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Katastrophenmathematik á la „Goldfinger“

| 6 Kommentare

Nein, ich habe überhaupt nichts gegen Unterhaltung. Auch nicht gegen unterhaltsame Filme, wie in den Kommentaren zu manchen Beiträgen mitunter geargwöhnt wird.

Aber fraglos sind Filme eine wahre Fundgrube für allerlei Wissenschaftsmythen. So zum Beispiel auch „Goldfinger“, der morgen, 4. Januar, mal wieder im Schweizer Fernsehen läuft. Der millionenschwere Superverbrecher Auric Goldfinger will darin mit einer „Schmutzigen Bombe“ die US-Goldreserven in Fort Knox radioaktiv verstrahlen. Damit, rechnet der Schlimmfinger vor, wäre das dort aufbewahrte Edelmetall für die nächsten 58 Jahre nicht zu gebrauchen. Und er reicher als König Midas, wegen der zu erwartenden Hausse am Goldmarkt.

Wirklich? Gehen wir Goldfingers Katastrophenmathematik doch mal spaßeshalber auf den Grund.

Eine „Schmutzige Bombe“ ist eine so genannte radiologische Waffe, also ein konventioneller Sprengsatz, der bei seiner Explosion radioaktives Material in der Umgebung verteilt. Nehmen wir an, es handele sich um Plutonium. Dann wäre die Halbwertszeit (die Zeitspanne, in der die Strahlungsintensität einer radioaktiven Substanz auf die Hälfte abgeklungen ist) rund 10 000 Jahre. Bei Uran noch viel länger, allerdings ist Uran so schwach radioaktiv, dass man erhebliche Mengen davon benötigt, um überhaupt eine nennenswerte Strahlung zu erreichen.

Biologisch wirklich bedenklich wäre sowohl das eine als auch das andere wohl nur dann, wenn man Original Danziger Goldwasser (ein Gewürzlikör, der traditionell geringste Mengen Gold enthält) oder essbares Blattgold aus dem verstrahlten Edelmetall herstellen wollte. Denn ihre hochgiftige Wirkung entfalten Plutonium oder Uran nur dann, wenn die radioaktiven Schwermetalle mit kontaminierter Nahrung oder Trinkwasser oral aufgenommen oder in Form von Aerosolen oder Dämpfen inhaliert werden.

Die Strahlenwirkung ist dagegen sehr gering. Beide Elemente geben nur Alpha-Strahlung ab, die bereits auf kürzester Distanz absorbiert wird und nicht einmal ein Blatt Papier durchdringen kann, geschweige denn unsere Haut.

Wenn die Bombe unseres vom Gold besessenen Irrläufers nur Druck, aber wenig Hitze entwickelt, wäre die Kontamination zudem nur an der Oberfläche der Goldbarren und ganz simpel durch Putzen zu beseitigen.

Stellen wir also noch ein paar Behälter Propan daneben, dann brennt das radioaktive Material wenigstens in die Oberfläche ein. Aber auch dann bräuchte ein Spezialunternehmen wie etwa Umicore oder Heraeus nur kurze Zeit, um das Gold zu reinigen. Denn alle langlebig radioaktiven Substanzen, die für das Vorhaben unseres kriminellen Möchtegern-Genies in Frage kämen, sind unedle Metalle, die sich in einem Schmelzverfahren problemlos zu Salzen umwandeln und so von Edelmetallen wie Gold abtrennen lassen.

Um das Gold durch und durch zu kontaminieren, müsste man es entweder komplett schmelzen (dafür wären Unmengen Brennstoff im Goldlager erforderlich) oder es entweder mit einer Neutronenquelle oder einem Ionenbeschleuniger beschießen. Da die entsprechende Apparatur ja auch noch transportabel sein soll, käme dafür eigentlich nur eine klassische Atombombe in Betracht – die indes viel schwieriger zu beschaffen und zur Explosion zu bringen ist als eine relativ einfach herzustellende „Schmutzige Bombe“.  

Und selbst wenn: Gold hat nur ein stabiles – also im natürlichen Gold vorkommendes – Isotop: Gold-197 (Isotope sind Atomkerne desselben Elements mit gleicher Anzahl von Protonen, aber verschiedener Zahl von Neutronen). Ein Beschuss mit Neutronen würde das Goldisotop 197 in Gold-198 umwandeln, das mit einer Halbwertszeit von weniger als drei Tagen in das stabile Quecksilber 198 zerfällt.

