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WSC, zweiter Tag: „Science, no witchcraft!“

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Über den sogenannten Bestätigungsfehler (confirmation bias) bei medizinischen Studien hatten heute die Vormittagsreferenten gesprochen – im Nachmittagsprogramm ging es dann unter anderem um den Publikationsbias in der Psychologie.

Es referierte Professor Christopher French, Leiter der Forschungsgruppe für Anomalistische Psychologie an der Psychologieabteilung der Goldsmiths Universität in London.

French hatte (zusammen mit Stuart J. Ritchie und Richard Wiseman) „die Studie, welche angeblich belegt, dass es PSI gibt“, mit gleicher Methodik repliziert – und fand nichts. Außer einer Menge Schlampigkeiten wie zum Beispiel Datenfischen.

Daraufhin traf French und seine beiden Mitstreiter „The Curse of the failed Replications“, wie der Guardian titelte.

Kein psychologisches Fachjournal wollte ihre Widerlegung der aufsehenerregenden Daryl-Bem-Studie publizieren. Also brachte French seine aufwändige Replikation „Failing the Future: Three Unsuccesfull Attempts to Replicate Bem’s Retroactive Facilitation of Recall‘ Effect“ online bei PlosOne heraus.

French:

Fachjournals interessieren sich nicht für negative Ergebnisse.“

Das ist fatal, weil es aufgrund des Publikationsbias zu einer Verzerrung der gesamten Studienlage kommen kann.

Dass Wissenschaftler sich mitunter auch von einem „Sympathetic Bias“ täuschen lassen, legte einer der Superstars der Skeptikerbewegung dar, nämlich Ray Hyman. Der emeritierter Psychologie-Professor ging der Frage nach, wieso ein anerkannter Physiker wie Karl Friedrich Zöllner seinerzeit dem „Medium“ Henry Slade auf den Leim gehen konnte.

Hyman extrahierte einige Muster, die so oder so ähnlich auch heute noch Gültigkeit besitzen. So hatte Zöllner sich wohl sehr schnell von der zurückhaltenden Freundlichkeit des Spiritualisten einwickeln lassen und sich deshalb die Untersuchungsbedingungen von Slade diktieren lassen.

Auch andere Wissenschaftler seien an der kritischen Untersuchung von vorgeblichen „Medien“, Hellsehern und Paragnosten gescheitert, weil sie das Studiensetting wie eine Art Gruppenarbeit nach den Vorgaben der Testperson gestaltet hätten.

Erst das Engagement von Zauberkünstlern wie James Randi oder Werner Geissler habe die Situation dann grundlegend verändert.

Ein Artikel über „Karl Friedrich Zöllner und die Geisterwelt“ findet sich übrigens im Skeptiker 2/1995.

Tomasz Witkowski, Psychologie-Professor und Gründer des Clubs polnischer Skeptiker, ging hartnäckigen Frauds in seinem Fach auf den Grund, darunter der 10-Prozent-Mythos und das Positive Denken.

Letzteres bezeichnete Witkowski als „grausame Farce“, wenn es etwa um völlig unhaltbare Versprechen gegenüber Krebskranken gehe. Er verwies in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf die Studie „Emotional well-beeing does not predict survival in head and neck cancer patients“ (Kurzfassung hier) und auf die Arbeiten von Kelly-Anne Philips.

Abschließend stellte Witkowski eine aktuelle Initiative der polnischen Skeptiker vor:

Psychology is science, not witchcraft!“

Hexenglaube hat etwas mit irrationalen Ängsten zu tun – darüber sprach am Rande des WSC der Astrodicticum-simplex-Blog mit dem Skeptiker Leo Igwe aus Nigeria.

Um das Thema Angst und Risikowahrnehmung ging es auch in zwei weiteren Nachmittagsvorträgen.

Der bekannte Statistiker und Bestsellerautor Professor Walter Krämer referierte über die „Angstindustrie“ in Deutschland, aber auch anderorts. Die Bedeutung dieser Problematik für die Skeptiker unterstrich Krämer mit einem Zitat von Bertrand Russell:

Angst ist die Hauptquelle des Aberglaubens“,

und Angst zu bekämpfen der Beginn der Weisheit.

Ob wenigstens Unternehmen rational mit Risiken umgehen, beleuchtete der Physiker und Unternehmsberater Dr. Holm Hümmler. Er stellte drei Muster vor, wie Mangager typischerweise mit Risiken umgingen:

Wegleugnen, resignieren, wegrechnen.“

Dass dies höchst untaugliche Mittel seien, habe nicht zuletzt die Finanzkrise gezeigt.

Hümmlers Präsentation gibt’s hier zum Download.

Nüchtern abwägende und unvoreingenommen prüfende Skeptiker werden also überall gebraucht – nicht nur in Medizin und Psychologie, sondern auch in den Wirtschaftswissenschaften und im Management.

Zum Weiterlesen:

 

Ein Kommentar

  1. Das man nicht alles glauben darf, was in den gängigen Medien und angeblichen Fachzeitschriften liest, dürfte ja fast allen Besuchern dieser Website klar sein.

    Ich sehe in dem ganzen eher ein Gesellschaftliches Problem.

    Vielen Forschern geht es meiner Meinung nach gar nicht mehr um einen wirklichen Erkenntnisgewinn, es geht nur noch darum, die eigene Reputation zu steigern und möglichst viel zu veröffentlichen. Und das mit allen Mitteln!

    Mal wird ein Ghost writer beauftragt, der einem eine halb ausgegorene Studie irgendwie vernünftig zusammenschreibt, mal wird eine These als verifiziert betrachtet und in schleunigst veröffentlicht, obwohl dem ganzen jegliche empirische Basis fehlt oder manchmal wird schlicht und einfach von anderen abgeschrieben.

    Die wissenschaftliche Welt sollte sich von dem Leistungsdruck der Wirtschaft distanzieren und sich mehr auf das Herausfördern von Erkenntnissen, als auf das Aufbauen von Karrieren konzentrieren.

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