Wenn man mal wieder einen Film sehen möchte mit Schauspielern, die an einer Provinzbühne nicht mal den Beleuchtern das Frühstück machen dürften, ist „Jurassic Park“ eine ganz gute Wahl (am heutigen 25. Dezember um 20.15 Uhr bei AXN).
„Lobenswert darf vor allem der Versuch genannt werden, Gedankenanstöße wissenschaftlicher und ethischer Natur vermitteln zu wollen“,
heißt es zu dem Dino-Mist in einer Web-Rezension. Du meine Güte.
1993, zum Filmstart, verhedderten sich die Kritiker tatsächlich in tief schürfenden Analysen über die „Vertierung“ unserer Gesellschaft und den „Untergang des Gemeinwesens durch die Invasion gewalttätig-anarchistischer Elemente„. So einen Blödsinn schrieben die Zeitungen damals allen Ernstes. Und selbst den Experten von Cinema deuchten die Spielberg’schen Pixel-Kriechtiere als „Fleisch gewordene Mahnung vor den Exzessen der Gen-Technologie“. Stöhn! Echs!
Wirklich interessant an den 123 Filmminuten erschien mir damals schon bei der Mitternachts-Premiere im Berliner Zoo-Palast (ja, ich war dabei – leider) eher ein Randaspekt: Stimmt es, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings einen Wirbelsturm auslösen kann? Mit dieser Schmonzette versucht Jeff Goldblum als leicht chaotischer Chaos-Forscher die enervierende Laura Dern zu beeindrucken.
Und in der Tat entfaltet der „Schmetterlings-Effekt“ eine so ungewöhnliche Suggestivkraft, dass er sogar in der Werbung verwendet wird.
Der bildhafte Vergleich geht zurück auf den US-amerikanischen Meteorologen Edward Lorenz, der 1979 bei einem Vortrag über die mangelhafte Exaktheit von Wettervorhersagen seine Kollegen fragte:
„Kann der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Wirbelsturm in Texas auslösen?“
Lorenz meinte damit eigentlich nur, dass eine kleine Veränderung in einem dynamischen System einen ungeahnt großen Effekt zeitigen kann. Der Schmetterlings-Effekt ist also mehr machtvolle Metapher als wissenschaftliche Tatsache: „Im Prinzip“ möglich, praktisch aber eigentlich doch nicht.
Veranschaulichen kann man den Schmetterlingseffekt an Alltagsbeispielen. Wenn man etwa einen Fußball und einen Würfel miteinander vergleicht. Mit etwas Übung kann man den Ball relativ sicher im Tor unterbringen, doch mit einem Würfel gezielt eine bestimmte Zahl zu würfeln, gelingt selbst nach langem Üben nicht.
Der Unterschied liegt darin, wie die beiden Systeme „Fußball“ und „Würfeltisch“ auf kleine Störungen von außen reagieren. Zwar hängt die Bahn des Fußballs von der Kraft und Richtung des Tritts ab, den er bekommt, von der Windgeschwindigkeit und vielem mehr. Ein leichter Windstoß oder ein kaum wahrnehmbares Muskelzucken im Fuß des Spielers bringen den Ball jedoch allenfalls ein ganz klein wenig von der Bahn ab. Ein Tor läst sich so trotzdem erzielen.
Beim Würfel dagegen führt jedes winzige Muskelzucken, jede mikroskopische Unebenheit des Tisches dazu, dass sich der Würfel anders dreht – und das genügt schon, um aus einer erhofften 6 eine 4 zu machen und das gewünschte Ergebnis völlig zu verändern.
Physikalisch ausgedrückt: Die Bahn des Fußballs ist ein so genanntes lineares Problem – hier haben kleine Störungen bloß kleine Auswirkungen.
Der Wurf des Würfels ist nichtlinear – winzige Störungen genügen, um die Entwicklung des Systems völlig zu verändern. Eine Eigenschaft, die oft als „chaotisch“ bezeichnet wird. Doch „Chaos“ bedeutet nicht (wie im ursprünglichen Wortsinn dieses griechischen Begriffs) eine völlige Unordnung oder Regellosigkeit. Vielmehr folgen nichtlineare Systeme ebenfalls den Naturgesetzen und wären im Prinzip auch vorhersehbar, wenn man alle Einflussfaktoren mit ausreichender Genauigkeit messen könnte.
Doch in der Praxis wird das niemals möglich sein. Und das macht „chaotische“ oder „nichtlineare“ Vorgänge unvorhersehbar.
Wie ist es nun mit dem Wetter und dem Schmetterling? Grundsätzlich verhält sich auch das Wetter nichtlinear – seine Entwicklung hängt von kleinsten Störfaktoren ab. Deshalb war es auch ein Meteorologe, dem das chaotische Verhalten nichtlinearer Systeme besonders aufgefallen ist.
Und der diese Beobachtung in dem Bild vom flügelschlagenden Schmetterling unsterblich machte.
Zum Weiterlesen:
- Bernd Harder: Warum Krokodile nur bei Gewitter Sex haben: … und weitere neue Rätsel des Alltags.
25. Dezember 2009 um 11:15
Also grundsätzlich ist das schön, daß das mal gesagt wird. Vor allem die Überbewertung der Aussagen in Hollywood Popcorn Filmen ist doch sehr lästig. Aber die Aussage zu den Schauspieler im ersten Absatz stößt mir wiederum sauer auf. Da sind schon ein paar Flachzangen dabei, aber Laura Dern und Sam Neill da mit einzuordnen ist einfach nur falsch !
30. Dezember 2009 um 13:53
Schöner Beitrag! Aber meinem Vorredner muss ich zustimmen: Sam Neill spielt seine Rolle gut. Gerade weil er als B-Movie-Darsteller keinen typischen Helden spielen kann, wirkt seine Figur im Film authentisch, wie ein echter Paläonthologe. Die Rolle von Jeff Goldblum fand ich auch immer sehr schräg, allerdings mehr lustig als nervig, weil Herr Goldblum ja auch ein ziemlicher Kasper ist. Trotzdem, wenn die ganze Weisheit eines Mathematikers nur aus dem Schmetterlingseffekt besteht, wirft das ein sehr schlechtes Licht auf das Drehbuch.
31. Dezember 2009 um 13:23
Sehr schöne und verständliche Darstellung und Einordnung des Schmetterlings-Effekts im zweiten Teil. Eine so ungelenke („Stöhn! Echs!“??) Schmähkritik benötigt diese als Aufhänger gar nicht. Wer Unterhaltung an ihrer wissenschaftlichen Korrektheit misst, beschwert sich vermutlich auch im Schwimmbad über das fehlende Fünf-Gänge-Menü :)
Frohes Neues übrigens!
4. Januar 2010 um 12:47
Ich habe mir Jurassic Park (zu) oft angesehen, einfach weil ich damals von den Animationen so begeistert war. Wenn ich mir den Film heute ansehe (muss), dann bin ich jedesmal von den schlechten schauspielerischen Leistungen enttäuscht. Die sind ja sowas von mies!
Ich kann also den Eingangskommentar voll und ganz unterstützen! ;)