GBS Schweiz: „Diesen Unsinn glaube ich niemals“ – Exzessiver Skeptizismus
- Skeptiker Schweiz: Alles umsonst?
Aber das nur nebenbei.
Heute schreibt die deutsch-schweizerische Schriftstellerin in ihrer Spiegel-Online-Kolumne über Jim Humble und seinen MMS-Schwachfug:
Ich habe diese Woche zum ersten Mal von Herrn Humble gelesen, der auf die vollkommen geniale Idee kam, Menschen Bleichmittel zum Trinken zu geben. Eine Weile mag er gegrübelt haben, mit welcher Begründung er den Eierköppen da draußen das Zeug schönreden könnte.
Der wahre Grund – ich kann euch alle nicht ausstehen und möchte euch irgendwie weg haben – schien ihm kein überzeugendes Verkaufsargument.
Also beschied der rüstige Greis: Dieses Mittel hilft gegen alles.
Im Zweifel auch und vor allem gegen das Leben.“
Nice.
Zum Weiterlesen:
- Lösen Sie sich einfach auf, Spiegel-Online am 11. Mai 2014
- Wir dürfen die Welt nicht unseren Feinden überlassen, Spiegel-Online am 3. Mai 2014
- Esoteriker sind unsympathisch, GWUP-Blog am 23. April 2011
- Gefährliches „Wundermittel“ MMS: Wenn Quacksalber für giftige Chlorbleiche werben, Spiegel-Online am 4. Mai 2014
- “Warum foltert ihr Kinder?” Die MMS-Demo in Hannover, GWUP-Blog am 28. April 2014
- Ein “Gesundheitskongress” als Panoptikum des Grauens, GWUP-Blog am 19. April 2014
- Vergiftungsmittel MMS, Ratgeber-News-Blog am 27. April 2014
- The Spirit of Bullshit, Julitschka am 26. April 2014
- Wenn es quakt wie eine Ente: Moderne Quacksalberei MMS, Pharmama am 29. April 2014
- Die EMA approbiert ein Wunder, sagen die Wunderheiler, Psiram am 2. Mai 2014
12. Mai 2014 um 16:23
Ich habe keine Ahnung, wieso man meinem Artikel ständig mit dem Argument „Aber wenn man sich gegen den Esoterikquatsch nicht wehrt, dann wird sich nichts ändern!!“ begegnen muss (oder halt hier dem „Wer sich nicht mehr wehrt, wer nicht mehr für die Welt kämpft, in der er leben will, ist schon tot“).
NIRGENDS habe ich geschrieben, dass man aufhören soll, sich für rationales Denken, für Wissenschaft und gegen Esoterik/Pseudowissenschaft zu engagieren.
Ganz im Gegenteil. In meinem Artikel geht es um etwas vollkommen anderes (auch im Artikel von Haley übrigens).
Da geht es um die Art und Weise des Engagements gegen Esoterik/Pseudowissenschaft.
So zu tun als würde ich eine Diskussion darüber führen wollen, ob es sinnvoll ist sich für rationales Denken zu engagieren oder nicht ist ein Strohmann…
12. Mai 2014 um 16:27
Hallo Florian,
<< So zu tun als würde ich eine Diskussion darüber führen wollen, ob es sinnvoll ist sich für rationales Denken zu engagieren oder nicht ist ein Strohmann... << Habe ich das denn getan? Ich habe kommentarlos sechs Artikel mit sechs unterschiedlichen Ansichten/Argumenten zu dem Thema verlinkt. In Deinem Beitrag geht es u.a. darum, ob man eine organisierte Bewegung/einen Verein braucht, um sich für kritisches Denken zu engagieren, in dem "Neurologica"-Artikel um das Gegenteil. Irgendwo dazwischen würde ich persönlich Frau Berg verorten - die sich in ihrem Artikel ausdrücklich z.B. für Blogs ausspricht, aber keine Werbung für skeptische Vereine macht.
12. Mai 2014 um 16:55
Im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion u.a. über den Sinn von skeptischem Aktivismus (über den sich Florian auch mit einem Fragezeichen geäußert hat) verweise ich gerne auf die aktuelle Folge meines Podcasts „Viva Britannia“
Dort widme ich mich den Geschehnissen um die Klage der britischen Chiropraktiker gegen Simon Singh, der wir u.a. eine Belebung der britischen Skeptiker-Szene, die Aktion 10:23, die m.E. weltweit beste informelle Wissenschaftskonferenz QED sowie bis heute nachhallende Verbraucherschutz-Initiativen zu verdanken haben – und nicht zuletzt eine Änderung der englischen Gesetzeslage zu Berichten über wissenschaftliche Erkenntnisse vs. übler Nachrede.
http://www.vivabritannia.de/pod/vb034-bca-v-singh
12. Mai 2014 um 18:14
@ Florian Freistetter:
„NIRGENDS habe ich geschrieben, dass man aufhören soll, sich für rationales Denken, für Wissenschaft und gegen Esoterik/Pseudowissenschaft zu engagieren. “
Ich muss mich da Bernd anschliessen – DAS konnte ich aus seinem Blogpost nun wirklich nicht herauslesen.
