Wie formuliert man wissenschaftlich verbrämt die Aufforderung „Leck mich am Allerwertesten“?
Der britische Embryologe John McLachlan versuchte es mit der Umschreibung „leichtes Saugen“ am Hintern – und propfte gleich noch eine neue medizinische Theorie auf diese an sich unspektakuläre Handlung auf:
In seinen Studien zur Embryonalentwicklung sei er, McLachlan, zu dem Schluss gekommen, dass es eine besonders empfindliche Reflexzone im menschlichen Körper gebe – und zwar am Podex. Auf beiden Gesäßbacken sei der ganze Organismus wie ein auf dem Kopf stehendes Männchen repräsentiert.
Werden die Reflexpunkte stimuliert – etwa durch „leichtes Saugen“ – lässt sich ein Energiefluss auslösen. Der Effekt sei noch größer als bei der Akupunktur, behauptete der Forscher.
Und erhielt für diese bahnbrechende Erkenntnis prompt eine Einladung zur „Jerusalem International Conference of Integrative Medicine“. Dort sollten „die wissenschaftlichen Prinzipien der modernen Medizin mit den ganzheitlichen Prinzipien der Alternativmedizin vereint“ werden.
McLachlan lehnte die freundliche Offerte ab.
Denn sein eingereichtes Abstract zum Thema Arsology war nichts weiter als frei erfunden. Die ganze absurde Geschichte füllt die aktuelle Folge der Rubrik „Medizin und Wahnsinn“ in der Süddeutschen. Zitat von Autor Dr. Werner Bartens:
Der britische Mediziner wusste zwar schon zuvor, dass die Alternativmedizin nicht durch besonders rigorose methodische Qualität auffällt. Enttäuscht war er allerdings schon, dass der Beirat der Tagung nicht mal skeptisch wurde, als er leichtes Saugen am Hintern empfahl. Viel deutlicher kann man die Aufforderung Leck mich am Allerwertesten in einem wissenschaftlichen Text kaum unterbringen.
Viel offensichtlicher kann man die Leichtgläubigkeit der Alternativmedizin nicht bloßstellen und ihre Methoden der Lächerlichkeit preisgeben.“
Nun ja – recht erhellend ist in diesem Zusammenhang auch das humorige Diagramm „Find Your Ideal Alternative Therapy“, das man hier anklicken kann.
Aporops Humor: Mitlachen ist bei unseren esoterisch-alternativen Freunden übrigens streng verpönt. Bartens:
Wenn man sich in Deutschland fragt, was manche Anhänger der Alternativmedizin so zwischen den Ohren haben und welchen Unsinn sie bereitwillig glauben, wenn er nur genug nach Ringelblume, Mond und Sternen klingt, werden erwartbare Reflexe ausgelöst. Die Heilpraktiker, Schamanen, Nadler und Kügelchendreher drehen dann auf und werden unflätig. Bezeichnungen als bornierter Schulmediziner und gedungener Lobbyist der Pharmaindustrie gehören zu den freundlicheren Anreden.“
So isses. Und damit sind wir zugleich wieder bei den hiesigen Themen und Kommentaren der vergangenen Tage (vor allem den nicht freigeschalteten Kommentaren).
Immerhin: In der Dezember-/Januar-Ausgabe der Szene-Zeitschrift connection spirit wird für Heft 4/2011 schon mal das Thema „Humor löst, reift, heilt und erleuchtet“ angekündigt. Vielleicht hilft’s ja.
Auch das connection-Juxanzeigenmuseum lässt eine zwischen New Age und Telekinese oszillierende Komik erkennen.
Eher direkt geht dagegen die Seite Esoulk zur Sache:
Um eine Wunderheilkur gegen ein Symptom zu erschaffen geht man wie folgt vor:
Was kann dieses Symptom verursachen? Gifte sind beispielsweise toll. Man nehme etwas davon und verdünne es. Und verdünne es weiter. Und weiter. Und noch ein bisschen mehr. Schütteln nicht vergessen!
Es kommt auch darauf an, wie geschüttelt wird. Eine Kunst für sich! Um so weiter man verdünnt, um so wirkungsvoller wird das Wundermittel. Also weiterverdünnen! Und ein bisschen schütteln. Sobald man sicher ist, dass sich in seiner Lösung kein einziges Molekül des Orginalstoffs befindet, ist man fertig. Nun bleibt nur noch eines zu tun:
Jemand Dummes finden, der das Fläschchen Wasser für ein halbes Vermögen kauft.“
Zum Weiterlesen:
- Akademische Esoterik: der Fall Viadrina (Teil 3), Kritisch gedacht am 20. Dezember 2010
- Alles so schön sanft hier, Süddeutsche Zeitung vom 8. Dezember 2010
- Homöopathie – Abgesang auf einen kollektiven Wahn, Excanwahn am 28. Juli 2010
- Ganzheitliches Arschfummeln, Ratio-Blog am 12. Dezember 2010
27. Dezember 2010 um 16:07
McLachlan hat seine Erlebnisse auch selber online gestellt, damit man sie Pseudomedizinern als Link herumschicken kann, den sie dann nicht verstehen:
http://www.bmj.com/content/341/bmj.c6979.full?sid=0c9ee36b-72ab-409a-b94b-4e7ba1a7c408