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Arbeiter zu Anthroposophen? Eine neue Studie zu Esoterik und sozialer Schichtung

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Der „typische“ Esoteriker?

Viele der Nutzer von esoterischen Angeboten entstammen der bürgerlichen Mittelschicht. Es sind vorrangig Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren, die über einen entsprechenden Bildungsgrad verfügen, die aber auch finanziell dazu in der Lage sind, solche Angebote in Anspruch zu nehmen und eben auch entsprechend über Zeit verfügen. Manche Kritiker sprechen sogar im Blick auf die Esoterik von einem modernen Bildungsaberglauben,

sagte der Religionswissenschaftler Prof. Hartmut Zinser 2010.

Stimmt das noch?

Es kommt darauf an – schreibt der Soziologe Prof. Daniel Lois von der Universität der Bundeswehr München in einer aktuellen Studie.

Lois unterscheidet zwischen „traditionell spirituellen“ und „populär spirituellen“ Menschen.

  • Traditionell Spirituelle

stünden den Bereichen „Aberglauben und Magie“ nahe und seien klar im unteren sozialen Schichtspektrum zu verorten. Möglicherweise hat das etwas mit Unsicherheiten, dem Ausschlusses von realer gesellschaftlicher Macht und Kontrollbedürfnis zu tun.

  • Populär Spirituelle

neigten Bereichen wie Esoterik, Mystik, Paramedizin, New Age, Zen, Anthroposophie zu und wiesen die höchste soziale Schichtposition aller religiösen Typen auf:

Ihren Bedürfnissen nach Selbstverwirklichung entsprechend, suchen sie sich selbstbestimmt passende Angebote alternativer Religiositätsformate […] Zudem scheinen diese Formen insofern „bildungsaffin“ zu sein, da mit ihnen medizinische oder pädagogische Ziele verfolgt werden (z. B. Anthroposophie, Homöopathie) oder der Geltungsanspruchs wissenschaftlicher Ideen und Erkenntnisse auf jenseitige Fragen ausgeweitet wird

Am Ende wirft Lois die Frage auf, wie lange diese starke soziale Stratifizierung noch zu beobachten sein wird, da die „populär Spirituellen“ ihre soziale Spitzenposition allmählich verlören:

Gerade für den Bereich der Esoterik, Mystik und Paramedizin scheint es so, als seien Angehörige höherer sozialer Schichten in älteren Kohorten die „Pioniere“ dieser alternativen Religiositätsformen gewesen und als komme es nun, im Zuge des allgemeinen Bedeutungsgewinns alternativer Religiosität, zu einer „Diffusion“ in niedrigere soziale Schichten.

Was das genau heißt?

Etwa dass „bald auch Arbeiter zu Anthroposophen werden“, merkt die FAZ dazu an.

Zum Weiterlesen:

  • In welchen sozialen Schichten Esoterik angesagt ist, FAZ am 3. Juni 2024
  • Neu erschienen: „Esoterik in der politischen Bildung“, GWUP-Blog am 21. Juni 2024
  • Wenig Wirkung, viel Psychologie: Esoterik-Kritik bei idowa, GWUP-Blog am 20. Juni 2024

2 Kommentare

  1. Wenn „bald auch Arbeiter zu Anthroposophen werden“, ist die Waldorfschule tot: man will ja unter sich bleiben, und nichts mit dem Pöbel zu tun haben.

    Aber wird nicht passieren, die Bürgerlichen wissen schon, wie sie ihre Privilegien verteidigen. Auch wenn es schon ein sehr spezielles Privileg ist, Bullshit zu glauben.

  2. Selbst wenn Arbeiter zu Anthroposophen werden, wird die Waldorfschule nicht sterben. Dafür gibt es Schulgebühren. Entschuldigung! In Hamburg heißt das Elternbeitrag (€ 200,- monatlich).

    Zur Studie: Die letzten ALLBUS-Daten sind aus 2012. Auf die Daten von 2022 warten wir noch – soviel zur Aktualität der Befragung.

    Für die alternative, also Alternative zum Christentum, Religiosität, hier: traditionelle und populäre Spiritualität, gibt es immer noch keinen (semantisch) guten und statistisch gesicherten Fragenkatalog. Die Systematik hinter den ALLBUS-Fragen erschließt sich mir zumindest nicht.

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