Paul Kurtz, Philosoph und Gründer des Committee for Skeptical Inquiry (CSI), meinte in seinen späten Jahren, dass sich diese Tätigkeit seit der Gründung 1976 verschoben habe. Ursprünglich habe es sich um pseudowissenschaftliche, paranormale Behauptungen gehandelt. Heute kämen jedoch viele der Angriffe auf die Integrität und Unabhängigkeit der Wissenschaft von politisch-theologisch-moralischen Doktrinen.
2023 gab es Umwälzungen in der deutschen Skeptikerbewegung. Zentral war darin ein Streit, ob die postmodern beeinflussten Critical Studies aus den Sozialwissenschaften auch ein legitimes Thema sein können. Noch 2019 hatte Kendrick Frazier vom CSI die Universalität skeptischer Untersuchungen betont. Darüber herrschte in der deutschen Skeptikerszene jedoch keine Einigkeit mehr. In der Folge distanzierten sich Mitglieder von der deutschen Skeptikerorganisation GWUP und wollten diesen Ansatz nicht mehr unterstützen.
Bisher (Januar 2025) ist noch kein Grundsatzpapier bekannt, das die Position der Kritiker aussagekräftig von der der GWUP abgrenzt. Um dem nachzugehen, bietet es sich daher an, in verwandten Textbeiträgen von Kritikern analytisch nach relevanten Auffassungen, Denkweisen oder Haltungen zu suchen.
Einer dieser Kritiker ist der mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftspublizist Florian Aigner. Im Jahr 2024 publizierte er zwei Meinungsessays mit den Titeln “Die Selbstüberschätzung der Naturwissenschaft” und “Aber eine Studie hat gesagt”. Darin dreht es sich um das Verhältnis zwischen Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften und um die Rolle der Empirie in den Sozialwissenschaften. Diese Texte wurden analysiert, um Hinweise auf die Positionierung zu erhalten.
Leider zeigten sich bei der Analyse der Texte einige Mängel. So sind sie leider durchsetzt von Ungenauigkeiten, Selektionsbias, Framing, Kategorienfehlern und Strohmannargumenten.
Die Ausführungen von Florian Aigner zu geschlechtsspezifischen Präferenzen und zum Gleichberechtigungsparadox wurden genauer betrachtet und auch die Fachliteratur dazu konsultiert. Die von Aigner monierte Unreflektiertheit ließ sich nicht feststellen: Mit unterschiedlichen Methoden wird empirisch untersucht, ob es angeborene Präferenzen gibt oder ob alles sozial konstruiert ist. Dass normative Stereotype allein unterschiedliches Verhalten erklären, ist angesichts der Ergebnisse wenig plausibel. Florian Aigner scheint auch dem Irrtum zu unterliegen, dass verwirklichte Gleichberechtigung zwingend faktische Gleichheit implizieren muss.
Das macht es nicht einfacher, herauszufinden, wofür der Autor denn im positiven Sinne steht. Es ließ sich jedoch eine Tendenz in den Texten feststellen, nämlich eine Betonung des Moralismus gegenüber der Empirie, auch wenn es sich nicht um Normen, sondern um Tatsachen handelt. Wenn die empirischen Sozialwissenschaften jede Meinung belegen können, sind sie de facto desavouiert. Um ohne Bezug auf Tatsachenfeststellungen dennoch zu entscheiden, ob eine “Meinung gefährlicher Unsinn” ist oder nicht, bleibt dann nur der Rückgriff auf eine moralische Doktrin. Die Annahme, dass es in den Texten gar nicht um Wissenschaft geht, sondern um eine zeitgeistige Tugendsignalisierung, erscheint daher plausibel.
Die ausführliche Analyse mit Quellenangaben findet sich auf scientifictemper.org.
14. Februar 2025 um 13:17
Feodor schreibt hier in 3200 Zeichen letztlich nichts, entscheidend wäre sein Artikel, der aber nur verlinkt ist. Wieso man diesen nicht in den GWUP-Blog übernommen hat, um inhaltlich diskutieren zu können, keine Ahnung.
„Bisher (Januar 2025) ist noch kein Grundsatzpapier bekannt, das die Position der Kritiker aussagekräftig von der der GWUP abgrenzt. Um dem nachzugehen, bietet es sich daher an, in verwandten Textbeiträgen von Kritikern analytisch nach relevanten Auffassungen, Denkweisen oder Haltungen zu suchen.“
Skeptix ist ein eigener Verein, kein GWUP-Spinoff. Die Inhalte sind auf skeptix.org zu finden.