Aber Du bist gerne eingeladen aufzuzeigen, wo Du das gelesen haben willst. Zugegeben: auf DEINEM Blog ging die Diskussion manchmal schon in eine solche Richtung. Aber hier im GWUP-Blog m.E. überhaupt nicht.
12. Mai 2014 um 19:08
War ja klar das mein Kommentar nicht durchgelassen wird… ^^ Ihr seit so durchschaubar.
12. Mai 2014 um 19:12
@Pieps:
<< Ihr seit so durchschaubar. << Du auch, lieber Mu ...
12. Mai 2014 um 19:13
Ich meine, dass es erstmal zweitrangig ist, WIE und in welcher Form man sich für kritisches Denken/Wissenschaft und gegen Esoterik/Pseudowissenschaft einsetzt.
Hauptsache, man tut es überhaupt.
Und man tut es i. d. R. erst dann, wenn man persönlich (direkt oder indirekt) betroffen ist.
Ansonsten beschäftigt man sich kaum mit der Problematik: „Was geht es mich an – nach mir die Sintflut …“ – „Mir doch egal, sollen die Leute sich doch vera …. lassen, wenn sie unbedingt wollen …“;
und ist nicht bereit dazu, Kraft und Zeit für ein entsprechendes Engagement zu investieren.
Selbst gute, engagierte Hausärzte weigern sich bei Konfrontation mit Esoterik und Pseudo-/Paramedizin in ihrem Berufsalltag sich darauf einzulassen – und sagen, „es wäre eher ein Fall für den Rechtsanwalt“.
Und der sagt, es sei eine „rechtliche Grauzone“ …
Es will niemand so richtig „ran“.
Deshalb ist die Klage von Herrn Bardens an der Lanka-Front – als Mediziner und aus persönlicher Betroffenheit heraus – gar nicht hoch genug zu schätzen; ich wünsche ihm viel Kraft, gute Nerven und Durchhaltevermögen.
Vielleicht gelingt es ihm, zusätzlich zu der schon erreichten medialen Resonanz ein Zeichen zu setzen.
Außerdem ist allgemein noch viel zu wenig bekannt, was in der Esoterik- und Pseudowissenschaft-Branche so abläuft und wie groß der Markt dafür ist.
Ich selbst hätte Vieles nie für möglich gehalten, bevor ich mich nicht gezwungenermaßen mit der Thematik beschäftigen musste und in der Folge gründlich dazu recherchiert habe.
Als betroffene private Einzelperson hat man keine Lobby und steht völlig alleine da; deshalb erscheint es mir sinnvoll, sich locker zu organisieren, sich gegenseitig zu stärken und sich auszutauschen: Erfahrungen, Argumente, Infos, Strategien.
Man muss dabei nicht immer einer Meinung sein … – fruchtbare Diskussionen sind m. E. wertvoller und nutzbringender als sich nur gebetsmühlenartig gegenseitig zu bestätigen.
P. S.: Habe die oben erwähnten sechs verlinkten Artikel/Blogposts bisher NICHT gelesen.
12. Mai 2014 um 19:15
@Beobachter:
<< Habe die oben erwähnten sechs verlinkten Artikel/Blogposts bisher NICHT gelesen. << Das ist auch ziemlich müßig, offen gesagt ...
12. Mai 2014 um 20:54
@ Beobachter:
<< Deshalb ist die Klage von Herrn Bardens an der Lanka-Front – als Mediziner und aus persönlicher Betroffenheit heraus – gar nicht hoch genug zu schätzen; ich wünsche ihm viel Kraft, gute Nerven und Durchhaltevermögen. <<
Insbesondere, wenn man bedenkt, dass Dr. Lanka (dem Vernehmen nach) wohl praktisch pleite ist.
Was dazu führen dürfte, dass der Kollege Bardens wohl selbst im Falle eines Obsiegens vor Gericht auf den nicht gerade geringen Gerichtskosten sitzenbleiben dürfte (denn bei einem Zivilprozess greift eben leider nicht die Haftungsübernahme durch den Staat!).
Sollte dies tatsächlich der Fall sein, so fände ich es nur konsequent, innerhalb der Skeptiker-Bewegung sowas wie ein Crowdfunding durchzuführen, damit nicht ein wirklich SEHR, SEHR mutiger junger Arzt dafür bestraft wird, dass er es wagte, den Impfgegnern die Stirn zu bieten.
12. Mai 2014 um 20:57
@noch’n Flo:
<< o fände ich es nur konsequent, innerhalb der Skeptiker-Bewegung sowas wie ein Crowdfunding durchzuführen. << Selbstverständlich.