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Globuli für Afrika

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Den Deutschen Engagementspreis haben sie nicht bekommen, nicht zuletzt aufgrund von Kritik in zahlreichen Foren, etwa Astrodicticum simplex. Die „Homöopathen ohne Grenzen“ (HOG) bemühen sich jedoch nach wie vor, die Hahnemann’sche Lehre weltweit zu verbreiten.

So berichtet die Augsburger Allgemeine von einem Projekt in Kenia, bei dem eine Heilpraktikerin den Einheimischen die Zubereitung und Anwendung von homöopathischen Arzneien beibringt. Liest man den Artikel, gewinnt man den Eindruck, hier handele es sich einfach um eines von vielen privat betriebenen Entwicklungshilfeprojekten.

Sieht man den Text genauer an, wird geschildert, wie hilfsbedürftigen Menschen, die oft weder lesen und schreiben können, mit Hilfe von Symbolkarten eingeredet wird, die wissenschaftlich völlig unbewiesene Heilslehre Homöopathie könne ihnen Linderung  bei Geburtswehen (ok, das behaupten deutsche Hebammen auch) sowie  – und da wird es nun wirklich kritisch – Schlangenbissen und Knochenbrüchen bringen. Ja, auch Blutungen nach einer Geburt könnten mit selbstverfertigten Globuli, in denen meist kein Bestandteil der fälschlicherweise als Wirkstoff bezeichneten „Ursubstanz“ enthalten ist, gestoppt werden. Das Interesse sei groß, weil „die Menschen sehen, dass die kleinen Kügelchen wirken“. Ähnliche Projekte betreibt die Organisation ihrer Website zufolge in vielen anderen von Armut und Krieg geplagten Ländern.

Nun drängt sich die Frage auf, ob man Menschen, denen es an grundsätzlicher medizinischer Versorgung fehlt, nicht besser helfen könnte, als mit einer esoterischen Heilslehre wie der Homöopathie, die in 200 Jahren keinen wissenschaftlich wirksamen Nachweis für ihre Wirksamkeit erbringen konnte.

Man stelle sich vor, im Nachkriegseuropa wären anstelle von Care-Paketen und Hilfe beim Wiederaufbau von Kliniken und Infrastruktur, traditionelle Heiler aus allen Teilen der Welt erschienen, um mit Beschwörungsformeln und unwirksamen Zuckerkügelchen rachitische Kinder und verwundete Kriegsheimkehrer zu beglücken. Sierra Leone beispielsweise hat noch immer unter den Auswirkungen des bis vor wenigen Jahren tobenden Bürgerkrieges zu leiden, die durchschnittliche Lebenserwartung liegt nach Angaben der WHO nur um die 40 Jahre, Durchfall stellt noch immer eine der häufigsten Todesursachen bei Kleinkindern dar. Ganz sicher benötigen diese bedauernswerten Menschen keine unwirksamen Milchzuckerkügelchen, sondern Medikamente, deren Wirksamkeit belegt ist, sowie Hilfe beim Aufbau einer zivilen Infrastruktur.

Die „Homöopathen ohne Grenzen“ – die ihren Namen an die mit dem Friedensnobelpreis gekürte Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ anlehnen, obwohl sie nichts damit zu tun haben – bitten auf ihrer Website um Spenden für ihre Projekte.

Wer Entwicklungshilfeprojekte finanziell unterstützen will, sollte sich besser vorher beim Deutschen Zentralinstitut für soziale Fragen, getragen u. a. vom Berliner Senat und vom Bundesfamilienministerium, erkundigen, welcher Verein sinnvolle Unterstützung in diesem Bereich leistet – oder gleich an die Ärzte ohne Grenzen spenden.

