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Die Karte des Piri Reis: das ewige Spekulationsobjekt

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Chip/Focus/Huffington Post kramen mal wieder die Karte des Piri Reis hervor.

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Angeblich zeigt die Karte, die vermutlich 1513 in Istanbul angefertigt und erst 1929 in der osmanischen Palastbibliothek wiedergefunden wurde, die eisfreie Antarktis – was einigermaßen verblüffend wäre, denn

  • die Antarktis wurde erst 1820 offiziell entdeckt
  • die geographischen Details stimmen anscheinend genau mit dem Küstenverlauf vor der Vergletscherung des antarktischen Kontinents etwa 4000 v. Chr. überein.

Admiral Piri Reis müsste demnach eine eisfreie Antarktis vor Augen gehabt haben, was wiederum bedeuten würde, dass er seine Kenntnisse von den Seekarten einer frühen, untergegangenen Hochkultur kopiert hat.

Das jedenfalls ist die Interpretation, die Focus-Online nur andeutet, aber von Protagonisten der „alternativen Geschichtsforschung“ ernsthaft vertreten wird.

Insbesondere Charles H. Hapgood und Graham Hancock, aber auch Erich von Däniken berufen sich in Büchern wie „Die Weltkarten der alten Seefahrer – Die Entdeckung der Antarktis vor 6000 Jahren und Amerikas vor Kolumbus“ oder „Die Spur der Götter“ auf die Karte des Piri Reis, um Spekulationen über eine versunkene Superzivilisation in den vormals eisfreien Gebieten der Antarktis zu befeuern.

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Aber zeigt die Piri-Reis-Zeichnung aus dem Jahr 1513 wirklich die eisfreie Antarktis-Küste?

Mittlerweile existiert nur noch ein Fragment der Karte.

Was man darauf sieht, ist eine seltsame Verlängerung der Atlantikküste Südamerikas südlich von Brasilien, die sich ostwärts, Richtung Afrika, fortzusetzen scheint. Die kühne Annahme, dabei handele es sich um einen Teil der antarktischen Küste, ist eine Interpretation Hapgoods.

Heute gehen Wissenschaftler davon aus, dass es sich bei diesem „Appendix“ Südamerikas um eine rein grafische Phantasie handelt beziehungsweise um den fiktiven Südkontinent „Terra australis incognita“, den mittelalterliche Kartographen in ihre Weltkarten eintrugen.

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Außerdem:

 Die ursprüngliche Form des antarktischen Kontinents enthüllt sich nicht, indem man einfach das Eis wegdenkt“,

wendet der Archäologe Nick Thorpe vom King Alfred’s College in Winchester ein:

Die Millionen Tonnen schwere Last des Eises presste die Erdkruste erheblich zusammen. Die Küstenlinie hat vorher ganz anders ausgesehen, als sie sich nun unter dem Eis darbietet. Die küstennahen Inseln, die Hapgood mit denen auf Piri Reis’ Karte gleichsetzt, müssten somit verschwunden sein.

Betrachtet man die Karte unvoreingenommen, dann entsprechen die geheimnisvollen Inseln genau den Falklands.“

Auch Hapgoods Modell der äußeren Erdkruste, die sich „gelegentlich verschiebt und über den weichen Erdmantel gleitet wie die gelöste Schale einer Apfelsine über die Frucht“, gilt durch die Kontinentaldrifttheorie als widerlegt.

Und Indizien für eine weltweite Flut oder andere gewaltige Katastrophen wie etwa einen „Polsprung“ mit „Erdkrustenverschiebung“ um 12000 v. Chr. – wie Hapgood den Untergang seines antiken Seefahrervolks erklärt – gibt es auch nicht.

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