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Europäischer Skeptiker-Kongress: die Highlights

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Fast 150 Skeptikerinnen und Skeptiker aus ganz Europa trafen sich am Wochenende beim 14.  Europäischen Skeptiker-Kongress in der ungarischen Hauptstadt Budapest.

Die Organisatoren vom ungarischen Skeptikerverband hatten für die drei Tage (17.-19. September) ein „mehr als dichtes Programm“ mit einem „breiten Spektrum an Themen“ zusammengestellt,  resümiert der Kölner Skeptiker Ralf Neugebauer, der mit dabei war.

Hier sein Bericht:

„Der Themenschwerpunkt lag im Bereich der ‚Komplementär-‚ oder ‚Alternativmedizin‘, wobei die Anführungszeichen bewusst gewählt sind. Prof. Willem Betz (Belgien) und Michael Heap (Großbritannien) haben nämlich zutreffend hervorgehoben, wie die gleichen unwirksamen Heilmethoden erst als Alternative zur „Schulmedizin“ und dann – nicht zuletzt zur Markterweiterung – als „Ergänzung“ vermarktet werden. Traurig ist, dass die EU die Chance verpasst hat, bei den vermeintlich alternativen Heilmethoden die gleichen rigorosen Zulassungsstandards festzuschreiben wie bei „normalen“ Arzneimitteln. So dürfen z.B. trotz des allgemeinen Irreführungsverbots für homöopathische und anthroposophische Mittel Anwendungsfelder genannt werden, ohne jeden Nachweis, dass sie tatsächlich geeignet sind, derartige Beschwerden zu lindern. Es kommt allein darauf an, ob sie – nach Einschätzung der Homöopathen oder der anthroposophischen Behandler – „traditionell“ zur Behandlung derartiger Beschwerden eingesetzt werden. Hier gibt es noch ein weites Betätigungsfeld beim – europäischen – Gesetzgeber. Einen Ansatz dafür, was man in diesem Bereich tun kann, bot Andy Wilson (Großbritannien), der organisatorische Kopf der 10:23 Campaign. Mit einer Überdosis Homöopathika hat die Aktion gezeigt: „Homeopathy: there’s nothing in it“ – wo nichts drin ist, da ist halt auch nichts dran. Auch der GWUP-Vorsitzende Amardeo Sarma befasste sich in seinem Vortrag mit der „Komplementärmedizin“ und plädierte überzeugend dafür, die Standards nicht zu verschieben, sondern auch von vermeintlichen Alternativen den Wirkungsnachweis zu verlangen (siehe dazu auch hier und hier). Interessant war auch der Erklärungsansatz des ungarischen Mathematikers Gergely Röst, der ein mathematisches Modell vorstellte, um zu erklären, warum unwirksame Behandlungsmethoden trotzdem nicht aussterben. Dass die Skeptiker neue Heilverfahren nicht grundsätzlich ablehnen, sondern auf einem Wirksamkeitsnachweis bestehen, zeigte der Auftaktvortrag des ungarischen Physikers Gábor Szabó, der über Phototherapie berichtete und zeigte, dass Licht bestimmter Wellenlänge durchaus auch in klinischen Versuchen zum Beispiel bei Heuschnupfen besser wirkt als ein Placebo.

Eine heftige Diskussion entspann sich nach dem Vortrag des polnischen Arztes Mariel Zatonski, der eine ganze Reihe Mythen der modernen Medizin unter kritisch die Lupe genommen hat. Ob allerdings die Pharmaindustrie nicht an Heilmitteln forscht, weil sich mit dem Symptommangement mehr Geld verdienen lässt – so ein wenig vereinfacht eine seiner Thesen – dafür hätte ich gerne Belege, die über rein ökonomische Erwägungen, die man auch in Frage stellen kann, hinausgehen. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema würde hier sicher zu weit führen, aber im Grundsatz scheint mir Zatonski nicht ausreichend berücksichtigt zu haben, dass es nicht „die Pharmaunternehmen“ gibt, sondern dass die Unternehmen der Branche im Wettbewerb miteinander stehen. Was für die Branche theoretisch optimal sein mag, muss nicht notwendig auch für das einzelne Unternehmen die ökonomisch optimale Entscheidung darstellen.

Neben diesen medizinischen Themen war das Programm aber auch mit weiteren interessanten Vorträgen vollgepackt: Luigi Garlaschelli (Italien)  zeigte seine Nachbildung des Turiner Grabtuchs – er hatte sie sogar mitgebracht. Gerald de Jong (Niederlande) präsentierte ein von ihm entwickeltes Multiplayer-Onlinespiel über Evolution und Tomasz Witkowski (Polen) stellte ein Experiment vor, in dem er einen völlig unsinnigen psychologischen Artikel in einer populärwissenschaftlichen Fachzeitung platzierte, – wirklich erschreckend.

Das spannte einen schönen thematischen Bogen zu dem vorangegangenen Vortrag von Simon Singh (Großbritannien) über sein Buch „Trick or Treatment“ (dt.: Gesund ohne Pillen – was kann die Alternativmedizin?) und den von den britischen Chiropraktikern gegen ihn geführten Verleumndungsprozess.

Ein besonders die Ungarn interessierendes Thema präsentierte die Linguistin Klára Sándor: Sie zeigte, dass sogenannte „Sprachfamilien“ nichts mit genetischer Verwandtschaft zu tun haben und wie es zu dieser Fehlvorstellung kommt.

Am letzten Kongresstag berichtete der „paranormal investigator“ Dr. Joe Nickell (USA) über seine „Undercover-Ermittlungen“ zu Medien, Wunderheilern und anderen fragwürdigen Protagonisten. Ein nicht nur interessanter, sondern vor allem auch unterhaltsamer Höhepunkt.

Weitere Themen waren unter anderem „Das Voynich-Manuskript“ (Klaus Schmeh von den Rhein-Ruhr-Skeptikern), „Houdini among the spirits“ (Massimo Polidoro, Italien), „Pseudoscience in the Media“ (Istvan Vago, der „ungarische Günther Jauch“) und vieles andere.

Besonders wichtig ist bei solchen Veranstaltungen natürlich, dass sich Leute mit gleichen Interessen aus ganz Europa auch persönlich kennenlernen. Ich habe jedenfalls eine ganze Menge guter Anregungen mitgenommen und freue mich schon jetzt auf den 15. Kongress im übernächsten Jahr.“

Autor: Inge Hüsgen

Redaktionsleiterin Skeptiker - Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken

3 Kommentare

  1. …gähn, diese themen locken doch keine hund mehr hinter dem ofen hervor…..

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