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James-Bond-Spezial 4: Die Sache mit den Piranhas

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Fortsetzung von „Die Sache mit dem Flugzeugfenster“

Die Situation: Damit’s etwas wohnlicher wird, hat der entmenschlichte Großgangster ein Fischbecken in seinem Vulkankrater angelegt. Feinde und Verräter pflegt er von einer elektronischen Klappbrücke dort hinein stürzen zu lassen.

Dann spritzt und schäumt das Wasser von Horden hungriger, aggressiver Schwarmfische, färbt sich innerhalb von Sekunden blutrot, vom Opfer bleibt nichts als ein Skelett übrig. Denn hier gründeln keine Kois oder Schleierschwänze, sondern Piranhas.

Das sollte unser Agent tun: Wenn er Fisch mag, kann er gelassen über die Brücke gehen.

Wieso? Die wollen doch nur schwimmen.

Kräftige Kiefer, Zähne wie Rasiermesser – das stimmt zwar. Aber Gänsehaut-Storys wie in „Man lebt nur zweimal“ oder Hollywood-Horror à la „Piranhas“ oder „Die Rache der Killerfische“?

Na ja.

Piranhas sind keine richtigen Raubfische, sondern Allesfresser. Sie rotten sich vor allem deshalb zusammen, um sich vor ihren Fressfeinden zu schützen und nicht, um große Beutetiere zu zerfleischen.

Solange man keine blutenden Verletzungen hat, kann man sogar problemlos in Flüssen, in denen Piranhas leben, baden. Menschen stehen nicht auf ihrem Speiseplan:

Würde man seine Hand in den Amazonas halten, wäre das relativ ungefährlich“,

weiß etwa die Biologin Prof. Anne E. Magurran von der St. Andrews Universität in Schottland.

Nur wenn zu viele Piranhas auf engstem Raum leben und die Nahrung knapp wird, können einige wenige Piranha-Arten tatsächlich gefährlich werden. Das geschieht vor allem in der trockenen Jahreszeit, wenn das Wasser der Seen und Flüsse immer niedriger wird. Ist das Wasser flach, verdichtet sich die Population und die Piranhas finden sich plötzlich auf engstem Raum wieder.

Dann entwickeln die Tropenfische mitunter eine beeindruckende Aggressivität. Häufig kämpfen sie auch um Beutestücke, wobei sie sich mit ihren scharfen Zähnen leicht gegenseitig verletzten.

Im Sommer 2009 griffen Piranhas Dutzende Badegäste im brasilianischen Bundesstaat Piaui an:

Wegen Überfischung hätten die Piranhas kaum noch natürliche Feinde und zu wenig Fische zum Fressen. Dies erkläre ihre deutlich gestiegene Zahl und Angriffslust, erklärte das örtliche Umweltinstitut.“

Aber das Bild, nach dem jeder, der in die Welt der Piranhas eindringt, sofort und unweigerlich angegriffen, zerrissen und bis auf die Knochen abgenagt wird, gehört in den Bereich der Fabel. Brian Zimmerman, Piranha-Experte im Londoner Zoo, sagt:

Es ist nicht ein einziger Fall dokumentiert, in dem ein lebender Mensch von einem Piranhaschwarm angegriffen und augenblicklich skelettiert worden ist.“

Der üble Ruf der „Amazonas-Monster“ gründet also weitgehend auf einer Legende, ähnlich wie bei Wolf, Hyäne oder Weißem Hai.

Die 15 bis 60 Zentimeter langen Fische mit dem sägezahnartigen Gebiss ernähren sich hauptsächlich vom Aas toter Fische, Vögel oder Säugetiere und greifen selten größere Tiere an. Angriffslustig werden sie, wenn sie Blut riechen, klatschende Geräusche wahrnehmen oder ungewöhnliche (taumelnde) Bewegungen erspüren, was auf einen verletzten Fisch und also auf leichte Beute hindeutet.

Somit kann nicht nur James Bond, sondern können auch die Menschen an der Erft aufatmen, einem Rhein-Nebenfluss in Nordrhein-Westfalen.

Dort wurden 2007 nämlich tropische Piranhas im Wasser entdeckt. Die Tiere waren vermutlich von Aquaristen ausgesetzt worden und hatten in dem durch Industrieabwässer aufgeheizten Wasser einen neuen Lebensraum gefunden.

Es sei denn, man hätte es mit „speziellen Piranhas“ zu tun, die eigentlich „vor zwei Millionen Jahren ausgestorben“ sind. Aber das ist eine andere Geschichte:

Zu Teil 5: Die Sache mit der Brücke

Zum Weiterlesen:

  • Killerfisch oder Feigling? DasErste am 17. September 2007
  • Bissige Bestatter, Stimmt’s? (Die Zeit) vom 13. Mai 2001
  • Dichtung und Wahrheit, Frankfurter Rundschau am 15. Oktober 2010
  • Sind Piranhas wirklich so gefährlich? natur.de am 30. August 2010
  • James-Bond-Spezial Teil 1: Die Sache mit den Laserwaffen, GWUP-Blog am 1. November 2012
  • James-Bond-Spezial 2: Die Sache mit dem Gold, GWUP-Blog am 2. November 2012
  • James-Bond-Spezial 3: Die Sache mit dem Flugzeugfenster, GWUP-Blog am 3. November 2012
  • James Bond und die Wissenschaft: Gerührt oder geschüttelt? GWUP-Blog am 24. Oktober 2009

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