Was soll man als Skeptiker zu einem Film sagen, der vom Vatikan ausdrücklich gelobt wird?
Ob man dran glaubt oder nicht – der Teufel existiert“,
schreibt der Osservatore Romano zum aktuellen Exorzismus-Spektakel „The Rite“.
Damit ist die „Botschaft“ des Streifens in einem Satz zusammengefasst, sodass Die Welt denn auch von einem „vatikanischen Propagandafilm“ spricht.
Vor allem das „positive Priesterbild“ gefällt dem Osservatore, was wiederum dem Rezensenten der amerikanischen Skeptiker-Zeitschrift Skeptical Inquirer äußerst übel aufstößt:
The writers prove they know little about either atheists or skeptics … In short, Michael [der Protagonist des Films, ein anfänglich „skeptischer“ und an Gott zweifelnder Priesteramtskandidat] is nothing more than a personification of the ill-advised, foolish, and arrogant stereotype many theists have of atheists …
The average skeptic may give thought to the god hypothesis, even if just for a second, because all ideas are worth considering. However, he would not default to the position that God or the devil is making someone sick or causing voices in his head. Most skeptics would require the existence of God and the devil to be conclusively proven before they could settle on it as a cause for anything or even a serious hypothesis.
It would be unusual for a reason-driven person to freak out in a moment of confusion, abandon their rationality, forgo their ruthless examination of the situation, and lay the happenings at the feet of God or the devil. I suspect most skeptics would say exactly the same thing in this situation: “I do not know what is going on, but I would like to figure it out.“
Sicher, auf einen Film, der anhand konkreter Beispiele (etwa Roswell, Bermuda-Dreieck, Kornkreise etc.) mal umgekehrt zeigt, wie „Gläubige“ zu „Skeptikern“ werden, müssen wir wohl noch lange warten.
Andererseits wäre das nun wirklich das Letzte, was man von „The Rite – Das Ritual“ erwarten könnte oder sollte. Schließlich basiert der Streifen auf dem Buch „Die Schule der Exorzisten“, das wir an dieser Stelle bereits gewürdigt haben. Und dabei handelt es sich um eine angeblich authentische Reportage, die sich um die Exorzismus-Kurse an der vatikanischen Hochschule rankt.
Vermutlich – und das ist das Erschreckende – ist dieses Machwerk aus der Feder eines italienischen Journalisten tatsächlich ernst gemeint. Auch wenn der Leser über weite Strecken die „Reportage“ kaum von einer Parodie unterscheiden kann, etwa wenn es zur Frage der Unterscheidung zwischen einer „dämonischen Besessenheit“ und einer seelischen Erkrankung lapidar heißt: Manchmal …
… verwirrt der Dämon den Exorzisten, indem er beim Besessenen Anzeichen einer psychischen Störung hervorruft.“
Oder:
In bestimmten Fällen forderte Pater Daniel die Leute sogar dazu auf, ein paar Tropfen Weihwasser in die Waschmaschine zu geben, um ihre Kleidung zu reinigen, was seiner Meinung nach auch helfe.“
Dämonentief rein, sozusagen.
Soll das ein Scherz sein? Keineswegs, und so zeigt auch in „The Rite“ die Kamera mitunter Legionen diabolischer Frösche, das Blutige-Nägel-Ausspucken der Buchvorlage oder ein Maultier mit höllischen roten Augen. (Dafür aber immerhin keine Erbensuppe oder 180-Grad-Kopfdrehungen, wie einer der Teufelsaustreiber in dem Film selbst ironisch anmerkt.)
Rein handlungsmäßig orientiert sich „The Rite“ nur relativ grob an „Die Schule der Exorzisten“: Besagter „Zweifler“ Michael (Colin O’Donoghue) will das Priesterseminar vorzeitig verlassen und wird daraufhin von Pater Lucas (Anthony Hopkins) in die Realität des Satanischen und in den Exorzismus eingeführt.
Der Grundtenor bleibt jedoch erhalten. Das Buch endet mit diesen Sätzen:
Das bekräftigte nicht nur seine Berufung zum Priester, sondern war auch eine beeindruckende Bestätigung eines der unergründlichsten Geheimnisse seines Glaubens. Obwohl das Böse auf der Welt existierte, gab es doch eine Möglichkeit, es zu besiegen.“
Im Film lernt die Hauptfigur zuerst, an den Teufel zu glauben – und hernach zwangsläufig auch an Gott.
Ungewollt fokussiert „The Rite“ mit dieser Wendung indessen zugleich auf eine Vermutung der Skeptiker, die Bernhardt Wenisch schon vor vielen Jahren in seinem Buch „Satanismus“ aufs Tapet brachte: dass Exorzisten in Wahrheit höchst unsichere und glaubensschwache Zeitgenossen seien, die einem rein egozentrischen Zirkelschluss huldigen: „Wenn ich den Teufel austreiben kann, muss es auch einen Gott geben.“
Ob diese psychologische Deutung der Exorzisten-Umtriebe nun stimmt oder nicht – das Thema ist jedenfalls beklagenswert zeitgeistig.
Dieser Tage lesen wir beispielsweise bei den Frömmlern von kath.net ein flammendes Plädoyer pro Teufel, Dämonen und Exorzismus, das einen mehr erschaudern lässt als zwei Stunden „The Rite“.
So gesehen, erfüllt „The Rite“ auch für Skeptiker einen gewissen Zweck. Indem er uns vor Augen hält, dass dieser mittelalterliche Wahnsinn längst noch nicht der Vergangenheit angehört.
Zum Weiterlesen:
- Kirche soll Nürnberger den Teufel austreiben, Abendzeitung am 21. März 2011
- Exorzismus in Deutschland, GWUP-Blog am 17. Februar 2010
- Der letzte Exorzismus – Leider nur im Kino, GWUP-Blog am 20. August 2010
- Science Busters und Exorzisten, GWUP-Blog am 30. September 2010