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Amflora I: Die Skeptiker und die Genkartoffel

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In diesen Tagen hat die EU-Kommission den Anbau der genetisch veränderten Kartoffelsorte Amflora erlaubt. Amflora ist nach der Maissorte MON 810 die zweite gentechnisch veränderte Pflanze, die in der EU angebaut werden darf.

Für den Kochtopf ist die Knolle nicht bestimmt. Vielmehr liefert sie als Industriekartoffel Stärke, beispielsweise zur Papier-, Garn- und Klebstoffherstellung. Normalerweise enthalten Kartoffeln zwei Sorten Stärke, Amylopektin und Amylose. Weil für die industriellen Anwendungen nur Amylopektin gebraucht wird, muss die Amylose in einem aufwändigen Prozess abgetrennt werden. Bei Amflora ist dies nicht mehr nötig, da sie fast ausschließlich Amylopektin enthält.

Scharfe Kritik an der Zulassung von Amflora kam von der Grünen-Bundestagsabgeordneten Ulrike Höfken. Die Entscheidung „brüskiert die gentechnik-kritische Öffentlichkeit“, wird Höfken in der FAZ zitiert.

„Gentechnik-kritische Öffentlichkeit“?! Moment mal:

Zwar schneidet die Grüne Gentechnik bei Befragungen tatsächlich schlecht ab. So lehnten bei einer Forsa-Umfrage im Mai letzten Jahres 78 Prozent der Befragten gentechnisch veränderte Lebensmittel ab.

Aber genügen solche Meinungsbilder als Argument?

Sagen wir mal so: Um eine Technologie angemessen zu beurteilen, müssen Chancen und Risiken abgewogen werden, und dazu braucht es fundiertes Wissen.

Genau daran mangelt es in der aktuellen Gentechnik-Diskussion, bedauert der Biologe Johannes Bergler, der sich im aktuellen SKEPTIKER mit häufigen Argumenten gegen die Grüne Gentechnik beschäftigt. Kein Wunder angesichts der großteils verzerrten, gentechnik-feindlichen Berichterstattung im Fernsehen und im Web, findet Bergler:

„In den Medien haben es die Gegner (…) wesentlich leichter, da ein plakatives irrationales Argument in wenigen Sekunden vorgebracht ist, während seine sachliche Widerlegung mindestens die zehnfache Zeit beansprucht.“

Nun, so viel Zeit muss sein.

Zum Weiterlesen:

  • Johannes Bergler: Grüne Gentechnik. Eingebildete Gefahren. SKEPTIKER 1/2010, S. 13-21.

Autor: Inge Hüsgen

Redaktionsleiterin Skeptiker - Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Denken

17 Kommentare

  1. Fängt die GWUP jetzt auch an, sich (wie leider nicht wenige Skeptiker, v. a. im englischsprachigen Raum) auf die Anti-Öko-Schiene zu begeben? Das fände ich ziemlich schade, schätze ich ansonsten die Arbeit der GWUP doch sehr.

    Der Artikel ist ja wohl nicht online, aber um mal nur die 2-3 üblichsten „Skeptiker“-Argumente der Gentechnikfreunde zu zerlegen:
    Ja, es gibt ziemlich viele schlechte Argumente gegen Gentechnik – Angefangen von den christlichen („Verbrechen gegen die Schöpfung“) bis hin zu öfter mal schwachen wissenschaftlichen Arbeiten – nur, das ist noch lange kein Argument dafür. Die meisten Gentechnikkritiker argumentieren aber längst auf einer völlig anderen Ebene, nämlich die Frage von Macht, Monopolen, Patenten etc. Und das wird meist von Leuten, die behaupten, „wissenschaftlich“ für Gentechnik zu argumentieren, schlicht ignoriert.

    (meine Lieblingsmethode ist ja, einen Pro-Gentechnik-Text nach dem Stichwort „Patent“ zu durchsuchen – wenn es nicht drin vorkommt, ist der Text vermutlich kaum lesenswert)

  2. Keine Sorge, das Wort „Patent“ kommt im Artikel vor.

  3. Ich würde vorschlagen, lies doch den Artikel und schreib dann deine Meinung dazu. Ich finde den Artikel recht überzeugend im Sinne einer irrationalen Angstmache, plus ideologisch-motivierte selektive Wahrnehmung.

  4. „Fängt die GWUP jetzt auch an, sich (wie leider nicht wenige Skeptiker, v. a. im englischsprachigen Raum) auf die Anti-Öko-Schiene zu begeben?“

    Ich frag mich, woraus im obigen Beitrag sich das schliessen lässt.

