Anscheinend ist sich Die Welt für nichts mehr zu schade.
Heute beglückt uns das vorgebliche „Qualitätsblatt“ mit einem unkommentierten autobiografischen Rückblick des Ex-Playboys und Mathematikers Gunter Sachs auf seine vergilbte „Akte Astrologie“ von 1997. Und noch heute ist Sachs felsenfest davon überzeugt:
Mit den Auswertungen der „Akte Astrologie“ und den weiterführenden Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass ein Einfluss der Sternzeichen existiert.“
Nun ja, gegen Altersstarrsinn kämpfen selbst die Götter vergebens, möchte man frei nach Schiller entgegnen.
Dass nicht einmal der Deutsche Astrologenverband Sachs „Millionen geprüfter Daten“ ernst nimmt, scheint den Mann ebenso wenig zu irritieren, wie ihn seine zahlreichen anderen Kritiker stören, die ihm wahlweise „wissenschaftlichen Dilettantismus“, „Irrelevanz“ und vieles mehr bescheinigen – obwohl dies alles sehr deutlich gegen Sachs nunmehrige Behauptung spricht, sein Buch gehöre „heute zur Referenzliteratur wissenschaftlicher Astrologieforschung“.
Aber gehen wir der Reihe nach.
Sachs will mit seiner Arbeit den Nachweis eines Zusammenhangs zwischen dem Tierkreiszeichen eines Menschen und dessen Verhalten erbracht haben. Eine Astrobuchreihe war sein erstes Untersuchungsobjekt. Jedem „Sternzeichen“ ist in dieser Buchreihe ein einzelner Band gewidmet. Und tatsächlich stellt der prominente Lebemann fest, dass sich die Verkaufszahlen der einzelnen „Sternzeichen“ stark unterscheiden.
Beispielsweise wurde das Buch für den „Zwilling“ seltener verkauft, als der Bevölkerungsanteil der Zwillinge (21. Mai bis 21. Juni) es erwarten ließe. Das ist aber mitnichten ein Beweis für das geringe Interesse von „Zwillingen“ an Astrologie. Betrachtet man nämlich die Verkaufsstatistik der Astrobuchreihe genauer, stellt man fest, dass es zwei augenfällige Abweichungen vom Durchschnitt gibt: nach unten etwa in der Jahresmitte und nach oben etwa im Herbst.
Denkbar ist zum Beispiel, dass das Verlegenheitsgeschenk zum Geburtstag des Partners/der Partnerin in der dunklen Jahreszeit eher ein Astro-Büchlein ist, während im beginnenden Sommer zum Reiseführer oder Strandschmöker gegriffen wird. (Zit. nach Konrad Schlude)
Und so „ungezügelt kausal“ (Prof. Herbert Basler) geht es in der „Akte Astrologie“ weiter.
Neun Bereiche nahm Sachs astrologisch unter die Lupe: Heiraten, Scheidungen, Alleinleben, Krankheiten, Selbstmorde, Studium, Beruf, Straftaten und Autofahren. Und in jeder Sparte ergaben sich bei dem einen oder anderen Tierkreiszeichen scheinbar auffällige („signifikante“) Zusammenhänge.
So heiraten etwa Wassermann-Frauen besonders häufig Wassermann-Männer. Fische werden gerne Lehrer. Und Steinböcke handeln mit Drogen oder werden Maurer. Allerdings verwechselte Sachs in seiner Interpreation schlicht Signifikanzen mit ursächlichen Zusammenhängen.
Ganz simples Beispiel: Ohne großen Aufwand könnte man statistisch „beweisen“, dass eine Glatze das Einkommen verbessert. In Wahrheit haben Höherverdiener häufig schon ein höheres Lebensalter erreicht – und neigen daher eher zur Kahlköpfigkeit.
Oder der Klassiker: Wenn die Geburtenrate in einem Lande steigt und gleichzeitig die Storchenpopulation wächst, ist dies noch kein Beweis, dass beides miteinander zu tun hat – es kann eben auch Zufall sein.
Oder auch planvolle Absicht: Landwirte werden nach Sachs Erhebungen überzufällig oft als „Schütze“, „Steinbock“, „Wassermann“, „Fische“ oder „Widder“ (also von Ende November bis Ende April) geboren, hochsignifikant selten hingegen als „Stier“, „Zwilling“, „Krebs“, „Löwe“, „Jungfrau“ oder „Waage“ (also von Ende April bis Ende Oktober). Kosmische Reize?
Oder vielleicht doch nur eine sinnvolle Geburtenplanung? Denn die Landwirtschaft muss sich an den Zyklen der Natur ausrichten, und somit ist die „richtige“ Zeit, um Kinder zu bekommen, eher der ruhige Winter als der arbeitsintensive Sommer.