Florian Aigner hat keine offizielle Funktion bei Skeptix.
Und was Skeptix mit Kurtz‘ Beobachtung zu tun haben soll, verargumentiert Feodor auch nicht.
Viel Geraune, um es mit Ulrich Berger zu sagen.
14. Februar 2025 um 18:05
Danke für die Hinweise, das muss man natürlich genau prüfen. Beim ersten Durchlesen des Textes von Florian Aigner (https://futurezone.at/meinung/selbstueberschaetzung-der-naturwissenschaft-sozialwissenschaft-kommentar-florian-aigner/402941868) ist mir folgendes Argument aufgefallen:
Die Wahrheit ist: Wenn wir in dieser komplizierten Welt zurechtkommen wollen, in der alles mit allem irgendwie zusammenhängt, dann brauchen wir kluge Ideen aus allen Wissensbereichen. (Zitatende)
Das zeigt zumindest, dass sich Florian nicht besonders gut in Philosophie auskennen kann, denn die Vorstellung, dass alles mit allem zusammenhängt, führt zu sehr großen Problemen, wenn man tatsächliche empirische Zusammenhänge festhalten möchte. Lustig ist natürlich auch, dass man dieses Argument sehr oft von Esoterikern hört. Aber nochmal: Genaues Prüfen muss noch geleistet werden.
15. Februar 2025 um 10:37
Fachlich kann ich zu dem Thema im Prinzip nichts beitragen.
Allerdings muss ich als Mensch ohne Abitur und Studium etwas anmerken:
Sollte der Blog dazu dienen ein breites Publikum zu informieren, müssen Beträge unbedingt verständlicher formuliert werden als dieser Betrag.
Vielleicht denkt Ihr daran Eure Beiträge hinsichtlich der Verständlichkeit für non-Akademiker zu prüfen.
15. Februar 2025 um 10:46
Skeptix ist ein eigener Verein, kein GWUP-Spinoff. Die Inhalte sind auf skeptix.org zu finden.
Florian Aigner hat keine offizielle Funktion bei Skeptix.
Florian Aigner hat die GWUP in seinen Essays kritisiert. Auf diese Kritik wird eingegangen. Darum geht es; nicht mehr und nicht weniger.
Viel Geraune, um es mit Ulrich Berger zu sagen.
Kommen denn auch noch sachliche Kritikpunkte? Oder bleibt es bei nichtssagenden Kurzkommentar?
15. Februar 2025 um 12:25
@ Reiner Meyer: Meine Analyse zitiert den gesamten Text von Florian Aigners Essay „Die Selbstüberschätzung der Naturwissenschaft“. Ich lasse nichts weg. WordPress unterstützt auch keine Fußnoten, die aber bei diesem Unternehmen unverzichtbar sind.
15. Februar 2025 um 12:52
@ Wolfgang: Ehrlicherweise weiß ich nicht, wie dieses ziemlich komplexe Thema weiter heruntergebrochen werden könnte – dazu habe ich nämlich nicht Ahnung genug. Aber ich kann Deinen Punkt verstehen. Wobei ich nicht weß, wie Bernd Harder das hinbekommen hätte.
Aber das ganze Problem ist doch gut zusammengefaßt; Theodor Körkel stellt fest, daß sich einige relativ prominente Mitglieder von der GWUP getrennt und einen neuen Verein gegründet haben. Im Gegensatz zum Getöse des letzten Jahres schafft es dieser Verein nicht, sich ganz offiziell zu positionieren. Somit bleibt unklar, was ihn von der GWUP unterscheidet. Daß Theodor dann sich hilfsweise Aigners Texte vornimmt, die doch recht gut die Position der GWUP-Dissidenten wiedergeben, ist doch nur folgerichtig. Natürlich bleibt es Skeptix unbenommen, sich anderweitig zu äußern.
Was ich allerdings bemerke: Bestimmte Themen und Personen werden jeweils nicht mehr berichtet. Beispiele: Aufseiten der GWUP betrifft es den Komplex „false memory – satanic panic“. Bei Skeptix werden Videos von Janos Hegedüs ignoriert. Nun müssen zwei konkurrierende Blogs ja nicht gleichzeitig über dieselben Themen schreiben; andererseits kann eine gewisse Arbeitsteilung auch ihren Charme haben.
Letztlich jedoch fällt auf, daß die meisten Leser sich zumindest beim Kommentarschreiben für einen der beiden Blogs entschieden haben. Eine lebhafte Debattenkultur existiert hier im Blog nicht mehr sehr. Bei Skeptix sieht es allerdings auch nicht besser aus. Ob es „nur“ an der Abwanderung der Leser liegt, kann ich nicht beurteilen, aber es macht mir auch gerade wenig Spaß, zu kommentieren.