  5. Die reflexhafte Verknüpfung von „Pro-Gentechnik“ mit „Anti-Öko“ ist extrem verbreitet, leuchtet mir jedoch überhaupt nicht ein. Alle gentechnisch veränderten Pflanzen von denen ich weiß bezwecken entweder höhere Effizienz des Anbaus auf vorhandenen Flächen, verringerten Pestizideinsatz, vereinfachte (energie- und ausschusssparende) Weiterverarbeitung (Amflora zum Beispiel) und ähnliches (oder sogar alles zusammen). Meines Erachtens höchst ökologisch. Trotzdem fühlt man sich als Befürworter der Gentechnik manchmal als hätte man gerade das Robbenbabyknüppeln verteidigt.
    Wie auch im Artikel möchte ich darauf hinweisen, dass nicht automatisch alles böse und umweltfeindlich ist, was Greenpeace nicht gut findet. Gerade als Skeptiker sollte man sich anhand der Faktenlage selbst ein Bild machen.
    Die Diskussionen um Patente, Monopole und zweifelhafte Marketingstrategien bei Agrarkonzernen haben mit der Gentechnik an sich nichts zu tun. Weder führt die Anwendung der Gentechnik zwangsläufig zu größerer Macht von Monopolisten, noch benötigen Monopolisten die Gentechnik, um ihre Macht zu erhalten.

  6. Definitiv einer der besten und wichtigsten Skeptiker-Artikel der letzten Jahre! Gleich weiterempfohlen und an eine Bekannte in der Staatskanzlei weitergegeben.

  7. „Anti-Ökö“ sollte doch für einen rational denkenden Menschen eine Selbstverständlichkeit sein, um nicht zu sagen eine moralische Pflicht. 1933 waren die Faschisten braun, 1949 waren sie rot, und heute sind sie grün. Wehret den Anfängen!!

  8. „Wie auch im Artikel möchte ich darauf hinweisen, dass nicht automatisch alles böse und umweltfeindlich ist, was Greenpeace nicht gut findet.“

    Die Kritik an Gentechnik wurde weder von Greenpeace erfunden, noch haben sie ein Monopol darauf. Sie wird von praktisch allen Umweltgruppen, interessanterweise auch aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturkreisen, fast immer abgelehnt. Alle nur ideologisch verblendet?

    Achja, dass ein paar Kommentare über mir sich die Klimaskeptiker schon melden, passt ins Bild.

  9. Apropos Patent:
    Bei Medikamenten ruft niemand: Verrat! die Pharmafirma will an unserer Gesundheit verdienen, wie unethisch. Oder: Ich lese keinen Bericht über Medikamente, wo nicht Patent drin vorkommt.
    Oder hat ein Musiker sich jemals aufgeregt, weil Philps Patente auf die CD angemeldet hat?
    Wissenschaftler und Firmen haben grundsätzlich das Recht ihre eignen Ideen und Entwicklungen ökonomisch zu verwerten. Patente sind der Eckstein diese Prinzips, auch wenn Monsanto eine schändliche Monopol Strategie fährt.

    Apropos Samen kaufen:
    Das Argument Bauern sind benachteiligt, denn sie dürfen ihre GMO-Samen nicht selbst ziehen, ist falsch. Da Hybrid-Samen einen wesentlich höheren Ertrag erzielen, werden praktisch ausschliesslich von Firmen oder lokalen Samen-Zentren verteilte Samen in der kommerziellen Landwirtschaft verwendet. Denn das herstellen von Hybrid Samen ist extrem aufwändig und von einzelnen Bauern praktisch nicht zu leisten.
    Es sind daher nur noch arme Subsistenzbauern in vollkommen benachteiligten Regionen, die eigenes Saatgut verwenden, und die haben andere Probleme als den Monsanto-Kontrolleur.

