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„ZDF heute“-Fake-News: Es gibt so etwas wie seriöse Astrologie

| 13 Kommentare

Dass eine „Wahrsagerin“ im privaten Regionalfernsehen profunde Weisheiten wie

In Deutschland wird es zwei bis drei Wochen ungefähr im Januar/Februar sehr kalt sein“

von sich geben darf – geschenkt.

Dass die Webseite von ZDF heute gebührenfinanzierte Fake-News verbreitet – ungut.

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Der Astrologe Klemens Ludwig behauptet dort unwidersprochen, dass es einen „großen Unterschied“ gebe zwischen „seriöser“ Astrologie und Zeitungshoroskopen.

Das ist falsch, wie wir hier ausführlich erklärt haben.

Vielleicht hat die heute-Redaktion sich bei der Auswahl dieses Interviewpartners von einer Auszeichnung blenden lassen, die Ludwig 1995 erhielt: dem „Medienpreis Astrologie“.

Bürgt diese Ehrung nicht automatisch für Kennerschaft und Seriosität?

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Nicht zwingend, denn verliehen wird der „Medienpreis Astrologie“ vom Deutschen Astrologenverband, dessen Vorsitzender mittlerweile Klemens Ludwig heißt.

Immerhin räumt der DAV-Chef ein, dass Astrologie ein „Glaubenssystem“ ist. Und führt ganz nebenbei auch noch die Hauptbeschäftigung seiner Zunft, nämlich die astrologische Persönlichkeitsanalyse, ad absurdum:

Natürlich bin ich nicht nur Steinbock, sondern verbinde – wie alle Menschen – mehrere Elemente des Tierkreises zu einer Einheit. Bei mir wirken vor allem noch Krebs, Widder und Jungfrau.“

Schöner kann man den Barnum-Effekt kaum beschreiben. Tests haben gezeigt, dass Menschen nicht in der Lage sind, aus einer Reihe von astrologischen Persönlichkeitsprofilen das für sie erstellte herauszufinden.

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Denn klar steckt in jedem Menschen situativ etwas von einem „Fisch“, etwas von einem „Widder“, etwas von einem „Löwen“ und so weiter. Die angeblichen Charakteristika der Tierkreiszeichen sind wenig mehr als ein Wortbaukasten, den die Astrologen immer wieder neu kombinieren können.

Jede „astrologische Konstellation“ ist unendlich ausdeutbar und kann auf jede Person und Situation zurechtkonstruiert werden. Nicht umsonst greifen die Sterndeuter auf Sterne, Planeten, Tierkreiszeichen, „Häuser“, „Primär-“ und „Sekundärdirektionen“, „Transite“, „Aszendenten“, „Mundanspekte“, „Generalsignifikatoren“, „Zeitregenten“, „Eklipsen“, „Halbsummen“, „Rückläufigkeiten“, „Harmonieaspekte“, „Deklinationsparallelen“ und vieles, vieles mehr zurück.

Kein Wunder, dass „jedes Horoskop anders ist“, wie Ludwig der heute.de-Redaktion flüstert.

Aber eben nicht richtiger.

Zum Weiterlesen:

  • Astrologie-Interview – Keine Sternstunde des ZDF, hpd am 6. Januar 2017
  • Dreieinhalb Minuten Gequatsche: Peinliche Wahrsagerin bei Oberpfalz TV, Wahrsagerchecks-Blog am 4. Januar 2017
  • „Seriöse“ und „unseriöse“ Astrologie, GWUP-Blog am 3. Januar 2011
  • „Seriöse“ Astrologie bei Psiram
  • Sind Hellseher seriös? GWUP-Blog am 1. Oktober 2012
  • GWUP-Prognosencheck 2016: „Mit heutigem Wissen“ wären die Vorhersagen viel konkreter, GWUP-Blog am 15. Dezember 2016
  • Warum so viele Menschen an Horoskope glauben, SPON am 1. Januar 2017
  • Wie Horoskope funktionieren, Spiegel-Online am 29. Dezember 2016
  • Seriöse Astrologie, Quantenwelt am 3. Januar 2017
  • “Mein Horoskop stimmt immer!” Ja und? GWUP-Blog am 4. Mai 2013 (mit zahlreichen Links zum Thema Astrologie und Wahrsagen)

13 Kommentare

  1. Der Astrologe Klemens Ludwig behauptet dort unwidersprochen, dass es einen “großen Unterschied” gebe zwischen “seriöser” Astrologie und Zeitungshoroskopen.

