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Feng-Pfui-Affäre in Bamberg: negative Schwingungen

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„Feng-Pfui-Affäre“ in Bamberg, titelt der Fränkische Tag.

Ein „geomantischer Kraftstein aus Granit“, laut der Feng-Shui-Beraterin Hiltrud J. Pornschlegel ein „hypnotisches Auge“, welches „das Chi bündeln und aufgeladen pulsieren lassen“ soll, bewirkt in der fränkischen Stadt genau das Gegenteil: nämlich

… dass die Kräfte im Unternehmen massiv gegeneinander wirken,

schreibt die Lokalzeitung.

„Das Unternehmen“ ist die städtische Wohnungsbaugesellschaft Bamberger Stadtbau GmbH.

Und bei den konträren Kräften handelt es sich um Stadtbau-Chef Veit Bergmann auf der einen und seine Mitarbeiter auf der anderen Seite.

Dabei hat er es ja nur gut gemeint, glossiert die Süddeutsche Zeitung die Provinzposse.

Um sein Team vor allerlei schädlichen Einflüssen zu schützen, ließ Bergmann im Rahmen einer „nicht näher erläuterten“ (SZ) Zeremonie im Keller der Stadtbau GmbH ein „kreisrundes Gebilde mit konzentrischem Strahlenmuster“ installieren – und gleich noch ein zweites Exemplar im Technikgebäude am Schillerplatz.

Kostenpunkt der Aktion des Allgäuer Feng-Shui-Beraters Alexander Geißler inklusive einer geomantischen „Strahlungsuntersuchung“: 70.000 Euro (nach Informationen aus Mitarbeiterkreisen).

Irgendwelche anonymen Kleingeister bei der Stadtbau rechneten daraufhin nach, dass man mit diesem Geld zwei Sozialwohnungen hätte sanieren können. Und nicht einmal eine Weihnachtsfeier habe es letztes Jahr gegeben – weil gespart werden muss.

Etwa um solcherlei Nonsens zu finanzieren?

Aber nicht doch – schließlich gehe es um die Gesundheit der Mitarbeiter und um die „Stabilisierung des Wohlbefindens im Haus“, klagte Bergmann gegenüber dem Fränkischen Tag.

Doch diese lästigen Journalisten schrieben trotzdem einen „Steuergeld-Skandal“ herbei – und trieben sogar noch einen Experten vom Bundesamt für Strahlenschutz auf, der die von Bergmann favorisierte „Gabriel-Methode“ zur Messung und Neutralisierung von Elektrosmog kurzerhand als Quatsch abtat.

Und auch die Lehre von Feng-Shui ist

… wissenschaftlich ungefähr ähnlich gut begründet wie das Bleigießen an Silvester, Kartenlegen oder das keltische Baumhoroskop.

Nach einer Woche Dauerstreit mit Aufsichts- und Stadträten erklärte sich der Stadtbau-Chef bereit, die Kosten für die in den Boden eingelassenen Feng-Shui-Steine privat zu übernehmen – plötzlich nur noch 10.764 Euro.

Über diese nachträgliche Kostenbereinigung muss nun der Aufsichtsrat entscheiden. Aber wie es aussieht, können weder das noch Kraftsteine und Gabriel-Plaketten die massive Kritik abwehren:

Nach Recherchen unserer Zeitung könnten die esoterischen Abenteuer des Geschäftsführers Veit Bergmann bis zu 100.000 Euro gekostet haben,

legte der Fränkische Tag nach.

Jetzt ermittelt sogar die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue.

Der beste Satz in dieser ganzen Geschichte ist aber der Bamberger Feng-Shui-Beraterin Pornschlegel vorbehalten, die sich Sorgen um eine Wirkungsumkehr der Kraftsteine macht:

Die ganze Aufregung. Das schwingt da jetzt mit.

Zum Weiterlesen:

  • Bamberger Stadtbau auf Esoterik-Trip, Fränkischer Tag am 10. August 2023
  • Hokuspokus bei Stadtbau: Das sagt der Strahlen-Experte, Fränkischer Tag am 11. August 2023
  • Feng-Shui-Affäre: Stadtbau-Chef will 10.700 Euro zahlen, Fränkischer Tag am 16. August 2023
  • Feng-Pfui-Affäre in Bamberg weitet sich aus, Fränkischer Tag am 17. August 2023
  • Staatsanwalt ermittelt in der Bamberger Feng-Shui-Affäre, Fränkischer Tag am 18. August 2023
  • Geschäftsführer gibt „Strahlungsuntersuchung“ für 70 000 Euro in Auftrag, Süddeutsche am 17. August 2023
  • Eklat in Bamberg: Stadtbau-Chef lässt teure Feng-Shui-Steine in Büros einbauen – „Gesundheitsschutz“, infranken am 17. August 2023
  • Schloss Friedberg in Bayern: Mit Feng-Shui gegen Hui Buh, GWUP-Blog am 7. April 2015
  • GWUP-Infos: Feng Shui

11 Kommentare

  1. Passend dazu empfehle ich das (leider nur noch gebraucht erhältliche) „Fachbuch“ zur einzig Wahren Wohn Lehre, dem Sheng Fui. Hier gibt es eine nachgewiesen Wirkung.

