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„Unklare“ Bachblüten und „negative“ Labortests

| 9 Kommentare

Eben habe ich mir den neuen „IGeL-Monitor“ des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDS) angeschaut, wovon auch schon auf unserer Facebook-Seite die Rede war.

„IGeL“, das sind all diese „fragwürdigen“, „sinnlosen“, „umstrittenen“ etc.pp. Zusatzleistungen beim Arzt, die man aus eigener Tasche bezahlen muss.

Warum sich nun ausgerechnet die GKV hier als eine Art Anwalt der gesetzlich Versicherten geriert, erschließt sich mir nicht so ganz. Das Finanzamt ist doch schließlich auch kein Anwalt unserer steuerlichen Interessen, oder?

Wie auch immer: Spaßeshalber habe ich nur mal zwei Bewertungen miteinander verglichen: Bach-Blütentherapie und Toxoplasmose-Test bei Schwangeren.

Zu Dr. Bachs blühendem (aber natürlich „intuitivem“) Unsinn schreiben die MDS-Experten völlig richtig:

Sie ist nicht Bestandteil der naturwissenschaftlich fundierten Medizin, da ihr mehrere Annahmen zugrunde liegen, die nicht nur spekulativ sind, sondern den gesicherten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen.“

Klingt nach einem vernichtenden Urteil, oder?

Weit gefehlt: Der Quatsch erhält beim „IGeL-Monitor“ die schmeichelhafte Bewertung „unklar“.

Nützt nix – schadet nix?

Von wegen: „Ein Arzt in Sonthofen setzt die Bach-Blütentherapie auch bei Krebspatienten ein, und zwar, um ihre seelischen Probleme zu beheben, die seiner Ansicht nach für die Krebsentstehung sowie das Krebswachstum verantwortlich sind“, führen die Prüfer in ihrem Bericht explizit aus.

Klarer kann man Quacksalberei kaum benennen – und dennoch ist eine „Glaubenslehre, die quasireligiöse Züge trägt“ (Zitat MDS), also lediglich als „unklar“ einzustufen.

Dagegen pappt am Toxoplasmose-Suchttest in der Schwangeren-Vorsorge das Ramsch-Etikett „negativ“ – was der schlechtesten von fünf möglichen Kategorisierungen entspricht.

Wie ist das möglich?

Wir lesen weiter: „Insgesamt ist die Studienlage unbefriedigend. Die komplexe Testsituation, die wenig aussagekräftigen Studien sowie die widersprüchlichen Ergebnisse der von uns gefundenen Studien ergeben insgesamt keine ausreichenden Hinweise auf einen Nutzen.“

Natürlich, es gibt kaum einen Test, der mit 100-prozentiger Sicherheit zwischen Gesunden und Erkrankten unterscheiden kann.

Allerdings hat erst Ende November die Wiener Universitätsdozentin Dr. Julia Walochnik bei einer Expertenrunde in Berlin dargelegt, dass die Einführung eines gesetzlichen Toxoplasmose-Screenings in Österreich 5000 Kindern Leben und Gesundheit gerettet habe.

Auch das deutsche Nationale Konsiliarlabor Toxoplasma hat mittlerweile auf einen Spiegel-Bericht („Ärzte machen mit Unsinn Kasse“) zum IGeL-Monitor reagiert und die Sinnhaftigkeit des Suchtests auf Toxoplasma gondii während der Schwangerschaft unterstrichen.

Mag sein, dass das Ganze ein Expertenstreit um komplizierte Studien und Nutzenbewertungen ist, der in allen seinen Verästelungen für Laien nur schwer nachvollziehbar ist.

Aber wer die Bach-Blütentherapie höher bewertet als einen modernen Labortest, der ist eigentlich auch nicht so richtig ernst zu nehmen.

Zum Weiterlesen:

  • Scharlatane kriegen Orden, Forscher wandern aus, Welt-Online am 26. Januar 2012

9 Kommentare

  1. Kann es sein, dass der Toxoplasmose-Test in der Anwendung bei vielen oder allen Schwangeren den Krankenkassen einfach zu teuer wird?
    Ich lasse mich nicht mit geschütteltem Wasser, Zuckerkügelchen, Handauflegen, Gesundbeten oder Bachblüten behandeln, aber wenn ich der Mann einer Schwangeren wäre, würde ich befürworten, dass sie den Tst macht und den nötigenfalls auch selbst bezahlen.
    Wer weiss ob die Interessenlage so ist.
    Kürzlich wollte die Krankenkasse einem jungen Mann, den ich kenne, die Erneuerung seiner Knie-Endoprothese verweigern (Ist inzwischen positiv erledigt, aber warum erst mal eine Ablehnung?). Hätte man dann das Bein amputieren sollen oder was? Es ist der blanke Hohn, dass man eine Behandlung mit Zuckerkügelchen ohne Nachfrage bezahlt hätte. Die hätten in der Situation bestimmt auch suuuuper geholfen.

