Mal wieder nette Dreharbeiten für „Welt der Wunder“ gehabt, diesmal an belebten Plätzen in der Münchner Innenstadt. Thema „Wandersagen“ und „Urband Legends“, Sendetermin wahrscheinlich am 25. April. Im Pausengespräch ging es unter anderem um die Frage, ob es eigentlich „Die Katze in der Mikrowelle“ und den „McDonald’s Coffee Spill Case“ wirklich gegeben hat.
Ersteres: nein. Letzteres: ja.
Eine ausführliche Darstellung findet sich zum Beispiel in der Fachzeitschrift Recht der Internationalen Wirtschaft. Allerdings geben die Autoren zu, dass es „äußerst schwierig“ ist, den Verlauf des Coffee Spill Case in vollem Umfang korrekt zu ermitteln, da er im US-Rechtssystem nicht als Präzedenzfall berücksichtigt wird. In den Medien wiederum sei das tatsächliche Geschehen von 1992 „bis zu einem Punkt verfremdet worden, an dem das eigentliche Ereignis entweder nicht mehr von Belang ist oder sich der Kenntnis entzieht“.
Aus diesem Grund sei die verdienstvolle Recherche der beiden Juristen im Folgenden auszugsweise wiedergegeben:
Mrs. Liebeck, die spätere Klägerin, saß auf dem Beifahrersitz im Auto ihres Enkels, in der Hand einen am Drive-Through-Schalter von McDonald’s erworbenen Kaffee haltend.
Als Liebeck den Deckel ihres Kaffees öffnete, um Kaffeesahne und Zucker dazuzugeben, überschüttete sie sich mit Kaffee. Der Kaffeebecher bestand aus Styropor und war nicht besonders stabil. Die Jogginghose, die Liebeck trug, saugte den Kaffee auf. Somit kam dieser in unmittelbaren Kontakt mit ihrer Haut. Dem Befund eines Gefäßchirurgen zufolge erlitt Frau Liebeck Verbrennungen dritten Grades an sechs Prozent ihres Körpers, darunter an den Oberschenkel-Innenseiten, den Leisten, dem Gesäß sowie dem Genitalbereich.
Sie wurde für acht Tage ins Krankenhaus eingewiesen, in deren Verlauf Hauttransplantationen vorgenommen wurden. Infolge der Verbrennungen und der chirurgischen Eingriffe weist Liebeck permanente Narben an mehr als 16 Prozent ihres Körpers auf … Ursprünglich hatte sich Liebeck an McDonald’s zwecks Erstattung der Kosten der medizinischen Behandlung, die zum damaligen Zeitpunkt 11 000 US-Dollar betrugen. McDonald’s machte ein Gegenangebot von 800 Dollar. Nach Abschluss ihrer medizinischen Behandlung konnte Liebeck auf medizinische Rechnungen von 20 000 Dollar verweisen. Sie beschloss, sich einen Anwalt zu nehmen.“
Ein Vermittler empfahl den Parteien einen Vergleich in Höhe von 225 000 Dollar. McDonald’s lehnte ab, es kam zum Prozess. Und dann wurde es kurios: Aus den von den Anwälten vorgelegten Beweisen ging hervor, dass bei McDonald’s der Kaffee auf einer Temperatur von 85 Grad Celsius gehalten wurde – allem Anschein nach eine höhere Temperatur als bei anderen Fastfood-Ketten.
Obwohl die Trinkbecher mit der warnenden Aufschrift „Vorsicht, Inhalt ist heiß!“ versehen waren, lief die Argumentation der Klägerin darauf hinaus, dass Kunden vernünftigerweise in der Lage sein sollten, ihre Erwartungshaltung daran zu orientieren, dass „heiß“ einen Zustand beschreibt, der dem „heiß“ anderer Fastfood-Verkäufer entspricht. Zwar scheint es auf der Hand zu liegen, dass man sich an Kaffee verbrühen kann, doch war nach Auffassung des Gerichts hierbei die Gesamtheit der Umstände zu berücksichtigen. In diesem Kontext waren die folgenden Fakten relevant:
- ob der Kaffee heißer ist als in vergleichbaren Restaurants,
- ob die Trinkbehälter zerbrechlich sind und ob sie für den Umgang mit heißen Substanzen angemessen sind,
- ob sich die Behälter und Deckel gut für ein „Drive-Through“-Umfeld eignen und
- ob sich der Betreiber dessen bewusst ist, dass sein Produkt anderen Verbraucher Schaden zugefügt hat.“
Pech für McDonald’s: Zum Zeitpunkt der Liebeck-Klage hatte das Unternehmen bereits mehr als 700 Beschwerden über zu heißen Kaffee ignoriert. Das sollte man nicht tun, wie wir alle aus „Boston Legal“ wissen. Und so kam es, wie es kommen musste: Als tatsächlichen Schadenersatz erhielt Mrs. Liebeck lediglich 160 000 Dollar – denn die Geschworenen gingen sogar von einer 20-prozentigen Mitschuld der Klägerin aus. Das Gericht sprach ihr jedoch zusätzlich die berüchtigten „punitive damages“ zu – und das waren in erster Instanz 2,7 Millionen Dollar.
McDonald’s ging in Berufung, in der Folge verringerte ein Richter des Court of Appeals die verhängten 2,7 Millionen Dollar an punitive damages auf 480 000 Dollar. Als Liebeck drohte, den Fall auf der nächst höheren Instanz neu verhandeln zu lassen, einigten sich beide Parteien auf die Zahlung eines Geldbetrages in bis heute unbekannter Höhe (Experten gehen von weniger als 600 000 Dollar aus).
So war das also damals.
9. April 2010 um 19:38
na ba ich hol mir jetz erstma nen kaffee bei mc`es