    Beim Lesen werden alle Muskel aktiviert, die der Mensch zum Grinsen benötigt.

    https://www.amazon.de/Sheng-Fui-Erf%C3%BClltes-Leben-fern%C3%B6stlicher/dp/3551684510

    Eine herrliche Satire auf den Blödsinn in Bamberg.

  2. Als (entsetzter) Bamberger wollte ich euch die Schande weiterleiten. Nicht nötig offenbar, das Netz ist gut überwacht!

  3. Hier kann man die Referenzen von Frau Pornschlegel nachlesen:

    https://fengshui-geo.de/referenzen/

    Einen Mangel an Nachfrage gibt es offenbar nicht. Auch andernorts nicht:

    https://scienceblogs.de/gesundheits-check/2021/09/25/ein-geomantisch-inspirierter-achtsamkeitsweg-in-dachau/

  4. Na großartig.

    Als alter Revisor würde ich auch ganz klar sagen, Amtspflichtverletzung (Verstoß gegen haushalts-, vielleicht auch vergaberechtliche Regeln) und ja, Verdacht auf Untreue im Amt.

    Viel Vergnügen.

    In der Tat ein Provinzposse, aber eben doch bezeichnend. Die Überzeugung des Stadtbauchefs dürfte hinreichend gefestigt gewesen sein, sonst hätte er das wohl nicht riskiert. Und eben das, die verbreitete reale Überzeugung von blankem Unsinn, ist das eigentliche Problem.

    Erinnert fatal an den „Energiekreis“ um den Neubau des Wiener KH Nord für einen Betrag ganz knapp unter der Ausschreibungspflichtgrenze.

    Damals kam noch der Zusatzskandal hinzu, dass nicht einmal ein von der Österreichischen Wirtschaftskammer zertifizierter Energetiker beauftragt wurde, sondern ein zeritifizierungsloser Wald- und Wiesenscharlatan. Einige Leute hat diese Geschichte allerdings doch den Posten gekostet.

  5. Unglaublich.

    Zu diesem Anlass fische ich mal eine schon fast 20 Jahre alte Buchbesprechung des grandiosen Bestsellerfressers Wolfgang Nitschke hervor:

    https://www.wolfgang-nitschke.de/best-of-bestsellerfressen/30

  6. Wie man in den Medien nachlesen kann, wurden die zwei Steine mit Klangschalen „bei einer nicht näher erläuterten Zeremonie“ aktiviert.

    Ich bin ziemlich sicher, man erläutert die Zeromonie nicht näher, weil man vergessen hat, dreimal mit einem geomantisch informierten Pendel gen Osten über die Steine zu gehen. Kein Wunder, wenn da nichts wirkt, das wird jetzt vertuscht.

    Dabei kann man das wieder in Harmonie bringen, wenn man bei Vollmond, wenn die Feen tanzen, Globuli aus den Steinen anfertigt und zusammen mit Granderwasser die Kraftorte an den Gebäuden gießt.

    Den Erfolg kann man natürlich mit einer neuen „Strahlungsmessung“ belegen. Das Geld wird Bamberg doch auch noch aufbringen.

  7. Pingback: Zauberei des tages | Schwerdtfegr (beta)

  8. @Joseph Kuhn:

    Wie man in den Medien nachlesen kann, wurden die zwei Steine mit Klangschalen „bei einer nicht näher erläuterten Zeremonie“ aktiviert.

    Genau, ich darf mal zitieren:

    „Die Steine sollen in einer längeren Zeremonie unter Anwesenheit der Mitarbeiter mit Klangschalen „aktiviert“ worden sein. Gleichzeitig sei ein großer Kristall aufgelegt worden, um die beiden Häuser am Schillerplatz in Schwingung miteinander zu bringen. Von der Zeremonie soll es Videoaufnahmen geben.“

  9. @ Bernd Harder:

    Wenn es Videoaufnahmen der Zeremonie gibt, sollte man diese von Fachleuten der ISfSbFS (die renommierte International Society for Sience based Feng Shui) sichten lassen, für einen Prüfbericht, ob die Aktvierung fachgerecht erfolgt ist.

    Dann kann man vielleicht sogar auf die Globulisierung der Steine verzichten. Gießen mit Granderwasser sollte man aber auf jeden Fall. Bei der Hitze tut das allen Pflanzen gut.

  10. „Mir ging es in erster Linie um die Gesundheit meiner Mitarbeitenden“? „Fehler in der Kommunikation“?

    Ein großes Ego hat er ja, der Herr Veitmann. Was sind das für billige Entschuldigungen dafür, eine vermutlich sechsstellige Summe in den Sand gesetzt zu haben.

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