Das heißt, vielleicht jedes milliardste Goldatom oder noch weniger würde sich nach Neutronenaktivierung in Quecksilber umwandeln, womit die Verunreinigung weit unterhalb der Menge an anderen Spurenelementen wäre, die man in „purem“ Gold so findet, etwa Silber, Kupfer und Platin. Auch eine Atomexplosion führt also nicht zu langlebig instabilen Zuständen. Gold ist nicht dauerhaft aktivierbar, woher die „58 Jahre“ kommen sollen, bleibt in jedem Fall schleierhaft.

Dies umso mehr, da Zerfallsprozesse immer zu einer exponentiellen Abnahme der Strahlung führen, für die man überhaupt kein Enddatum angeben kann. Man könnte zwar das Erreichen eines Grenzwerts vorhersagen, aber der wäre für jeden einzelnen Goldbarren wegen der unterschiedlichen Lage (und somit unterschiedlicher Strahlendosis) anders.

Kurz und gut: Für Nuklearphysik hat auch der größte Superschurke nicht gerade ein goldenes Händchen.

 

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6 Kommentare

  1. Wenn mich meine Bond-Erinnerungen nicht täuschen, erwähnt Goldfinger, daß er radioaktives Kobalt für sein teuflisches Werk verwenden will. Und Kobalt-60 hat immerhin eine Halbwertszeit von gut fünf Jahren. Und wieviele Halbwertszeiten man abwarten muß, bis die Strahlung hinreichend abgeklungen ist, um harmlos zu sein, hängt doch von der absoluten Menge an radioaktivem Material ab?

    Aber trotzdem – natürlich sollte das Gold relativ leicht zu reinigen sein… Ich habe aber den Verdacht, daß dies nicht die einzige wissenschaftlich zweifelhafte Situation in den Bondfilmen ist…! :-)

  2. Ach ihr seid doch nur Spielverderber. Als nächstes erzählt Ihr uns vielleicht noch, daß Harry Potter in Wirklichkeit gar kein Quidditch spielen kann, weil Besen nicht fliegen.

    ;)

  3. @Thomas:
    Kobalt also, verstehe. Dann muss ich das Ganze bei Gelegenheit mal nochmal nachrechnen.

    Ich habe aber den Verdacht, daß dies nicht die einzige wissenschaftlich zweifelhafte Situation in den Bondfilmen ist.

    Wir werden bei verschiedenen Gelegenheiten (= Filmausstrahlungen) wohl nochmal darauf zurückkommen … Erst aber mal ist in den nächsten Tagen der "Hulk" dran.

  4. Für Kobalt-60 gilt das im obigen Text über Uran oder Plutonium Gesagte. Eine oberflächliche Verschmutzung ließe sich abputzen, und eingeschmolzenes Kobalt würde spätestens im normalen Edelmetallrecycling abgeschieden. Dass die Recyclinganlage dabei radioaktiv belastet würde und bei starker Strahlung von Robotern bedient werden müsste, würde man angesichts des Goldwertes sicherlich in Kauf nehmen.

    Immerhin kommt man mit der Halbwertszeit von Kobalt 60 und der alten Faustregel „10 Halbwertszeiten“ (also Abklingen der Strahlung auf 1/1024 des ursprünglichen Wertes) halbwegs in die Nähe von Goldfingers 58 Jahren, nach denen sich das Problem von selbst erledigt hätte.

    Hinzu kommt, dass solche Goldreserven (von denen die größten übrigens nicht in Fort Knox, sondern im Keller der Federal Reserve in Manhattan liegen – womit wir wieder bei abenteuerlichen Filmklamotten wären, dieses Mal Stirb langsam 3) ja in der Regel kaum bewegt und schon gar nicht weiterverarbeitet werden. Eine vorübergehende Verstrahlung solcher Reserven hätte auf den Goldmarkt also wohl eher psychologische Effekte.

  5. Dabei versucht der Film „Goldfinger“ plausibler als das Buch zu sein. Im Roman will Goldfinger das Gold aus Fort Knox rauben, das erschien den Drehbuchautoren dann aber wohl wortwörtlich zu schwer.

  6. Grundsätzlich finde ich diesen Artikel hochinteressant. Allerdings beschäftigt mich als atomwissenschaftlicher Super-DAU jetzt noch die Frage, ob dieses atomare Wissen und die technischen Möglichkeit der Gold-Reinigung anno 1964 in der Form schon vorhanden waren?

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