    Patent hin oder her: In der ganzen Welt stimmen Bauern mit den Füssen ab und wählen GMO.
    Ein interessantes Beispiel ist die Situation mit Bt-Baumwolle in Indien.
    Baumwollanbau ist sehr aufwändig, die Pflanze extrem anspruchsvoll und empfindlich, deshalb wurde sie klassisch auch in grossen Plantagen angebaut. Bt Baumwolle ist eine solche Arbeitserleichterung, dass Kleinbauern in Indien auch den Baumwollanbau wagen können. Ausserdem ist seit der Einführung von BT-Cotton der Ertrag /ha weltweit gestiegen. Deshalb ist der Anbau für Bauern auch mit kleinerer Fläche ökonomisch machbar.Indien ist daher in den letzten Jahren vom Cotton Importeur zum exporteru geworden.
    Wenn dann noch die Samen dank Gentechnik bald essbar sind: SUPER! http://www.sueddeutsche.de/wissen/905/496223/text/

  10. Ach, ich hätte den Artikel auch gern gelesen, bevor ich hier meinen senf dazu gebe, aber ich habe ihn online einfach nicht gefunden.

    Gelesen habe ich aber den Jo Bergler Kommentar hier. Wirklich ökologisch sind Pestizide natürlich nicht. Und verringert der Einsatz von transgenem Saatgut den Pestizidverbrauch? Erfahrungen mit Monsantos Soja und Baumwolle zeigen aber eher, dass das Gegenteil der Fall ist. Der Pestizidverbrauch erhöht sich, vor allem, wenn sich erstmal Pestizidresistentes Super-Unkraut auf den Acker geschlichen hat.

    Wie ressourcenschonend eine Landwirtschaft ist, die ihre „Effizienz“ Düngern auf petrochemischer Basis verdanken, müsste man wohl auch etwas genauer ansehen.

    Und Wissenschaft? Wieviel Wissenschaft kann es geben, wenn Gentechnikfirmen ihre Ergebnisse unter Verschluss halten und unabhängige Forscher daran hindern das transgene Material zu untersuchen?

    Wieviel Wissenschaft kann es geben, wenn eine übermächtige Industrie vor allem Forschungsprojekte und damit WissenschaftlerInnen fördert, die sich um Gentechnik-Projekte kümmern. Dabei könnte eine weniger scheuklappenbehaftete Forschung, die komplexe natürliche Zusammenhänge untersucht womöglich ungeahnte Effizienzvorteile bringen.

    Und was mich persönlich angeht: Vielleicht wäre Gentechnik gegenüber fürchterlich aufgeschlossen, wenn diese Technologie ihr Verprechen eingelöst hätte, den Hunger auf der Welt zu stoppen. Wenigstens in einer Region der Welt. Aber darauf wartet man seit Jahrzehnten vergebens.

  11. Ich bin auch der Meinung, dass um eine Technologie angemessen zu beurteilen, müssen Chancen und Risiken abgewogen werden, und dazu braucht es fundiertes Wissen. Deswegen vertrette ich die Meinung, dass der Anbau von Kartoffeln Amflora viel gründlicher untersucht werden sollte. Wer auch derselber Meinung ist soll auf diese Seite unbedingt anschauen:
    http://www.avaaz.org/en/eu_health_and_biodiversity/98.php?CLICK_TF_TRACK

    Dort kann man eine Petition unterschreiben, dass die Amflora Kartoffeln gründlich untersucht werden sollten.

  12. @nommh

    Bitte Pestizide und Herbizide nicht verwechseln!
    Pestizide sind Pflanzenschutzmittel die Schädlinge vernichten. Da gibt es von Monsato die Bt-Technologie, wo GVO-Pflanzen ein Bakterien Toxin enthalten. Dieses Toxin wird in der Bio-Landwirtschaft extensiv als Spritzmittel genutzt (steht alles im Skeptiker Artikel ganz super beschrieben). Der Einsatz konventioneller Pestizide ist durch den Einsatz dieser Technologie stark zurückgegangen. Das wird selbst von Gentechnik Kritikern nicht bestritten, sondern lediglich warnend erwähnt, dass mit einem flächendeckenden Einsatz resitenzen nur eine frage der Zeit sind. Wohl wahr.
    Allerdings ist der Einsatz von Bt-Pflanzen nicht nur umweltfreundlich, sondern auch vom humanitären Aspekt positiv. Denn gerade in Entwicklungsländern verwenden Bauern Pestizide oft unsachgemäss, dh. nicht nur zu viel, sondern auch ohne die vorgeschriebenen Schutzmassnahmen und Schutzkleidung. Pestizid-Vergiftungen sind in Indien angeblich ein nicht unwesentlicher Faktor für Bauernselbstmorde, obwohl nicht ganz klar ist, ob nicht Pestizide geschluckt werden um Selbstmord als Unfall zu verschleiern.
    http://www.pgeconomics.co.uk/
    http://gmwatch.org/index.php?option=com_content&view=article&id=11696:cherry-picking-new-report-on-gm-and-pesticides

