Die Süddeutsche Zeitung bat ihre Leserinnen und Leser, persönliche Erfahrungen mit Hebammen zu teilen:
In Dutzenden Zuschriften berichteten sie von Hebammen, die mit Pulsatilla-Kügelchen die Wehentätigkeit anregen oder Kindbettfieber mit Retterspitz behandeln wollten. Und von Geburtsvorbereitungskursen, in denen davon abgeraten wurde, das Baby nach STIKO-Plan zu impfen.
Handelt es sich bei diesen Erzählungen nur um Einzelfälle, die einen ganzen Berufsstand in Verruf bringen? Oder stimmt es, dass viele Hebammen der „Alternativmedizin“ zugewandt sind?
Das kann auch der SZ-Artikel nicht erschöpfend beantworten – bis auf ein paar Eckdaten aus älteren Studien und Erhebungen:
- Homöopathie wird in 93 Prozent der Geburtsstationen in Deutschland genutzt (2009)
- Bei jeder fünften Hausgeburt wenden Hebammen Homöopathie an (2022)
- Ein Viertel der befragten Hebammen lehnt die Masernimpfung ab (2008)
- Bei einer Umfrage unter Hebammenschülerinnen gaben 57 Prozent der Befragten an, nicht von der Sicherheit einer Influenzaimpfung während der Schwangerschaft überzeugt zu sein (2017)
- Bei Impfungen gegen HPV und Röteln zeige sich ein ähnliches Bild
- Derzeit werben acht der zehn größten Geburtshilfekliniken in Deutschland mit Homöopathie
Die Autorin Valentia Reese führt dies auf historische Ursachen zurück (als etwa im 19. Jahrhundert sich „ein Graben zwischen Ärzteschaft und Hebammen auftat“), aber auch auf das Bedürfnis nach Ermächtigung und die Wünsche der Patientinnen.
Das Mittel gegen Esoterik und Impfskepsis im Hebammenbereich sei die Akademisierung, erklärt die Hebammenwissenschaftlerin Janne Schmittinger vom UKE Hamburg. Seit Anfang 2020 ist die Hebammenausbildung ein dualer Bachelorstudiengang, der an Universitäten und Hochschulen angedockt ist.
In den nächsten Jahren würden
… Tausende Bachelorarbeiten mit Fragestellungen rund um Theorie und Praxis der Hebammenarbeit entstehen.
Schmittinger verspricht sich davon, dass Hebammen nicht ausreichend belegte Behauptungen künftig besser erkennen könnten.
Möglicherweise geht dann auch der Wunsch des DZVhÄ in Erfüllung, dass man „die wissenschaftliche Studienlage korrekt wiedergeben sollte“. So heißt es jedenfalls in einem wirren Kommentar der Homöopathen zum SZ-Artikel.
Genau daran arbeitet die Hebammenwissenschaft – nur anders, als es der Globuli-Lobby gefällt. So wird die Professorin Anke Diemert in der Süddeutschen zitiert:
Am Ende sollen Hebammen die Schwangeren nicht vor, sondern mithilfe der Wissenschaft schützen.
Zum Weiterlesen:
- „Am Ende sollen Hebammen nicht die Schwangeren vor der Wissenschaft schützen“, Süddeutsche am 22. November 2024
- Geburtshilfe: Der Reiz des Sanften, spektrum.de am 1. November 2024
- Skepkon-Video: „Natur pur oder alles rein ins Kind?“ mit der Hebamme Anna Brodersen, GWUP-Blog am 11. November 2024
- „Schwurbel unter Hebammen“: Podcast mit Anna Brodersen, GWUP-Blog am 14. Oktober 2024
- „Die Akte Hebamme: Eso-Tipps für Schwangere“ bei den Quarks Science Cops, GWUP-Blog am 31. August 2024