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Wasserbelebung im Altmühlsee: Bayerischer Landtag soll über Grander-Methode entscheiden

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Für eine vollkommen sinnfreie Homöopathie-Studie hat das Land Bayern 800.000 Euro übrig – warum also nicht auch für Wasserbelebung?

Der ehemalige CSU-Landtagsabgeordnete Alfons Brandl will „Grander-Technologie“ einsetzen, um die Blaualge (Cyanobakterien) aus dem Altmühlsee bei Gunzenhausen zu vertreiben.

Sein Nachfolger Helmut Schnotz

… hat diese Idee aufgegriffen und eine Koalitionsinitiative zur mikrobiologischen Aktivierung der Flora zur Seensanierung eingebracht. Der Landtag wird, das teilte das Büro des Abgeordneten nun mit, im Rahmen der Haushaltsberatungen im Juni dieses Jahres endgültig über die Anträge entscheiden,

schreiben die Nürnberger Nachrichten.

Laut quer geht es dabei um mehrere hunderttausend Euro (275.000 Euro der SZ zufolge).

Der Biophysiker Werner Mäntele von der Uni Frankfurt dagegen hält die Grander-Methode für „Hokuspokus“. Dass die Belebung im Kaltenbrunnersee im Allgäu angeblich funktioniert, hat für ihn keinen kausalen Zusammenhang.

Schon 2022 zeigte quer verschiedene bayerische Gemeinden, die Grander-Anlagen anschaffen. Und auch im Fall Altmühlsee ist die Brandl-Initiative kaum mehr als eine wirkungslose Ersatzhandlung. Die Blaualgen-Plage sei eine Folge von Schadstoffen aus der Landwirtschaft, kommentiert die Süddeutsche:

Das will jedoch offenbar niemand hören.

Auch der „zweifelhafte Ruf des österreichischen Unternehmens“ habe offenbar keine Behörde vor Ort und auch keinen Politiker beschäftigt.

In einem Leserbrief an die SZ wurde Prof. Mäntele weitaus deutlicher als im Fernsehen:

Die von Grander verbreiteten sogenannten wissenschaftlichen Erklärungen für ihr Verfahren sind haarsträubend, entbehren jeglicher naturwissenschaftlichen Grundlage und sind somit eine Irreführung der Kunden und Käufer. Grander hat schon mehrere Prozesse verloren, weitere sind anhängig.

Dieselben Argumente gelten für Hersteller homöopathischer Mittel, die ich mit meiner Krankenversicherung leider mitbezahlen muss. Wann endlich kommen wir in der Neuzeit an und halten uns an rationale wissenschaftliche Grundlagen?

Auch die SPD kritisiert die Pläne des Zweckverbands Altmühlsee sowie der beiden Landtagsabgeordneten Wolfgang Hauber (Freie Wähler) und Helmut Schnotz (CSU):

Für uns wirkt die Ankündigung der Firma Grander eher wie ein schlechter Aprilscherz, schließlich praktiziert diese mit Geräten zur angeblichen „Wasserbelebung“ schon seit Jahren ein äußerst fragwürdiges Geschäftsmodell, das eher an Parawissenschaft und Esoterik erinnert.

Schauen wir mal, ob der bayerische Landtag auch diesen teuren Nonsens durchwinkt.

Update vom 7. Juni

Nach heftiger Kritik hat der Zweckverband Altmühlsee seinen Förderantrag für die Unterstützung des Pilotprojekts zur Bekämpfung der Blaualgen im Altmühlsee mit den Firmen Drausy und Grander zurückgezogen, berichten die Nürnberger Nachrichten. Auch der Bayerische Landtag hat seine Zusage über 275.000 Euro zurückgenommen.

Zum Weiterlesen:

  • Blaualgen im Altmühlsee: Abgeordneter Helmut Schnotz will mehr Mittel für Ursachenbekämpfung, nürnberger-nachrichten am 3. Mai 2024
  • Mit Hokuspokus gegen die Blaualgen-Plage? Süddeutsche am 21. April 2024
  • Mit 800.000 Euro gegen die Realität: Bayerische Globuli-statt-Antibiotika-Studie kommt, GWUP-Blog am 16. Januar 2024
  • Video: Quarks Science Cops über Granderwasser, GWUP-Blog am 7. Mai 2023
  • Die „Science Cops“ über Grander und belebtes Wasser, GWUP-Blog am 17. Februar 2022
  • Addendum-Video: „Das dubiose Geschäft mit dem Granderwasser“
  • Plantschen in seidigem Granderwasser, derStandard am 6. Juni 2019
  • Nach Aus für Grander am Altmühlsee: Wasserqualität soll weiterhin verbessert werden – aber anders, nn.de am 7. Juni 2024

6 Kommentare

  1. Grander führt jetzt eine Studie als Beleg an:

    https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0013935122009653

    Zwei mal 8 Becher Wasser. Manuskript eingegangen 13. Mai 2022, angenommen 5. Juni 2022 – nicht viel Zeit für das peer review.

