Bond-Wochenende bei ProSieben: heute Abend „Der Morgen stirbt nie“. Morgen dann „Casino Royale“.
Nein, hier wird nicht Fort Knox atomisiert, nicht im Weltraum herumkutschiert und auch nicht die Erde gerettet. Was den 21. James-Bond-Film „Casino Royale“ von den vorigen unterscheidet: Der legendäre Geheimagent legt sich seltener mit der Realität und den Naturgesetzen an.
Es gibt keinen knarzigen Erfinder „Q“ mehr, keinen überdimensionalen Bösewicht im Besitz höchster High-Tech-Zerstörungspotenziale. Und sogar der Aston Martin wird einfach nur gefahren, ohne technologische Aufrüstung.
Stattdessen geht es eigentlich nur um Glücksspiel, wie schon der Vorspann mit Spielkarten und Karten-Symbolbildern illustriert. Der Doppelnull-Neuling Daniel Craig hat die stärksten Momente am Spieltisch.
Mit seinem unbewegten, klaren Blick aus stechend blauen Augen in einem marmorgemeißelten Antlitz ist er ein Pokerface par excellence – cool, kontrolliert.
Immerhin aber ist Craig statistisch betrachte der trinkfesteste Bond. Er nimmt in „Casino Royale“ zwölf alkoholische Getränke zu sich, mit sieben Drinks ist George Lazenby („Im Geheimdienst Ihrer Majestät“) guter Zweiter.
Abgeschlagen liegt Roger Moore mit durchschnittlich vier Drinks pro Film an letzter Stelle, Brosnan, Connery und Dalton begnügen sich mit jeweils fünf. Was für einen Zeitraum von knapp zwei Stunden Filmlänge aber so schlecht nun auch nicht ist.
Was ist eigentlich das Lieblingsgetränk von James Bond?
Klar, der Martini! Geschüttelt, nicht gerührt!“
werden wohl die meisten sagen.
Und in der Tat ist der Martini zu Bonds Markenzeichen geworden Allerdings trinkt er in den Filmen und Romanen mitnichten am häufigsten den bekannten Cocktail. Ganz vorne in seiner Gunst liegt nämlich – der Champagner.
Ganze 35-mal greift Bond in den bislang 21 Filmen zur Champagnerflöte und nur 22-mal zum Martiniglas.
Normalerweise indes trinkt man einen Wodka-Martini-Mix gerührt. Warum ausgerechnet bei James Bond geschüttelt?
Man darf wohl davon ausgehen, dass Ian Fleming seinem Agenten diese Masche als eine Art persönliche Note auf den Leib geschrieben hat – ein so genannter Autorphraseologismus, der sich auch durch alle Bond-Filme zieht und sehr lässig klingt:
Einen Wodka Martini. Geschüttelt, nicht gerührt.“
Oder gibt es eine andere Erklärung?
Im Internet-Forum jamesbondfilme.de etwa lesen wir:
Das Schütteln des Martinis bringt zusätzlich Sauerstoff ins Glas und damit auch in den Körper, wo er bei der Beseitigung der so genannten Radikalen hilft. Diese ungesättigten Moleküle schwächen das Immunsystem und gelten als Ursache vorzeitigen Alterns.“
Wodka Martini als geheimer Jungbrunnen des smarten Weltenretters, während wir Normalos fade Vitaminpillen als Anti-Aging-Maßnahme einwerfen? Nette Idee, aber nicht haltbar – unter anderem deswegen, weil die Theorie von der Alterung durch freie Radikale erst 1956 formuliert wurde, und zwar von dem US-Mediziner Denham Harman von der Universität Nebraska.
Durchaus richtig an dieser Erklärung ist indes der Teil mit dem „zusätzlichen Sauerstoff“. Außerdem lässt Schütteln einen Drink stärker abkühlen. Ob und wie intensiv nun beides den Geschmack eines Cocktails beeinflusst oder nicht, darüber streiten sich die Kenner hingebungsvoll.
Ein amerikanischer Connaisseur beharrt im Web-Forum straightdope.com jedenfalls darauf, dass geschüttelte Martinis „erfrischender, schärfer und weniger ölig“ schmecken.
Zu einer so bedeutsamen Fragestellung äußert sich natürlich auch die Wissenschaft – beispielsweise der Physikprofessor Metin Tolan von der Uni Dortmund. Die Antwort, meint Tolan, liegt in der Verteilung der Moleküle in dem Longdrink:
Wenn der also gerührt wird, sind alle Moleküle gleich verteilt. Wenn er geschüttelt ist, dann sind die Moleküle, die für den Geschmack verantwortlich sind, ein kleines bisschen weiter an der Oberfläche.“
Und deswegen lautet Tolans These:
James Bond ist ein Genießer. Der kommt niemals, in keinem Film, dazu, seinen Martini wirklich auszutrinken. Er kann nur immer einen Schluck nehmen. Und dieser Schluck soll wenigstens gut schmecken.“
Eingedenk dieser widersprüchlichen Debatte liegt Daniel Craig also nicht ganz falsch, wenn er in „Casino Royale“ auf die Frage eines Barmixers „Geschüttelt oder gerührt?“ mit einem gereizten „Sehe ich so aus, als ob mich das interessiert?“ antwortet.
Denn im Grunde ist das Ganze eine Glaubenssache.
Zum Weiterlesen
- Bernd Harder: Der Bond-Appeal: 007 – Alles über den Spion, den wir lieben. Droemer Knaur, München 2008
- Metin Tolan/Joachim Stolze: Geschüttelt, nicht gerührt: James Bond und die Physik. Piper, München 2008