Noch immer beharrt Sachs indessen vehement auf der „Genauigkeit der angewendeten Verfahren“ sowie der „korrekten Interpretation der Ergebnisse“. Ersteres mag stimmen – Letzteres ist definitiv falsch.
Bei Sachs‘ Studien handelt es sich nicht primär um ein mathematisches, sondern um ein soziologisches Problem. Letztendlich geht es um die Frage, was wir über unsere Gesellschaft wissen und ob aus diesem Grund nicht zu erwarten ist, dass bei den Statistiken in „Die Akte Astrologie“ solche Signifikanzen auftreten.
Signifikant heißt ja nur, dass die Erklärung ,Zufall‘ weitgehend ausgeschlossen werden kann. Was Sachs macht, ist im Wesentlichen nur, die Hypothese ,Zufall‘ zu verwerfen und daraufhin die Hypothese ,Astrologie‘ als richtig zu suggerieren“,
analysierte damals der Soziologe Dr. Edgar Wunder. Die zahlreichen Alternativerklärungen übersehe Sachs dagegen fast alle.
Außerdem, erklärte Wunder weiter, begünstigen die auf den ersten Blick vorteilhaft erscheinenden besonders großen Stichproben sogenannte „Dreckeffekte“, also zufällige, nicht interpretierbare Abweichungen. So ergab die nach Geburtsdaten aufgeschlüsselte Unfallstatistik einer anderen als der von Sachs gewählten Versicherung eine völlig andere Häufigkeitsverteilung.
Details zu diesem Punkt führt Klaudia Einhorn aus („Was Sie in Astrologiebüchern nicht finden werden“):
Von einer britischen Versicherungsgesellschaft (Accident and Insurance Management Company) erhielt Sachs die Daten von über 25 000 Kfz-Schadensfällen aus dem Jahr 1996. Die Bezugspopulation wurde aus den Geburtszahlen der Jahre 1938 bis 1978 errechnet. Sachs zufolge produziert der Stier mit +13,72 Prozent über dem Erwartungswert die meisten Schäden. Erstaunlicherweise kam eine andere, ebenfalls britische Versicherungsgesellschaft (Hill House Hammond) zu völlig anderen Ergebnissen.
Sie untersuchte den Zeitraum von 1988 bis 1992. Das Ergebnis: Die Schütze-Geborenen schneiden dabei am schlechtesten ab. Ihre Schadenshäufigkeit liegt mit +19,3 Prozent weit über dem Durchschnitt. Und die Unfallbilanz der Stiergeborenen (laut Sachs die schlechtesten Autofahrer) liegt hier um 29,8 Prozent unter dem Schnitt. Eine weitere vom Westdeutschen Rundfunk initiierte und von der LVM-Versicherung durchgeführte Untersuchung konnte gar keine bedeutsamen Abweichungen zwischen Schadensfällen und Tierkreiszeichen nachweisen.“
Sachs ficht das nicht weiter an. „Ergo hatte ich in meinem Buch das erste Mal nachgewiesen, dass die Astrologie existent ist und keine Kaffeesatz–Verweisung“, klopft er sich bei Welt-Online selbst auf die Brust. Und droht „weitere Untersuchungen“ in den kommenden Jahren an:
Das Wichtigste in unserer Forschung ist nach wie vor, kontinuierlich neue Daten zu bekommen, um deren Wirkungen und Auswirkungen untersuchen zu können.“
Völlig unnötig, Herr Sachs. Das haben die beiden Wiener Psychologen und GWUP-Mitglieder Ivo Ponocny und Elisabeth Ponocny-Seliger gerade erst getan – und damit die „Akte Astrologie“ ein weiteres Mal ad absurdum geführt.
Alles über ihre „Akte Astrologie Österreich“ kann man im GWUP-Blog oder bei unseren News oder ausführlich im Skeptiker (4/2009) nachlesen.
Zum Weiterlesen:
- Die „Akte Astrologie“ von Gunter Sachs aus Sicht der mathematischen Statistik, Skeptiker 3/1998
- „Die Akte Astrologie“, Rezension von Konrad Schlude in Skeptiker 1/1998
- Zur Begründung der Astrologie, Astrodicticum simplex am 18. Juli 2010
- Streitfall Astrologie, Focus vom 21. Juli 1997
- Das Horoskop der Horoskope, Astrodicticum simplex am 20. Januar 2011
- Der doppelte Astrobernd, Wahrsagerchecks Blog am 19. Januar 2011
8. Januar 2011 um 15:30
Also WeltOnline sollte wirklich langsam aufpassen, die haben zwar auch gute Artikel, aber das ist nun schon der zweite Schrottartikel innerhalb weniger Tage. Die wollen es sicherlich allen recht machen, aber wer mit solchen Kamellen noch auftritt, darf sich nicht wundern, wenn man Welt.de bald als Käseblatt abstempelt.
Ansonsten noch ein Lesetipp:
http://homepage.univie.ac.at/andreas.hergovich/php/Buecher1.htm