  2. @QuakQuak:

    << Kann es sein, dass der Toxoplasmose-Test in der Anwendung bei vielen oder allen Schwangeren den Krankenkassen einfach zu teuer wird? << Ich denke schon, dass das sein kann - dann sollen die Kassen das aber sagen, anstatt fragwürdige medizinische Gründe vorzuschieben, alle IGeL-Leistungen als "Abzocke" zu verunglimpfen und keinen Millimeter von dem Dogma abzurücken, sämtliche IGeL seien allein schon deshalb falsch und sinnlos, weil die Kasse ja alles Sinnvolle bezahle ...

  3. Viel mehr als die Tatsache, dass Blachblütenschwachfug besser bewertet, finde ich den Umstand herausstechend, dass bei der „alternativen“ Methode der gravierende Umstand fehlender Evidenz offensichtlich wohlwollend behandelt wird, während bei einem sinnvollentest das Attribut „unzufriedenstellende Studienlage“ zu einer tendenziell negativen Bewertung führt.

    Offensichtlicher kann man doch gar nicht mit zweierlei Maß messen…

  4. Zitat aus http://www.igel-monitor.de/IGeL_A_Z.php?action=abstract&id=60

    „Die Bach-Blütentherapie zählt deshalb nicht zur Pflanzenheilkunde (Phytotherapie) und ist generell auch nicht als naturwissenschaftlich orientierte Heilslehre zu verstehen, sondern als Glaubenslehre, die quasireligiöse Züge trägt.“

    Ist es nicht eine merkwürige Art ein Unwerturteil dadurch zum Ausdruck bringen zu wollen, dass man eine Therapie als „Glaubenslehre“ und „quasi-religiös“ bezeichnet? Immerhin sind in diesem Lande wohl (noch) zwei Drittel der Bevölkerung einer Glaubensgemeinschaft angehörig. Ob dieser Personenkreis aus „Glaubenslehrere“ und „quasireligiös” das intendierte Konnotat herausliest, erscheint doch zweifelhaft.

    Die Autoren sollten besser von „Irrlehre” und „wahnhaften Zügen” schreiben.

  5. Sehr richtig, ich finde den Toxoplasmosetest bei Schwangeren ausgesprochen sinnvoll, insbesondere da ja auch eine antibiotische Therapie oder – falls das für das Paar eine Alternative ist – eine Abtreibung als Konsequenz aus dem Test möglich sind.
    Es gibt eine Menge sinnloser IGel aber auch einige sehr sinnvolle, wie besp. der Test auf SS-Diabetes, der (bisher angeblich sinnloser IGeL) jetzt womöglich doch Leistung der gesetztlichen KK werden soll.
    Gerade im Schwangerenbereich scheint aber das DOGMA, daß man alles möglichst so hinzunehmen hat wie es die Natur eben einrichtet besonders stark zu sein. Künstliche Befruchtung ist da ja auch so ein angeblich sinnloser IGeL :-)

  6. das Prädikat “unklar” kann durch das Pendel gelöst werden, dreht das Pendel nach rechts, dann ist alles klar.

  7. @Dr. Zimmermann:

    << Es gibt eine Menge sinnloser IGel aber auch einige sehr sinnvolle, wie besp. der Test auf SS-Diabetes, der (bisher angeblich sinnloser IGeL) jetzt womöglich doch Leistung der gesetztlichen KK werden soll. << Richtig, ja, soweit ich weiß, ist das auch schon beschlossen: http://www.aerzteblatt.de/archiv/118011/Schwangerschaftsdiabetes-Test-wird-Kassenleistung

  8. @Bernd Harder
    Ich glaube, ich kann Licht in das Dunkel bringen…*saucool*
    Die Bachblüten-Therapie ist vor einer wissenschaftlichen Prüfung immun. Eine Theorie, die auf solch einer pseudowissenschaftlicher Betrachtung beruht, ist nicht einfach durch eine wissenschaftlichen Betrachtung zu entkräften; die Annahmen entziehen sich, per Definition, einer wissenschaftlichen Beurteilung. „Im Zweifel für den Angeklagten“ gilt wohl auch bei der Beurteilung „alternativer (pseudowissenschaftlicher) Heilmethoden“ bei Igel, oder wie sich das schimpft…;-)

  9. @Ano Nym
    „““Ist es nicht eine merkwürige Art ein Unwerturteil dadurch zum Ausdruck bringen zu wollen, dass man eine Therapie als „Glaubenslehre“ und „quasi-religiös“ bezeichnet? Immerhin sind in diesem Lande wohl (noch) zwei Drittel der Bevölkerung einer Glaubensgemeinschaft angehörig. Ob dieser Personenkreis aus „Glaubenslehrere“ und „quasireligiös” das intendierte Konnotat herausliest, erscheint doch zweifelhaft.
    Die Autoren sollten besser von „Irrlehre” und „wahnhaften Zügen” schreiben.““““

    Da haben sie schon recht, doch gehören grundsätzlich ALLE Glaubenslehren zu den irrationalen Überzeugungssystemen, daher ist kein Unterschied zu sehen.

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