    Vielleicht meint er den preislichen Unterschied?

  2. @ Sinapis: Nein, der Unterschied ist der, dass unseriöse Astrologen ihre Horoskope (oder was sie sonst so dienstleisten) als echt, wahrhaftig, zutreffend, fundiert usw. verkaufen, während seriöse Astrologen im Prinzip sagen, wir machen hier Hokuspokus zur Unterhaltung, völlig realitätsentrückt, ohne Bezug zur Wirklichkeit, den Sternen oder dem Kunden, rein spaßeshalber und weil wir davon gut leben können ohne viel arbeiten zu müssen. Nur gibt es eben nicht so viele seriöse Astrologen, wenn überhaupt…

  3. LoL

    Wir gucken nicht in die Kristallkugel, sondern berechnenden Horoskope genau – orientiert an den Gestirnen und nach mathematischen Regeln

    Ja, aber diese „mathematische Regeln“ haben nur wenig mit astronomischen Berechnungen zu tun – es sind vielmehr astronomische Milchmädchen-Berechnungen.
    Was mich wirklich ärgert, ist das, daß man die schöne „ehrliche“ Mathematik benutzt und dadurch eine Seriosität hineinbringen will, denn können Zahlen lügen?
    Aber der Missbrauch von Wissenschaft in der Esoterik ist ja Usus…früher die Mathematik, heute die Quantenphysik.

  4. @gnaddrig
    hab ich so noch nicht betrachtet. Der große Unterschied ist in diesem Fall, dass seriöse Astrologie ein hypothetisches Konstrukt ist?

  5. @gnaddrig

    Radio- oder Zeitungshoroskope sind meiner Einschätzung nach reine Unterhaltung und nicht ernsthaft gemeint. Lustigerweise dreht sich dann die Unterscheidung des Astrologen im Interview um. Je weniger aufwändig Horoskope, umso eher sind die Ersteller seriös. In dem Sinne, dass klar ist, ihre Ergebnisse sind nicht ernst zu nehmen.

  6. @ Sinapis: Ja, so ungefähr.

  7. Hm, sagen wir mal so:

    In der Staats- und Verwaltungslehre kennt man den Begriff der „Legitimaton durch Verfahren“. In der Esoterik gilt stattdessen das Prinzip der „Legitimation durch Brimborium“.

  8. “Legitimation durch Brimborium”
    So wie Karneval und Religion;)

  9. Ich wollte gerade einen Witz über Quantenastrologie machen, aber dachte mir, besser vorher mal googeln, und siehe da:

    Auf Quanten-Astrologie finden Sie Informationen über astrologische Beratung, Quantenheilung, Energie-Balance und allgemeine Lebensberatung

    Es ist Nicht.Zu.Fassen! Man kann die einfach nicht mehr veräppeln!

  10. @ 2xhinschauen:

    Auch da gilt wieder der Grundsatz:
    „Immer, wenn Du denkst, dümmer geht’s nicht mehr, kommt von irgendwo ein Eso her.“

  11. @ 2xhinschauen & noch’n Flo: Absolut, die toppen locker im Vorbeigehen alles, was man sich irgendwie ausdenken kann…

  12. Prior Art: Es gab vor ein paar Jahren auf sciencebasedmedicine einen Beitrag über den gescheiterten Versuch, für eine Aprilscherzmeldung eine esoterische Methode zu erfinden – vergebens, es gab alles schon, was die sich ausgedacht halten, egal wie abseitig. Das ganze Fach ist von seiner Persiflierung nicht mehr zu unterscheiden.

    Ich frage mich inzwischen, ob das nicht eine Erscheinungsform des Dunning-Kruger-Effekts ist, wenn man mit der Einschätzung „also, da ist bestimmt vor mir noch keiner drauf gekommen“ dauernd danebenliegt.

    Vielleicht gibt es hier einen Programmierer, der einen Generator schreibt, der die esoterischen Lieblingsvokabeln mal in jeder Kombination zusammenfügt (Bio, Quanten, Resonanz, Frequenz, Information, Wasser…), die Anzahl Google-Treffer ermittelt und bei Fehlanzeige gleich die passenden Domains registriert …

  13. Pingback: Skeptikerkritik am ZDF sorgt für Chefastrologen-Mimimi | Wahrsagerchecks Blog

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