Ein Artikel von Michael Vosatka im Standard vom 18.01. gibt ein Beispiel dafür, dass auch die Geisteswissenschaften nicht vor der Gefahr von ‚Fake News‘ gefeit sind. Geschichtliche Quellen bedürfen eines sachlichen und fachgerechten Umgangs; andernfalls besteht die Gefahr einer „Umdeutung der Vergangenheit.“
Aufhänger für diesen Artikel war die Dissertation einer Doktorandin an der Paris-Lodron-Universität Salzburg, die aus einer rechtswissenschaftlichen Perspektive die Auflösung der Tempelritter durch Papst Clemens V. aus dem Jahr 1312 untersucht. Vosatka schreibt:
Im vergangenen November erklärte die Salzburger Paris-Lodron-Universität in einer sensationalistischen Aussendung, die Auflösung des Templerordens sei „ungültig“. Dies habe eine Dissertantin der rechtswissenschaftlichen Fakultät herausgefunden. An der Salzburger Universität hat der italienische Rechtshistoriker Daniele Mattiangeli das „Salzburg International Templar Studies Network“ ins Leben gerufen. Diese „historische Rekonstruktion“ des päpstlichen Rechtsakts „könnte die rechtliche Stellung des Templerordens wiederherstellen und der Papst den Orden rehabilitieren“, werden die Dissertantin und ihr Betreuer in der Aussendung zitiert.
Andreas Zajic, Mittelalterforscher der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), setzt sich für einen sorgsamen und „fachlich korrekte[n] Umgang mit geschichtlichen Quellen“ ein. Der Autor des Artikels schreibt zu Zajics Kritik:
Er ortet grundlegende Missverständnisse über Urkunden und ihre äußeren und inneren Merkmale und grobe Fehler bei der Transkription lateinischer Texte in spätgotischen Schriften. Dies zeige die fehlende Expertise im Umgang mit den Quellen.
Peter Becker vom Institut für Österreichische Geschichtsforschung (IÖG) sieht es ähnlich. Im Artikel steht:
Der Versuch, nur eine Bestätigung für die eigenen Hypothesen zu finden, stehe im Gegensatz zu einem professionellen Umgang mit Quellen. Becker zitiert diesbezüglich den Bielefelder Geschichtstheoretiker Reinhart Koselleck, der vom „Vetorecht der Quellen“ sprach. Historische Quellen seien eben kein Steinbruch für politisch oder ideologisch motivierte Argumentationen, sagt Becker. Ihre adäquate Interpretation erfordert ein hohes Maß an technischer Kompetenz und historischem Wissen – und einen letztlich ergebnisoffenen Zugang. Nur dann können sie neue historische Erkenntnisse vermitteln.
Der Artikel von Vosatka bietet weitere Hintergründe zum Thema, z. B. geht er auf Mattiangelis Netzwerk ein und gibt Einblicke in einen ‚mysteriösen‘ Keller eines Bürgerhauses der Stadt Klosterneuburg, der mit der Templerthematik in Verbindung steht (Teaser: Es wird reptiloid und außerirdisch!).
Zum Thema:
- Artikel: Freitag, der 13., die Templer und die alten Märchen, GWUP-Blog vom 13.11.2009
- Artikel: Die Angst vor Freitag, dem 13. und die Templer von heute, GWUP-Blog vom 12.10.2023
- Interview: Freitag, der 13. und die Auflösung des Templerordens (mit Dr. Stephan Bachter), Skeptiker 3-4/2007
Hinweis:
Wenn ihr noch nicht im Skeptischen Netzwerk angemeldet seid, möchten wir Euch herzlich dazu einladen. Dort finden GWUP-Mitglieder und Interessierte eine Plattform für Diskussionen und Austausch rund um skeptische Themen: https://skeptisches-netzwerk.de/.
25. Januar 2025 um 00:00
Sehr interessant! Ja, Bestätigungsforschung ist – mit Ausnahmen – in Zeiten des Falsifikationsprinzips eben eine (un)wissenschaftliche Todsünde …
Die Templer sind bis heute Gegenstand vielfacher Spekulationen, seltsamer Exegeten, vorgeblicher Nachfolgeorden und ständiger Versuche, den Vatikan zur öffentlichen Rehabilitierung des damaligen Templerordens zu bewegen. (Ob das womöglich mit dem Gedanken einer dann allfälligen Restitution des gewaltigen Templervermögens verbunden sein könnte?) Vor diesem Hintergrund dürfte sicher auch die kritisierte Dissertation zu sehen sein.
Und einen FunFact zu dieser Story gibt es auch noch: 2005 legte der Großmeister des Potsdamer Ordens „Supremus Ordo Militaris Equitum Teutonicorum“ (der sich als Ableger des alten Templerordens versteht) ein vatikanisches Schreiben vor, wonach Papst Benedikt XVI. die Templer rehabilitiert haben sollte. Das wäre natürlich ein echter Knaller gewesen! Nur leider teilte die Apostolische Nuntiatur in der Bundesrepublik mit, dass es sich nach Rücksprache mit dem Vatikan um eine Fälschung handele …
Die Nuntiatur hat es dabei nicht belassen, sondern den Großmeister wegen diverser Fälschungsvergehen angezeigt. Der Großmeister war not amused und wies alle Vorwürfe zurück, wobei er gleichzeitig alle Templer-Splitterorganisationen dazu aufrief, sich mit seinem Ableger zu vereinigen. Na dann.
Bei so einem Kontext ist es doppelt und dreifach unverzeihlich, wenn in einer Dissertation (!), also mit einem hohen wissenschaftlichen Anspruch, Bestätigungsforschung und schlampige Quellenarbeit betrieben wird.