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Homöopathie raus der Kassenerstattung: „Es geht nicht um ein Berufsverbot“

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Als der Ärztetag im Mai beschloss, die Homöopathie aus der GOÄ zu streichen, faselten einige Betroffene allen Ernstes von einem „Berufsverbot für homöopathisch tätige Ärzte“.

Und wir dachten immer, dass „Homöopathie“ bloß eine Zusatzbezeichnung für Ärzte sei, die grundsätzlich auch richtige Medizin können. Solche Aussagen lassen also tief blicken.

Wie auch immer:

Dass und warum das Geschwätz vom „Berufsverbot“ Unsinn ist, erläutert heute im Berliner Tagesspiegel der INH-Sprecher Dr. Christian Lübbers:

Selbstverständlich geht es nicht um ein „Berufsverbot“, was auch vor dem Ärztetag juristisch geprüft worden ist. Es geht vielmehr um die Frage der Vereinbarkeit mit dem Gebot, die ärztliche Profession nach wissenschaftlichen Grundsätzen auszuüben. Und um die ethischen Fragen, die eine Anwendung von Homöopathie jedenfalls dann aufwirft, wenn sie nicht als Offenes Placebo erfolgt.

Zum Weiterlesen:

  • Es geht nicht um ein „Berufsverbot“, tagesspiegel am 25. Juni 2024
  • Ärztetag beschließt: Homöopathie soll aus der GOÄ gestrichen werden, Ärztezeitung am 10. Mai 2024
  • DPhG-Statement: „Homöopathische Arzneien sind (auch) keine Wundermittel“ vom 7. Juni 2024
  • Der Deutsche Ärztetag distanziert sich von der Homöopathie, INH am 13. Mai 2024
  • Aus für die Homöopathie? „Feiert noch nicht“, erklärt Dr. Hegedüs, GWUP-Blog am 24. Mai 2024
  • Wollen Sie wirklich ein Homöopathie-Verbot für ärztliche Kollegen, Dr. Hanefeld? ÄrzteZeitung am 21. Mai 2024
  • Homöopathie: Wie eine Apotheke Schweinsbeuschel zu Mutterkuchen-Globuli veredelt, derStandard am 21. Juni 2024

7 Kommentare

  1. Es war angezeigt, bei dem vielen Unsinn, der nach dem Ärztetagsbeschluss verbreitet worden ist (beispielsweise im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages), seinen Kerninhalt einmal deutlich herauszustellen: Nämlich das klare medizin- und berufsethische Statement der Ärzteschaft zur Homöopathie.

    „Immerhin liegt hier eine mehrheitlich beschlossene fachliche und standespolitische Position vor, die zwar keine Verbote beinhaltet, aber zumindest eine Auseinandersetzung mit ihren Prämissen einfordert.“

    So Dr. Lübbers im „Tagesspiegel“. Und das ist der Punkt. Soweit wir wissen, nimmt die Bundesärztekammer den Beschluss ernst und sieht ihn als Verpflichtung an. Ignorieren und Zerreden wird deshalb auf Sicht nicht mehr die richtige Taktik der üblichen Verdächtigen sein.

  2. Berufsverbot? Ich zitiere aus dem verlinkten Artikel der Ärztezeitung:

    Das ließ Dr. Klaus Thierse aus Berlin wiederum nicht gelten. Niemand verbiete „Zitronensaft oder Zucker auf Wunden zu streuen“, das könne jeder machen, wie er wolle. „Aber wir müssen es nicht noch weiter betreiben“, und die Sonderstellung der homöopathischen Erstanamnese mit einem Honorar von 120,65 Euro zum 2,3-fachen Satz – „zugegeben, für 60 Minuten“ – sei nicht weiter zu rechtfertigen.

    Die GOÄ-Nr. 34 für ein ärztliches Gespräch bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohlicher Erkrankung dagegen bringe im Vergleich nur 40,22 Euro für den 2,3-fachen Satz, für 20 Minuten.

    Die homöopathisch tätigen Ärzten fürchten schlicht um die Füllung ihres Geldbeutels.

