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„Ganzheitliche“ Zahnmedizin

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Nach ihrem Kurzbericht „Kuriose Methoden beim Zahnarzt“ vom 6. Juni …

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… hat die Welt-Reporterin Anette Dowideit heute einen längeren Artikel dazu veröffentlicht (im Bezahlangebot von Welt+):

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Erschreckend, dass auch hier die Berufsaufsichten, die eigentlich über die Einhaltung medizinischer Standards wachen müssten, munter mitmischen:

Besonders umtriebig bei alternativen Fortbildungsangeboten ist die Zahnärztekammer Bayern. Im Jahr 2015 hat ihre Akademie dem Jahresbericht zufolge Fortbildungen im Gegenwert von 4,9 Millionen Euro an Zahnärzte verkauft. In ihrem aktuellen Fortbildungsprogramm stehen zehn Workshops für „ganzheitliche Medizin“, darunter „Zungendiagnostik“, „Triggerpunkt-Therapie“ oder „Heilsame Berührung“ […]

Bei der bayerischen Zahnärztekammer hält man die Kritik [daran] für ungerechtfertigt. Nach „intensiver Erörterung“ sei man „trotz vereinzelter kritischer Stimmen“ zu der Überzeugung gelangt, solche Angebote möglichst nicht „Nicht-Zahnärzten“ überlassen zu wollen – also etwa Heilpraktikern, die Zahnärzten dieses Geschäft streitig machen könnten.“

„Geschäft“ ist genau das richtige Stichwort dazu.

Im Skeptiker (2,3/2013) schrieb der Bremer Zahnmediziner Dr. Hans-Werner Bertelsen:

 Meine These lautet: Das Kursangebot kommt in Bayern zwingend zustande, weil die Grundstückspreise in München sehr viel höher sind als im Rest der Republik.

Die Lebenshal­tungskosten sind aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte und der generierten Nachfrage derart hoch, dass die eingenommenen Gelder aus dem Topf der Krankenkassen für die Finanzierung eines angenehmen Lebens nicht ausreichen.

Die Einrichtung einer Praxis und die laufenden Kosten für Personal und Geräte können in einer überteuerten Umgebung wie München oder der Bodensee-Region nur mit Hilfe von dubiosen „Extraein­künften“ verwirklicht werden.

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So erhält man als niederlassungswilliger, im Her­zen seriöser Newcomer von allen Sei­ten den durchaus ernstgemeinten Rat, sein Profil auf jeden Fall „ganzheitlich“ zu schärfen. Moralische Bedenken lässt man am besten verborgen, während man sich in den langweiligen und unsinnigen Esoterikkursen die Wochenenden eine schwere Inaktivitätsatrophie ansitzt.

Die dort vermittelten Techniken dienen al­lesamt einem heiligen Ziel: sie sollen auf dem Umwege der Suggestion, der Manipulation, des Schürens von Angst und Panik, Nachfrage erzeugen.“

Zum Weiterlesen:

  • Wenn nach der „Störfeld-Messung“ alle Backenzähne fehlen, Welt-Online am 6. Juni 2017
  • So nehmen Zahnärzte mit Hokuspokus Patienten aus, Welt-Online am 8. Juni 2017
  • “Ganzheitliche” Zahnheilkunde: Heeeereinspaziert! Kritisch gedacht am 28. August 2012
  • Ganzheitliche Medizin: Wenn Zähne fremdgehen, Süddeutsche am 15. Mai 2012
  • „Zahnherd“ bei Psiram
  • „Alternativmedizinische Zahnheilkunde“ bei Psiram
  • „Meridiansystem der Zähne“ bei Psiram
  • Die Attraktivität „ganzheitlicher“ Zahnmedizin, Skeptiker 2 und 3/2013 (PDF)

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