Das Gesicht zur Verschwörungstheorie vom „Großen Austausch“: Spiegel TV hat Renaud Camus auf seiner Burg Château de Plieux in Südfrankreich besucht (zirka fünf Minuten).
Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein netter Onkel aus Frankreich. In Wahrheit liefert Renaud Camus mit seinen rechtsextremen und völkischen Texten den Nährboden für Attentate wie die in Halle oder Christchurch.
Schon in einem Interview mit der Welt hatte Camus empört zurückgewiesen, dass sein Buch „Le grand remplacement“ rassistisch motivierte Massenmörder beeinflusst oder inspiriert haben könnte – gleichwohl das „Manifest“ des Christchurch-Attentäters direkt und sogar namentlich daran anknüpfte:
Auch die sogenannten Manifeste der Attentäter von El Paso und Halle spiegeln Camus‘ Vorlage wider.
Die Welt schreibt dazu:
Mit anderen Worten: Camus fühlt sich missverstanden, falsch oder gar nicht gelesen und hält alle Medien, mit ganz wenigen Ausnahmen, für Teil jener großen Verschwörung der europäischen Elite, deren bewusstes Ziel es sei, Europäer durch Afrikaner, Christen durch Muslime zu ersetzen.
Wer eine Verbindung mit dem Attentat in El Paso oder Christchurch herstelle, bezeuge lediglich die Unkenntnis seines Werkes, in dem das Konzept der „in-nocence“, der „Un-Schuld“, zentral sei. „Nicht schaden“ sei der Kern seines Denkens. 2002 hat er deshalb die Partei der „In-Nocence“ gegründet. Eher Gandhi als Gräuel also.
Tatsache ist allerdings, dass es kaum einen ausführlichen Artikel über den jüngsten amerikanischen Massenmord gibt, der seinen Namen nicht erwähnen würde. Auch in den sozialen Medien wird die Verbindung vielfach hergestellt.
Sind tatsächlich alle schief gewickelt, die die Terroristen vielleicht nicht als willige Vollstrecker seiner Theorie, aber doch als von ihr inspiriert sehen? Nein. Und man darf vermuten, dass Camus diese schlechte Werbung nicht so unangenehm ist, wie er behauptet.
Camus mag Gewalt ablehnen, er füttert dennoch Terroristen mit seiner Ideologie, wenn er behauptet, dass der Bevölkerungsaustausch das „größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit im 21. Jahrhundert ist“.
Für Camus ist die „Überfremdung“ ein so „offensichtliches Phänomen wie die Nase im Gesicht“, das er es lediglich benannt hat: „Der Bevölkerungsaustausch ist bei Weitem das wichtigste Ereignis unserer Epoche“, notiert er in unserer Korrespondenz […]
Camus’ Fall ist Ausdruck eines Dilemmas: Er zeigt, dass sich Gedanken von ihren Autoren unabhängig machen. Seinen „Kampf mit rein intellektuellen Mitteln“ setzen andere mit Waffen fort. Ob er die Tat von El Paso öffentlich verdamme? „Selbstverständlich, mit Abscheu, und lieber zehn als ein Mal. Aber warum müsste ich?“, fragt Camus zurück.
Vielleicht, weil er die Monster füttert?
Mehr über die Verschwörungstheorie vom „Großen Austausch“ findet sich zum Beispiel bei Wikipedia, Belltower News, Youtube und im Standard.
Zum Weiterlesen:
- Der Hetzer von der Burg, taz am 9. August 2019
- „Wie hätte mein Buch solche Gräueltaten provozieren können?“ Welt+ am 6. August 2019
- Halle: „Antisemiten glauben an eine Weltverschwörung aus Juden und Nichtjuden“, GWUP-Blog am 12. Oktober 2019
- „Der große Austausch” oder die spinnerte ideologische Grundlage der Neuen Rechten, Belltower News am 26. Oktober 2017
- Wenn es quakt wie eine Ente, war es im Zweifel die Regierung, heise am 24. August 2019