Nachdem Holger von Rybinski und Constantin Sluka hier in die Geheimnisse der feinstofflichen Bettwäsche eingeweiht wurden, machen sie nun Bekanntschaft mit Pyramiden, Tachyonen und Quanten-Transformation:
So kurzweilig die Einlassungen der teilweise kabarettreifen Aussteller waren, langsam schwirrte uns der Kopf. Gut, dass uns die nächste Dame auf Englisch ansprach, da konnten wir zeigen, dass wir ähnlich weltoffen sind wie die Anbieter aus aller Herren Länder. Ok, ich wusste nichts vom „Gnostic Movement“, für das mich die Dame gewinnen wollte, dafür wurde ich zum dritten Mal gefragt, ob ich nicht noch einmal wiederkommen wollte, es gebe in den nächsten Tagen Vorträge und Informationen zu den Internet-Kursen (admission is free, donations are welcome). Danach ist man u.a. zu Astralreisen fähig, immerhin.
Nach so viel Geist erschien uns der über 100 Euro teure Elektrosmog Indikator (sic!) erfrischend bodenständig wie der Gipfel der Seriosität, misst er doch nur „elektrische und magnetische Wechselfelder sowie hochfrequente Strahlungen“ (magnetic, electric, hf wave).
Muss ich noch erwähnen, dass auch Pyramiden angeboten wurden? Die Anzahl der Pyramiden, die man an seinem Wohnort braucht, ergibt sich aus dem Maße, in dem man die heilende Pyramidenenergie spüren kann (so haben wir es verstanden). Um das Gespräch abzukürzen, log ich, ich sei Techniker, ich sei aber wirklich fasziniert. Als Qualitätssiegel dienten Bilder von einem Auftritt in einer alten Sendung mit Jürgen Fliege.
Wenig später hatte der Physik-Student Constantin Sluka endlich den Stand gefunden, der ihn am meisten interessierte: „Tachyonen-Energie – Quelle für mehr Lebensenergie und Harmonie!“ Die Tachyon-Produkte sollen dem Menschen Energie zuführen, Störquellen harmonisieren und Lebensmittel energetisieren. Die Gegenstände werden dabei angeblich in einem 14-tägigen Prozess auf subatomarer Ebene so ausgerichtet, dass sie eine dauerhafte Antenne für Tachyonen (= Lebensenergie) werden. „Was ist denn der Unterschied zwischen atomar und subatomar?“ – „Keine Ahnung, aber irgendwie eben noch tiefer!“ Dafür zeigte uns die Betreuerin des Verkaufsstands, eigentlich am Nebenstand tätig, ihren eigenen Tachyonen-Gürtel, für den sie vor einigen Jahren 300 Euro gezahlt habe. Jetzt kriegt man den schon für 225 Euro, ein Schnäppchen mithin. Vor allem ihre Arthrose habe sich gebessert. Immerhin gehe die Strahlung selbst durch Bleiwände. Auf unsere Frage an die Dame am Stand, was denn passiere, wenn man zwei Tachyonenstrahler gegenüberstelle, erfuhren wir, dass sich die Energie dann verstärkt. Die Energie sei so stark, dass man Tachyonenstrahler (im beschriebenen Fall ein Stück Latex, es gibt sie auch in Form von Siliziumscheiben, ferner energetisierte Nahrungsergänzungsmittel) auch zerschnipseln könne. Sie selbst habe sich so einen Gürtel gebastelt.
Generell scheint sich ein Trend fortzusetzen: Ein Großteil der angebotenen Produkte bietet Schutz vor Gefahren, deren Existenz nur schwer nachweisbar ist (Erdstrahlen, Elektrosmog, diffuse Energiefelder).
Sehr viele Anbieter präsentierten Geräte, die trotz ihrer technisch klingenden Namen keine Elektronik beinhalteten (wie die Abschirmringe gegen Handy-Strahlung). Bereits bekannt waren uns kleine Stofftaschen, die angeblich Handy-Strahlung abschirmten. Allerdings haben die Produzenten offenbar auf die Kritik reagiert, dass ein derart abgeschirmtes Handy keinen Empfang mehr haben dürfte. Die nun auf der Messe präsentierten Taschen ließen auf einer Seite eine Öffnung, nach dem Motto „Voller Empfang und 99 Prozent Abschirmung auf der dem Kopf zugewandten Seite“.
Langsam entkräftet, mit Informationen aus einer anderen Wirklichkeit zugeschüttet, schleppten wir uns in den ersten Stock, wo noch etliche Wahrsager unser Kommen ahnten. Eine wegen ihrer Unaufdringlichkeit reizende Heilerin aus Herrsching erzählte uns von ihrer Methode, mit Quanten-Transformation Blockaden zu lösen. „Wissen Sie, was Verschränkung ist?“ – „Nein, was soll das sein?“ Constantin wollte nun doch genauer wissen, was das Quantenfeld denn sei, mit dem unsere Zellen angeblich in Verbindung stehen. Für sie seien das die Engel. Ihre Interpretation des Welle-Teilchen-Dualismus: Man könne mit den Gedanken die Quanten verändern. Ferner mache sie auch Aufstellungen, allerdings nicht nach Hellinger, der sei schließlich schon 80 und nicht mehr ganz aktuell.
Bevor ich noch erkunden konnte, warum eine andere Wahrsagerin mit meterhohen Elvis-Plakaten warb (sie sprach gerade mit einer Klientin), drängte der auch schon ziemlich erschöpfte Mitskeptiker Constantin zum Aufbruch. Ist auch egal. Das Schöne an Elvis ist, dass man seinen Geist auch unter uns wähnen kann, ohne Esoteriker zu sein.
3. Mai 2010 um 19:25
Eigentlich macht es ja keinen Sinn, dazu überhaupt etwas zu sagen. Außer vielleicht: Aua!
3. November 2010 um 17:50
Brüllvorlachen.
Taychonenenergie, Aura Cleaner… Kreativ sind diese Leute ja, dass muß man denen lassen. Ich vermisse den Gluonenhemmer, der die Vacuumenergie neutralisiert mit einem eingebauten Pendel um die durch die Casimierkraft ausgelösten Anziehungen zu kompensieren.
nochmals danke für diesen wunderbaren Einblick in die Welt des Schwachsinns.