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Homöopathie in der Geburtshilfe

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Dass Hebammen in der Impfgegner-Szene eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielen, ist schon häufiger thematisiert worden. Nun konstatiert Prof. Dr. Karsten Münstedt von der Universitätsfrauenklinik Gießen, dass auch die Methoden der komplementären und alternativen Medizin (CAM) von der Berufsgruppe der Hebammen „weitgehend vorbehaltlos propagiert“ werden. In der aktuellen Ausgabe (5/2010) der Fachzeitschrift Ärztliche Praxis Gynäkologie schreibt Münstedt:

Jüngere Erhebungen haben gezeigt, dass nahezu alle geburtshilflichen Abteilungen in Deutschland CAM-Methoden in der Geburtshilfe anbieten, insbesondere Akupunktur, Homöopathie und Aromatherapie. In den deutschen Kreißsälen werden die Entscheidungen bezüglich CAM überwiegend von den Hebammen getroffen, in einigen wenigen Fällen gemeinsam mit den Ärzten, aber selten durch Ärzte allein … Hintergründe der Anwendung von CAM sind im Wesentlichen die Nachfrage von Patientinnen und die Überzeugung der Hebammen.“

So weit, so schlecht. Und was bringt das Ganze? Münstedt, Oberarzt der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe, zieht ein ernüchterndes Fazit:

  • Zur Aromatherapie liegt eine Studie aus dem Bereich der Geburtshilfe vor. Es fanden sich keine Unterschiede bezüglich der Kaiserschnittrate, der Rate vaginal operativer Entbindungen, Wehenunterstützung und kindliches Outcome. Eine leicht reduzierte Schmerzwahrnehmung bei Erstgebärenden unter Aromatherapie wurde festgestellt, allerdings war die Studie nicht plazebokontrolliert.
  • Ein systematisches Review zur Homöopathie bei Geburtseinleitung ergab keinen Hinweis auf Wirksamkeit, ebenso wie verschiedene andere Meta-Analysen zu dem Schluss kommen, dass die Homöopathie keine Wirkung, sondern nur einen Plazebo-Effekt besitzt.
  • Verschiedene Studien im Gebiet der Geburtshilfe deuten auf eine Wirksamkeit der Akupunktur und Akupressur hin, wobei das Design der Kontrollgruppen ein wesentliches Problem dieser Untersuchungen darstellt … Eine noch unpublizierte Analyse von mehr als 400 000 Entbindungen in Hessen ergab, dass bei Anwendung der Akupunktur die Rate vaginaler Entbindungen höher war, allerdings auch mit einem deutlich erhöhten Bedarf an Schmerzmittel einher ging.“

Nützt nix (oder kaum etwas), schadet nix? Keineswegs. Der Facharzt für Frauenheilkunde zählt folgende Risiken auf:

Obwohl CAM als nebenwirkungsfrei betrachtet werden, wurden in der Vergangenheit wiederholt unerwünschte Wirkungen registriert. Insbesondere stimmt eine Analyse aus Dänemark nachdenklich, dass bei Anwendung von CAM-Methoden während der Schwangerschaft deutlich weniger Schwangerschaften ausgetragen wurden.
Werden auch auf schulmedizinischen Standards basierende Therapien zugunsten von CAM abgelehnt, kann dies zum Beispiel bei Eklampsie (Krampfanfall) zur Progression der Erkrankung führen.
Bei Akupunktur sind Pneumothorax (Luftansammlung im Rippenfellspalt), Gefäßverletzung und Rückenmarksverletzung, bei Homöopathie und Aromatherapie Vergiftung und Sensibilisierung gegenüber allergischen Reaktionen beobachtet worden.“

Münstedts diplomatisch formuliertes Fazit:

Es … erscheint zukünftig sinnvoll und wichtig, bei der Auswahl der Methoden die Evidenzlage stärker zu berücksichtigen und die derzeit angewendeten Methoden auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen.“

Zum Weiterlesen:

 

6 Kommentare

  1. „Bei Homöopathie und Aromatherapie [sind] Vergiftung und Sensibilisierung gegenüber allergischen Reaktionen beobachtet worden.“

    Wie können (solche) Wirkungen bei angeblich nachgewiesener Wirkungslosigkeit (abgesehen vom Placebo-Effekt) auftreten?

  2. @Tom: In der Homöopathie werden Gifte wie Arsen, Blei, Cadmium oder Queksilber verwendet. Werden sie längere Zeit in Dosen bis D 12 eingenommen, können sie im Körper zu einer chronischen Belastung führen. Und dies summiert sich mit der Wirkung der übrigen, „normalen“ Schadstoffbelastung.

  3. Das heißt also, dass auch andere Stoffe, werden sie längere Zeit in Dosen bis D 12 eingenommen, ebenfalls zu nachweisbaren (mitunter sogar positiven) Wirkungen im Körper führen können. Und das wiederum würde bedeuten, dass die Rede vom „Potenzieren, bis der Grundstoff nicht mehr nachweisbar ist und wir nur noch reines Wasser oder Alkohollösung haben“ falsch ist.

  4. @Tom:
    Ja – nur hat das nichts mehr mit klassischer Homöopathie zu tun, sondern nennt sich dann „Komplexmittelhomöopathie“, die in den meisten ihrer Besonderheiten (Tiefpotenzen, Kombinationen mehrerer Einzelmittel etc.) Hahnemanns Lehre widerspricht.

  5. Danke für die Antwort, Herr Harder. Wenn ich das richtig verstehe, wirkt „Komplexmittelhomöopathie“ also – wenn auch vielleicht nicht wie beabsichtigt?

  6. @Tom: Könnte man sagen, ja. Konkret:

    Tiefpotenzen (bis D6 / C3) können generell die gleichen unerwünschten Wirkungen haben wie die Inhaltsstoffe an sich. Bei längerer Einnahme von Schwermetallen in Tiefpotenzen kann es zu chronischen Vergiftungen kommen, manche wirken krebsgefährdend. Bestimmte Pflanzen bis zur Potenz von D8 kommen zudem als mögliche Allergieauslöser in Frage. Tierische Stoffe werden nicht sterilisiert und können daher Infektionsträger sein.

    Komplexmittel werden aus mehreren Substanzen verschiedener Potenz – auch Tiefpotenzen – zusammengestellt – hier können sich Nebenwirkungen zusätzlich potenzieren (hier im Sinne von verstärken!). Es gilt das Gleiche wie bei jedem Arzneimittel: Je mehr Einzelsubstanzen es enthält, desto risikoreicher ist es. Dazu kommt, dass von Patienten häufig mehrere Homöopathika eingenommen werden.

    Aber: Als Homöopathie können Mittel aus mehreren Substanzen (also Komplexmittel) oder Mittel, die einen bestimmten Anwednungsbereich angeben (etwa Grippemittel), nicht bezeichnet werden – sie widerprechen der Hahnemannschen Lehre.

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