    Die erwähnten 275.000 Euro wurden, wie seinerzeit schon die Mittel der Homöopathiestudie, über die sog. „Fraktionsreserve“ der Regierungsfraktionen bereitgestellt, ansonsten eigentlich meist ganz sinnvolle Projekte.

    Hier Projekt Nr. 177:

    https://www.csu-landtag.de/image/daten/1989_1117_csufw_fraktionsinitiativen_2024_liste.pdf

    Vielleicht ist beim nächsten Mal ja die Erprobung eines Orgon-Strahlers gegen CO2-Emissionen dabei. Man muss doch unvoreingenommen alles probieren, was helfen könnte, solange es nicht „gegen jeden Menschenverstand“ (Scheuer zum Tempolimit) ist ;-)

  2. Man fragt sich als Skeptiker und Aufklärer ja eh schon ständig, wie man den grassierenden Unsinn und die sich wie Blaualgen verbreitende Ignoranz gerade unter Entscheidungsträgern überhaupt noch eindämmen kann.

    Und dann (wieder) sowas.

    Ich erinnere mich gut, Unterstützung für Erich Eder nach dem gewonnenen Prozess gegen Grander, der ihm gleichwohl eine fünfstellige Summe aufhalste, war mein Einstieg in den „ernsthaften“ Skeptizismus. Ist ein kleines Weilchen her.

    Besser geworden ist offensichtlich, ich drücke mich mal optimistisch aus, wenig.

    Vor allem nicht bei Grander. Die Chuzpe, die die Firma in der Nachfolge des Erleuchteten an den Tag legt, ist geradezu atemberaubend. Wirkt offenbar. Bis in den Bayerischen Landtag.

  3. Ich gehe ja davon aus, dass da weitere flankierende Maßnahmen zur Sanierung des Sees gemacht werden, z.B. Belüftung.

    Ein klein wenig dürfen die Wasserwirtschaftler doch noch mitsprechen. Aber leider wird dann das Ganze von Grander selbstverständlich für die „Wirksamkeit“ der Grandermethode als Beispiel herangezogen, wenn die flankierenden Maßnahmen wirken.

    Klappt es nicht, dann waren die flankierenden Maßnahmen der Grund dafür, dass es nicht wirken konnte, durch die Verwirbelung des Wassers im See, war die Anzahl der eingesetzten Granderbeleber (oder wie man die Dinger nennen mag) nicht ausreichend, um diese große Wassermenge entsprechend zu beleben. Also muss dann nächstes Jahr die doppelte Menge eingesetzt werden.

    Und falls die Witterung in diesem Sommer mitspielt, könnte bei aureichend NIederschlag und etwas niedrigeren Temperaturen die Blaualgenblüte ausbleiben. Aber das ist dann sicherlich Grander zu verdanken.

  4. Hier noch ein Artikel der NN:

    https://www.nn.de/region/gunzenhausen/blaualgen-im-altmuhlsee-abgeordneter-helmut-schnotz-will-mehr-mittel-fur-ursachenbekampfung-1.14248606

    Darin spricht Schnotz sich dafür aus:

    „Nach diesem fachlichen Austausch werde er sich nun dafür einsetzen, Haushaltsmittel noch stärker für die Ursachenbekämpfung des Algenwachstums einzusetzen, versichert Schnotz.“

    Au weia! Offensichtlich meint Schnotz mit „Ursachenbekämpfung“ das „Einsetzen“ von „Grander-Technologie“!…

  5. Pingback: De linke weekendbijlage (19-2024) - Kloptdatwel?

  6. sieht so aus, als wäre die Grander-Wasserbelebung gestoppt…

    Leider hinter Bezahlschranke:

    https://www.nn.de/region/wei%C3%9Fenburg/das-ende-der-grander-wasser-traume-am-altmuhlsee-1.14258325

    Es wäre besser, wenn so was breiter kommuniziert würde, damit nicht demnächst die nächste Gemeinde mit Grander daherkommt.

    Felix

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