Warum heißen ein paar Tenside mit Konservierungs-, Hilfs- und Pflegestoffen eigentlich „Mystic Moments“?
Dieser Frage geht heute Meike Winnemuth in der Süddeutschen nach. Im Mittelpunkt ihrer Nomen-est-Omen-Analyse steht dabei das Lieblingsgetränk der Journalistin:
Was muss ich trinken, um mit dem Einscheidungsstress fertigzuwerden, zwischen Sorten wie Zeit für Energie, Himmelszauber, Basis deiner Seele, Inspiration der Sinne, Magie des Lebens und Lass die Sonne scheinen wählen zu müssen? Die Wellnessteewelle konfrontiert uns Beuteltrinker mit existenziellen Fragen.“
Und damit nicht genug:
Die Weisheit des Tees durchdringt längst unsere ganze Existenz. Hier eine Auswahl an Supermarkt-Fundstücken, die klingen wie ein Selbstfindungsseminar in der Esoterikbuchhandlung: Ob Weichspüler wie Lenor Energy (»Laden Sie Ihren sinnlichen Akku wieder auf«), Duschgels wie Fa Mystic Moments Perlenproteine & Black Calla (»entführt Sie in eine mystische Welt«), Mineralwasser wie Fürst Bismarck Emotion oder Whirlpool-Kristalle Glückliche Auszeit (»Entspannung von Körper und Geist«, passenderweise mit Hanf und rotem Mohn): Wir sind von innen wie von außen gebadet in Glückseligkeit.“
Oder aber umstellt von Geheimnissen.
Inspiriert von einem längeren Stöbern in der Bahnhofsbuchhandlung fragt Dr. Florian Freistetter bei Astrodicticum simplex: „Warum muss immer alles geheimnisvoll sein?“ Hintergrund sind blurbende Zeitschriftentitel wie „Geheimakte Inquisition“ (Welt der Wunder), „Die geheimen Akten der Gerichtsmedizin“ (Wunderwelt Wissen) oder „Die geheime Physik Gottes“ (P.M.):
Warum muss man die Dinge immer künstlich mysteriös und geheimnisvoll machen? Ist die Zielgruppe tatsächlich so simpel und vorhersehbar, dass sie so leicht mit ein bisschen Mysterium und Geheimnis zu ködern ist? Würde sich das Heft echt schlechter verkaufen, wenn man einfach über die Inquisition berichtet, anstatt über die Geheimakte Inquisition?“
Die sprachliche Synthese aus den Erörterungen Winnemuths/Freistetters bildet übrigens die Seite Teegeheimnisse, aber das nur nebenbei.
Ein nettes Beispiel für die Geheimniskrämerei der Publikumsmedien findet sich auch im November-Heft von Glamour (11/2010). Da spüren zwei Redakteurinnen der „Faszination des Übersinnlichen“ nach, unter anderem bei der „Rückführungsexpertin“ Ursula Demarmels aus der RTL-Nonsensshow „Mein erstes Leben“. Überschrift: „Wer war ich in meinem Vorleben? Ein Selbstversuch, der keineswegs ins Nirgendwo führt.“
Wirklich nicht? Seltsam, dass der Artikel sich ganz anders liest.
„Alles recht unspektakulär“, beschreibt die Journalistin erfreulich nüchtern ihr Erlebnis bei der Vergangenheitsgräberin und baut immer wieder pragmatische Stopper in ihren Text ein wie „Das macht eigentlich keinen Sinn“ oder „Lebe ich wirklich gerade 1957 oder erfinde ich das nur?“ oder „Ziemlich oft antworte ich auf Demarmels Frage Was siehst du? mit einem knappen Nicht so viel.“
Gespannt tastet sich also unser Blick bis zum letzten Absatz vor, der eigentlich nur darin bestehen kann, die Eso-Abzocke mit den „Rückführungen“ nach allen Regeln der Wortkunst zu schrotten.
Weit gefehlt – denn die Kollegin bringt es kurz vorm Ende ihrer „Zeitreise“ tatsächlich fertig, doch noch die falsche Ausfahrt zu nehmen.
Dass die behauptete Verlinkung ihrer gegenwärtigen Existenz mit irgendwelchen historischen Gestalten lediglich zurück zur eigenen Startseite führt, scheint der Glamour-Autorin durchaus klar zu sein:
… Auch wenn ich nach wie vor vermute, dass all die Bildfragmente wie Träume einfach aus meinem Unterbewusstsein kommen.“
Und dennoch, man mag es kaum glauben, attestiert sie der „Rückführung“ einen „Erfolg“:
Ich fühle mich hinterher fast so erholt wie nach einer Woche Faulenz-Urlaub. Weil ich den Eindruck habe, es hätte mich jemand bis zum Füllstrich mit Energie aufgetankt.
Außerdem bin ich seitdem verdammt zufrieden mit meinem aktuellen Leben. Und das ist ja nicht gerade das schlechteste Reise-Fazit.“
Mag ja sein. Aber was die Kollegin zu diesem Fazit gedrängt haben mag – das bleibt ihr Geheimnis.