Zurück zum aktuellen Artikel: Lieber Sebastian Bartoschek, ich warte auf ein offizielles Statement von Skeptix, wie Ihr Euch positioniert. Dein Kommentar hier besagte eigentlich nur, daß Du Dich persönlich angegriffen gesehen hast.
Ich bin ja ein Prinzipienreiter, also sieh es mir nach: Ich möchte genau wissen, was Skeptix von der GWUP unterscheidet, welche Themen bei Euch nicht auf der Agenda stehen, und bei welchen eine Diskussion in den eigenen Reihen nicht erwünscht ist. Nach den diversen Statements im letzten Jahr, sollte das für den Vorstand von Skeptix ja nicht allzu schwer sein, oder?
15. Februar 2025 um 17:05
Zum Kommentieren vielleicht eine Sache die mich stört: Das Freischalten eines Kommentares dauert gefühlt länger als eine gesamte Briefschachpartie im 18. Jahrhundert. Das geht besser und wäre damit sicherlich einer möglichen Diskussion förderlicher.
15. Februar 2025 um 17:05
Ich habe den Text jetzt zugebenermaßen nur angelesen, und zwar bis zu der Stelle, wo Körkel etwas kleinkariert moniert: „Zum einen ist Mathematik keine Naturwissenschaft, denn die Mathematik sagt selbst nichts über die Natur aus.“
Dem würde ich zwar zustimmen, wundere mich aber trotzdem über diesen Vorwurf an Aigner, denn dieser hat m.E. überhaupt nichts derartiges behauptet. So früh im Text schon der erste Strohmann?
Im Fazit legt Körkel sogar nochmal nach und kritisiert „unpräzise gehaltene Sprache“ Aigners, es entstünde z.B. der Eindruck, dass Mathematik eine Naturwissenschaft sei.
Wirklich? Also bei mir nicht.
Manfred Körkel gewinnt seinen persönlichen Eindruck offenbar hauptsächlich aus der rhetorischen Frage Aigners, warum „das Maß an Statistik (oder Mathematik im Allgemeinen) ein Indikator für den Wert einer Wissenschaftsdisziplin“ sein solle?“
Wie man da vom einen aufs andere kommt, bleibt mir schleierhaft.
Mein Fazit: Manfred Körkel fordert einerseits vehement sprachliche Präzision – nur um umgehend einen Strohmann zu konstruieren! Unter sprachlicher Präzision verstehe ich jedenfalls etwas anderes. Oder habe ich da irgendetwas überlesen?
15. Februar 2025 um 17:32
@borstel
Mein erster zugegebenermaßen flüchtige Eindruck ist, dass sich ein Teil der Debatten ins Skeptische Netzwerk der GWUP (bei dem ich mich seit neuestem angemeldet habe) verlagert hat. So läuft manches wohl unter dem Radar ab, denn dort werden die Blog-Artikel parallel veröffentlicht.
15. Februar 2025 um 17:44
@borstel: Jaja, der Theodor im Fußballtor…
Nehmen wir das vorläufige Programm der Skepkon 2025. Da wird z.B. Norbert Aust einen Vortrag halten über die „mögliche Rolle der Kernenenergie in der deutschen Energiewende“.
Das wird sicher ein sehr gut und interessant gemachter Vortrag sein, wenn man technikaffin ist und sich für das Thema Energiewende interessiert.
Von mir aus können wir auch über die Rolle der Windenergie, die Rolle von Biosprit, die zukünftige Rolle von Gas und Kohle im Energiemix sprechen, wir können über CO2-Einlagerung diskutieren u.s.w.
Ich kann mir jetzt aber auch gut vorstellen, dass es Menschen gibt, die das nicht so interessiert und die lieber was zu so…skeptischen Themen hören würden, weil sie ja schließlich seinerzeit genau deswegen in diesen Skeptikerverein eingetreten sind.
Ich weiß nicht, wie der Skeptix-Vorstand sich die Abgrenzung zur GWUP thematisch vorstellt. Der muß sich darüber aber womöglich gar keine großen Gedanken machen. Ich denke mir, dass Skeptix einfach das Sammelbecken für diejenigen bilden wird, die die klassischen Themen favorisieren, während man sich bei der GWUP im Augenblick selbst noch nicht so recht im klaren darüber zu sein scheint, wohin die Reise gehen soll.