  3. @RPGNo1

    3*40,22=120,66. Stimmt doch, oder?

  4. Naja, ich würde den Vergleich mit GOÄ 34 gleich aus verschiedenen Gründen gar nicht ziehen wollen (tatsächlich ist damals bei der Bemessung der Ziffer darauf reflektiert worden, dass man glaubte, etwa den dreifachen Zeitaufwand und damit auch den dreifachen Satz im Vergleich zu GOÄ 34 für die homöopathische Anamnese ansetzen zu sollen – das war irgendwann im vorigen Jahrtausend).

    Das hat inzwischen viele Verzweigungen. Auch darf man nicht vergessen, dass der reale Satz von GOÄ 34 in der Praxis eines Behandlungsfalls real um 10,72 Euro (beim 2,3-fachen Satz) geringer ausfällt, weil die sonst übliche „Beratungsziffer“ GOÄ 1 nicht daneben abgerechnet werden darf. Was für die GOÄ 30 nicht gilt.

    Warum die Kasse gleichwohl beim homöopathischen Arzt klingelt? Nun, betritt ein Patient die Praxis, leuchten über der Tür sozusagen ohne weitere Voraussetzung die Ziffern 30 und 31 auf – sie sind obligatorisch im homöopathischen Behandlungsfall und brauchen nicht begründet zu werden. Das ist bei GOÄ 34 ganz anders, das ist eine „Sonderziffer“ für besonders zu begründende Sachverhalte, die sehr gerne auch von privaten Abrechnungsstellen angezweifelt wird.

    Bei den Kassensätzen ist es noch komplizierter.

    Man sollte sich deshalb nicht an den pekuniären Haarspaltereien abarbeiten, sondern sich den Leistungstext von GOÄ 30 einfach mal anschauen:

    „GOÄ 30: Erhebung der homöopathischen Erstanamnese mit einer Mindestdauer von einer Stunde nach biographischen und homöopathisch individuellen Gesichtspunkten mit schriftlicher Aufzeichnung zur Einleitung einer homöopathischen Behandlung -einschließlich homöopathischer Repertorisation und Gewichtung der charakteristischen psychischen, allgemeinen und lokalen Zeichen und Symptome des jeweiligen Krankheitsfalls, unter Berücksichtigung der Modalitäten, Alternanzen, Kausal- und Begleitsymptome, zur Auffindung des homöopathischen Einzelmittels, einschließlich Anwendung und Auswertung standardisierter Fragebogen.“

    Klar ist doch: Hier wird ein Haufen Blödsinn als „medizinische Leistung“ beschrieben, ohne einen Gedanken an die Unvereinbarkeit mit der ansonsten von der GOÄ erfassten medizinischen Leistungen. Es ist schlicht und einfach sinnbefreites Geschwafel, was dort als „Leistung“ ins Honorarsystem Eingang gefunden hat.

    Mein Reden: Nicht so sehr auf Pekunäre schauen, die Diskussion ist oft schwierig und auch schräg, was der Vergleich von GOÄ 30 vs. GOÄ 34 ja zeigt. Es gilt vorderhand: Nichts ist immer zu teuer, die Honorierung von Blödsinn ist niemals zu rechtfertigen.

  5. @Udo Endruscheit

    Danke für die Erklärung. Die ist in der Tat stimmiger als das verlinkte Beispiel.

  6. Würde man aus der Beschreibung der GOÄ 30 die Wörter „homöopathisch“ und „Repertorisation“ herausstreichen, wäre das die zutreffende Beschreibung einer normalen ärztlichen Erstanamnese. Warum sollte die weniger wert sein als eine homöopathische? Oder die homöopathische mehr als die medizinische?

  7. @Doc Nemo:

    Das ist einer der zentralen Punkte. Als Erklärung bleibt ganz einfach, dass man der einschlägigen Lobby auch in solchen Bereichen wie dem Abrechnungssystem den roten Teppich bereitwillig ausgerollt hat, nachdem sie es beim AMG 1978 erreicht hatte, ihre „besonderen Therapierichtungen“ anerkannt und festgeschrieben zu bekommen.

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