    Herbizide wie Glyphosat verwendet man als „Unkrautvernichtungsmittel“. Da kann man derzeit tatsächlich einen Anstieg des Verbrauchs in den USA sehen, da sich durch die jahrelange einseitige und flächendeckende Nutzung von Glyphosat (Roundup Ready-übrigens auch in der konventionellen Landwirtschaft) resistente Pflanzen ausbreiten . Die Gründe neben der weiten Verbreitung von Glyphosat resistenten GVO, ist der niedrige Preis für Glyphosat, die relative Umweltverträglichkeit, und der Umstand, dass in den letzten 20 Jahren nur ein einziges neues Herbizid auf den Markt gekommen ist. Es hat daher in der Verangenheit wenige attraktive Alternativen in der industriellen Landwirtschaft gegeben. Daher bewerben jetzt Chemiefirmen wie Syngenta aggressiv ihre giftigen und teuren Alternativen zu Roundup: http://www.resistancefighter.com/

    Wenn Gentechnik den Hunger in der Welt verringern würde…
    Wie bei vielen Technologien, gab es auch bei der grünen Gentechnik eine überoptimistische Erwartungshaltung, die durch überzogene Versprechen von Monsanto und anderen geschürt wurde. Das ist die eine Seite.

    Die andere Seite ist aber, dass die enorm aufwändigen Zulassungsverfahren praktisch jede humanitäre (also nicht kommerziell verwertbare) Strategie erschweren (http://www.goldenrice.org/Content2-How/how4_regul.html).

    Eine Baumwolle mit essbaren Samen zum Beispiel wäre ein enormer Mehrwert für Bauern, nicht nur in Indien. BW enthält das Toxin Gossypol, das die Pflanze vor Frassfeinden schützt. Das ist auch in den Samen enthalten. Trotzdem wird BW Samen gepresst und das Öl gewonnen, der giftige Presskuchen muss entsorgt werden. In den 50ern wirde Gossypol daher aus der BW entfernt und die Folgen waren katastrophal, die empfindlichen Pflanzen hatten ihren Schutz gegen Frassfeinde verloren und brachten keinen Ertrag. Kürzlich (vor Jahren) ist es gelungen (mittels RNAi) nur in den Samen Gossypol auszuschalten. Der Presskuchen eignet sich nun entweder als preoteinreiches Futtermittel für Vieh oder sogar als Mehl-Beimengung zu menschlicher Nahrung.
    http://www.sueddeutsche.de/wissen/905/496223/text/
    Aber wer investiert die Millionen in eine Zulassung und sorgt für einen freien Zugang zu dieser Pflanze? Potrykus und Beyer können ein Lied davon singen welchen Anfeindungen jeder ausgesetzt ist, der sein humanitäres Engagement mit einer GVO verwirklichen will. Da haben wir ein NGO Monopol, das sich diese nicht streitig machen lassen wollen.

    Nommh verlangt also von einer Technik eine Lösung, die wir als Gesellschaft nicht leisten wollen oder können. So macht man Politik.

    Dabei muss doch die Frage sein: welche Lösungen bietet eine Technik/Technologie an und dann sollte die Gesellschaft entscheiden, ob bei einer Anwendung Risiko und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis stehen.

    Amflora zum Beispiel: Wenn es konventionelle Alternativen zu Amflora gibt und die Ausbringung von Antibiotika-Resistenzen nicht dem technischen Stand entspricht, ist ein Anbauverbot für Amflora als politische Entscheidung klar zu vertreten. Da brauche ich keine weitere Forschung.

    Golden Rice: es wird langsam Zeit!
    Gossypol-freie-Baumwolle: nur her damit!
    Bt- Mais oder Bt-baumwolle: bitte gerne, aber verantwortlich, damit die Technologie in ein paar Jahren auch noch zur Verfügung steht.

    Ob in Österreich oder in Deutschland ein MON810 (Bt-Mais) Anbau allerdings sinnvoll ist? Hier kann man sich gegen den Maiszünsler auch konventionell ganz gut schützen und Sprtzen dagegen ist fast aussischtslos. Aber eigentlich könnten das die Bauern am Besten selbst entscheiden.

