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Stellengesuche von Ungeimpften als Impfgegner-Kampagne

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Seit der rbb-Redakteur Andreas Rausch mehr als 100 vermeintliche Stellengesuche von angeblich ungeimpften Jobwechslern („von der Krankenschwester über den Altenpfleger bis zur Physiotherapeutin“) in einem Bautzener Anzeigenblatt als Fake entlarvt hat …

… enttarnen zahlreiche Medien bundesweit die vermeintliche „Impfflucht“ aus dem Gesundheitswesen als gezielte Impfgegner-Kampagne.

Zum Beispiel T-Online:

Viele sind Fake, eben ausgedachte Fälle […] Sie laufen seit Anfang Januar koordiniert. Dazu gibt es regen Austausch auf Telegram […] Es geht darum, Aufmerksamkeit zu erregen und Stimmung zu machen.

Oder der NDR:

Unbekannte haben beispielsweise im Kreiszeitung Wochenblatt Dutzende Anzeigen aufgegeben. Die Gewerkschaft ver.di vermutet, dass viele der Anzeigen falsch sind. Offenbar wollten Impfgegner Stimmung gegen eine mögliche Corona-Impfpflicht machen, heißt es vonseiten der Gewerkschaft.

Auch nach Informationen des NDR in Niedersachsen scheint es sich zumindest bei einem Teil um Fake-Anzeigen zu handeln.

„Zum Teil“ heißt: Nicht alle Inserate sind gefälscht.

So hat Zeit-Online nach Stichproben auf dem Portal Impffrei.work „einen Großteil der Anzeigen“ als authentisch eingestuft:

Eine Physiotherapeutin etwa berichtet, sie sei gar keine Impfgegnerin, sie halte eine Impfpflicht im Beruf nur für übertrieben – und suche seit Langem Mitarbeiter. Deshalb habe sie die Anzeige auch auf dem Impfgegner-Portal geschaltet, in der Hoffnung, ein paar geschasste Vakzin-Verweigerer anheuern zu können.

Anders sehe es aber offenbar in den Lokalblättern aus:

Rund ein Viertel der gut 20 Telefonnummern, die die ZEIT überprüfte, führten ins Nichts.

Der FAZ fällt die „Wortgleichheit“ vieler Anzeigen auf. Auch die Kreiszeitung (Niedersachsen) macht auf die „Häufung ähnlich lautender Inserate“ aufmerksam.

Nicht zuletzt deswegen fragt sich das medienkritische Online-Magazin Übermedien, wieso das den Anzeigenabteilungen nicht „komisch“ vorgekommen sei:

Welche Kontrollmechanismen gibt es da überhaupt bei Anzeigen?

Kurze Antwort: wenige.

Geachtet werden muss lediglich darauf, dass Anzeigen keine Rechtsverstöße wie Beleidigungen, Verleumdungen, rassistische oder rechtextreme Aussagen enthalten. Einige Häuser checken zumindest, ob die Telefonnummern echt sind.

Der Fränkische Tag (Bamberg) hat die ungewöhnliche Häufung von rund 50 Anzeigen zudem mit einem redaktionellen Beitrag über die mutmaßliche Kampagne flankiert. Die Redaktion sei zuvor auf einen entsprechenden Aufruf in einer Telegram-Gruppe hingewiesen gemacht worden:

Wer weiß, dass es sich um eine konzertierte Aktion handelt, schaut sich die Seite mit anderen Augen an.

Fazit von Übermedien:

Für die Verlage ist es eine Gratwanderung zwischen Glaubwürdigkeit und Anzeigengeschäft. Und dann ist da noch der tatsächlich existente Personalmangel in Pflegeberufen. Einerseits verschärft die Impfpflicht dieses Problem. Andererseits wird das Problem auch für die Debatte um die Impfpflicht instrumentalisiert.

Aber vor allem geht es darum, dass „Querdenker“ und radikale Impfgegner nicht nur einen konstruktiven öffentlichen Diskurs über Corona-Maßnahmen und Impfpflicht verunmöglichen, sondern jetzt auch noch den Stellenmarkt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitswesen diskreditieren.

Zum Weiterlesen:

  • Stellengesuche ungeimpfter Pflegekräfte führen ins Leere, rbb am 22. Januar 2022
  • Ungeimpfte: Der große Schwindel mit Stellengesuchen, t-online am 24. Januar 2022
  • Fluten Impfgegner Zeitungen mit gefälschten Stellengesuchen? FAZ am 24. Januar 2022
  • Jobbörsen für „Querdenker“: Marktplatz für Impfgegner, Zeit-Online am 26. Januar 2022
  • Suche Aufmerksamkeit, biete Stellenanzeige, übermedien am 27. Januar 2022

7 Kommentare

  1. Das Onlinemagazin heißt „Übermedien“ und nicht „Über Medien“.

  2. „Eine Physiotherapeutin etwa berichtet, sie sei gar keine Impfgegnerin, sie halte eine Impfpflicht im Beruf nur für übertrieben – und suche seit Langem Mitarbeiter. Deshalb habe sie die Anzeige auch auf dem Impfgegner-Portal geschaltet, in der Hoffnung, ein paar geschasste Vakzin-Verweigerer anheuern zu können.“

    So eine ähnliche Argumentation gab es neulich auch bei einer Apotheke, die ebenfalls Ungeimpfte gesucht hat.

    Fällt für mich in die Kategorie „Ich bin ja kein Impfgegner, aber…“

    Wer in einem Gesundheitsberuf gezielt nach Leuten sucht, die offenbar mit der modernen Medizin Probleme hat, disqualifiziert sich meiner Meinung nach für einen Gesundheitsberuf (wenn man mal sowas wie Heilpraktiker und Konsorten außen vor lässt, die ja irgendwie auch zu den Gesundheitsberufen zählen, aber zu deren Berufsbild die Ablehnung von echter Medizin ja dazugehört).

  3. Wie sich Impfgegnerinnen und Impfgegner eine Parallelgesellschaft aufbauen

    Eine Anekdote dazu:

    Mir wurde berichtet, dass ein gewisses Restaurant in Hildesheim schon mehrfach Kontrollebesuche von der Polizei hatte, weil die Hygieneregeln (2G+) nicht umgesetzt werden. Es kam zu Handgreiflichkeiten mit der Besitzerin, u.a. ein Polizist wurde leicht verletzt, so dass eine Anzeige zu erwarten ist.

    Bei der letzten Kontrolle konnte keiner (!) der Gäste (mehr als 10) einen 2Gplus-Nachweis erbringen.

    Dies ist wohl ein passendes Beispiel für die im Artikel beschriebene Parallelgesellchaft.

  4. Zeit im Osten: Impfpflicht im Gesundheitswesen: Der Stichtag von Doreen Reinhard und August Modersohn

    Ab 16. März gilt die Impfpflicht im Gesundheitswesen. Die Ost-Länder befürchten eine Kündigungswelle – und denken über umfassende Ausnahmen nach.

    https://www.zeit.de/2022/06/impfpflicht-gesundheitswesen-pflege-personalmangel-osten/komplettansicht

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