6 Kommentare

  1. Am 30.3. gab es in der hiesigen Tageszeitung bereits einen völlig unkritischen Bericht zu derlei, „Globuli für Sierra Leone“, zu dem ich einen Leserbrief verfasste, der auch gedruckt wurde. Daraufhin erhielt ich einige Reaktionen von Homöopathen / Fans der Homöopathie mit Gesprächseinladungen. Als ich zusagte, folgten jedoch plötzlich von allen Absagen mit der Begründung, dass das doch wohl keinen Sinn habe … ;-)

  2. Manch ein Zyniker behauptet, dass das Gegenteil von „Gut“ nicht „Schlecht“ sei, sondern „Gut gemeint“.

    Angesichts der Aktivitäten der „Homöopathen ohne Grenzen“ scheint mir jedoch jeder Zynismus (1) gerechtfertigt.

    „HoG“ bzw. ihre Vertreter wie Elisabeth von Wedel oder die Hamburger PR-Fachfrau (und Postfeministin) Dörte Giebel, die den Versuch betreute, das Internet-Volk zu veranlassen, den Homöopathen den Deutschen Engagementspreis zu verleihen, scheinen aus den umfänglich negativen Reaktionen (2) kaum etwas gelernt zu haben. Am allerwenigsten kritische Selbstreflektion. Frau Giebel kündigte jedenfalls im April an, bei Wikipedia einen weiteren Vorstoß zu starten, um „HoG“ dort marketinggerecht unterzubringen. (3)

    Angesichts der eindeutigen Datenlage zum Nachteil der Homöopathie, muss man sich fragen, ob man es hier nur mit der typischen Borniertheit der Alternativheiler-Szene zu tun hat, oder ob es sich schon um gemeingefährliche Dummheit handelt, deren menschenverachtende Ideologie mehr und andere Reaktionen benötigt, als böse Kommentare?

    (1) http://excanwahn.wordpress.com/category/hahnemann/page/3/

    (2) http://excanwahn.wordpress.com/2009/12/30/homoopathen-ohne-grenzen-schlechte-verlierer/

    (3) http://diegoerelebt.wordpress.com/2010/04/17/homoeopathen_ohne_grenzen_wikipedia/

  3. Wozu in der Ferne heilen, ist die Not uns doch so nah ……
    Da staunt man schon nicht schlecht von wem man Hilfe entgegen nimmt und diesem Mäzen im Gegenzug zu einer scheinbaren Seriosität verhilft – und das für ein paar lumpige Kröten mit denen diese dann tröten.
    Charity, Scharlatanerie und weitere Poesie findet man hie´:
    http://www.shaman.de/schamane/5537/erloes-aus-benefizveranstaltung-uebergeben/#more-5537
    Wärend uns in Kindertagen „Die Sendung mit der Maus“ die Welt erklärte folgen einige Unbelehrbare heute „Lutz´ Wilde(r) Physik“, und zwar hier:
    http://www.shaman.de/schamane/unsere-dozenten/lutz-wilde/
    Der letzte Skeptiker wird verzweifeln.

  4. Nachtrag: HoG / Elisabeth von Wedel

    Wie ich vor wenigen Tagen feststellen konnte, führt die 1. Voraitzende des Homöopathenvereins in ihrer Selbstdarstellung (1) den akademischen Titel „Master of Science“, erworben im Fach „Homeopathy“ (2) an der „University of Central Lancashire – UCLAN“ mit Sitz in Preston.

    Abgesehen davon, dass die UCLAN mit ihrem akademischen Abschlüssen für Quacksalberei zumindest im Heimatland massiv in die Kritik geraten ist, stellt sich natürlich die Frage, ob sich der „M.Sc. Homeopathy“ mit den deutschen Hochschulgesetzen vereinbaren lässt.

    (1) http://www.homoeopathie-von-wedel.de/
    (2) per E-Learning

  5. Auf der Tagesschau-Webseite gibt es eine Umfrage zum vorgeschlagenen Verbot der Erstattung für Homöopathie durch Krankenkassen.

    Ich rufe ausdrücklich *nicht* zur Teilnahme auf, obwohl das möglicherweise die Homöopathie-Freunde bereits getan haben.

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