  13. Grüne Gentechnik ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie verwickelt unsere Welt geworden ist. Natürlich sieht der Fachwissenschaftler, der z.B. in seinem Labor mit Sputtertechnik transgene Pflanzen erzeugt keine Gefahr. Auf dieser Ebene ist das eine schrecklich profane Angelegenheit, und es ist durchaus nachvollziehbar, daß die Beteiligten das wirklich nur als Fortsetzung der klassischen Pflanzenzucht sehen. Und das zieht sich durch den gesamten Fachbereich. Keine Klasse IV Labore, keine „Killerviren“ á la „Andromeda – tödlicher Staub aus dem All“ in Sicht. Nicht einmal ansatzweise. Aber hier fängt die Komplikation erst an. Es geht zunächst nicht – wie beispielsweise beim Thema Atmosphärenforschung (Stichwort „global climate change“) um öffentliche Grundlagenforschung, sondern um angewandte Industrieforschung, und das Patent-Thema ist hier nicht von einer Risikobetrachtung in der Gesamtschau zu trennen, einem Risikokomplex aus Technik-Ökonomie-Soziologie-Ökologie. Das Hauptargument der Gentechnik Gegner ist zunächst nicht unmittelbare Gefahr, sondern Unsicherheit. 200 Jahre Erfahrung mit Risiken der industriellen Gesellschaft deuten darauf hin, daß komplexe Risiken notorisch unterschätzt werden (Siehe den Beck Klassiker „Risikogesellschaft“, siehe den umfassenden Bericht der Europäischen Union „Late Lessons from Early Warnings“ http://www.eea.europa.eu/publications/environmental_issue_report_2001_22. Kritiker – darunter ich selber – weisen darauf hin, daß wir die langfristigen Risiken eines letztlich globalem Freisetzungsexperimentes schlicht nicht überblicken können. Es kommen ständig neue – und häufig sehr überraschende – Ergebnisse aus der Molekularbiologie herein. Ein Beispiel ist das wachsende Gebiet der Epigenetik, dessen Bedeutung lange massiv unterschätzt wurde. Da inzwischen weltweit der größte Teil der Expertise innerhalb der Forschungsabteilungen einiger weniger Konzerne konzentriert ist, existiert zudem kaum die Möglichkeit objektiver Risikoeinschätzungen, da die Daten nicht ohne Weiteres öffentlich zugänglich sind. Unternehmen sind wie geschlossene Organismen, die mit allen Mitteln wie die technisch begabten Säugetiere die sie aufgebaut haben ihre Territorien und ihre Interessen verteidigen. Dabei werden die Grenzen des erlaubten und des möglichen ständig ausgelotet und, wenn möglich, ausgeweitet oder überschritten. Auch höchste Risiken werden strategisch problemlos eingegangen, wenn die Folgen mit hoher Wahrscheinlichkeit externalisiert werden können. Der CEO eines großen Agrarchemie Konzerns sagte Ende der 90ger noch öffentlich, es ginge um die vollständige Kontrolle der Nahrungskette. Und hier greifen wieder die Patente. Geräte und Verfahren zu patentieren (sofern sie eine gewisse Erfindungshöhe aufweisen) ist eine Sache. Entdeckungen zu patentieren eine ganz andere. Ein Radio oder eine Taschenlampe patentieren: fein. Aber Radiowellen und Licht patentieren ist offensichtlich absurd. Das PCR Verfahren und entsprechende Geräte patentieren: fein. Aber entdeckte Gene patentieren? Wer denkt beim Patentwesen ginge es um den Schutz der von Erfindern, der irrt zudem. Der Ursprung des Patentwesens liegt anderswo.

    Möglicherweise – und ich bin mir da nicht sicher – gibt es langfristig um die Welternährung zu sichern keine andere Möglichkeit, als den Einsatz von Gentechnik. Allerdings leistet die derzeitige Einbettung in profitorientierte Unternehmen dazu keinen Beitrag, denn diese sind an Profit interessiert, und nicht an Welternährung. Sie können an gar nichts anderem interessiert sein, so wie die Anreize nun einmal sind. Deshalb gehört meiner Auffassung nach die Gentechnikforschung in öffentliche Hand, und Freisetzungen dürften nur mit entsprechenden Haftpflichtversicherungen erfolgen deren Deckungshöhe den potentiellen Risiken entspricht. Zu deren Ermittlung müssten die Konzerne ihre Daten durchgängig öffentlich machen und Verstöße müßten entsprechend geahndet werden. Als Gesellschaft kann es nicht in unserem Interesse sein immerzu gesamtgesellschaftlich die Risiken privater Unternehmungen zu tragen – egal, ob es um Banken und Hedge Funds, Atomkraftwerke oder Agrarkonzerne geht.

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