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Erschreckendes Maß an Naivität, Werblichkeit und Inkompetenz: Alternativmedizin bei „Galileo“

| 15 Kommentare

Wenn schon im Januar der wohl nicht mehr zu toppende Höhepunkt des Quatsch-Fernsehens für dieses Jahr läuft:

Heilpraktiker arbeiten also Galileo (Pro Sieben) zufolge nach einer dreijährigen Ausbildung ähnlich wie die Ärzte, nach einer gescheiten Diagnostik folgt in der Regel auch eine sensationell gute Therapie, und eine Säule des Gesundheitssystems ist die Laienzunft auch noch.

Da kräuseln sich sämtliche Chakren – aber dankenswerterweise hat uns diesmal der Humanistische Pressedienst die Kommentierung abgenommen:

Das Maß an Naivität, Inkompetenz oder wenig subtiler Werblichkeit – was auch immer der Beweggrund gewesen sein mag –, welches mit „Hokuspokus oder alternative Medizin? Wir checken Globuli & Selbstheilungskräfte“ an den Tag gelegt wird, ist erschreckend.

Zum Weiterlesen:

  • Galileo-Beitrag krankt: Zuckertherapie oder Milgram-Experiment? hpd am 31. Januar 2023
  • Ein „Bund“ zwischen Ärzten und Heilpraktikern? Das freut nur die Pseudomediziner

15 Kommentare

  1. Ab Minute 11.30:

    Es scheint auch eine alternative Methode zu geben, seine FFP2 ins Gesicht zu hängen, um möglichst viel ungefilterte Naturluft komplementär zur schulmedizinisch behandelten Luft ein- und auszupfeifen… :- )

    Das Gelabere von „…in Zukunft kein Gegensatz mehr aus klassischer Medizin und Alternativmedizin… das Beste aus beiden Welten“ hört man in Radio/ TV unverändert seit Jahrzehnten, ohne je den Eindruck zu bekommen, dass die „Alternative“ sich irgendwie vorwärts bewegt hätte.

  2. Die SZ hat schon vor 10 Jahren zusammengefasst, was von „Galileo“ zu halten ist. An der Einschätzung hat sich nichts geändert.

    Objektiv betrachtet, ist es nicht die Aufgabe von ProSieben, eine Wissenssendung zu produzieren, die nur eine kleine Zielgruppe hätte. Denn das Privatfernsehen unterliegt keinem Programmauftrag. Die Anbieter sind an die Werbeindustrie gebunden und müssen deshalb versuchen, möglichst hohe Einschaltquoten zu erzielen. Am einfachsten funktioniert das über ein stark unterhaltungsorientiertes Programm, weniger über trocken wissenschaftliche und andere Nischenthemen.
    […]
    Man kann „Galileo“ als Humbug abtun oder sich mit Halbwissen unterhalten lassen. Fakt ist, dass das Format eher ein Infotainment-Magazin ist als eine Wissenssendung – doch damit erfüllt es seinen Auftrag: starke Quote, Erfolg bei jungen Menschen.
    […]
    Am Ende des „Galileo“-Beitrags über Kolumbien wird über den dortigen Nationalsport „Tejo“ berichtet, bei dem versucht wird, mit einer Metallscheibe eine Lehmplatte zu treffen, in die eine mit Schwarzpulver gefüllte Papiertasche eingearbeitet wurde. Der Sprecher sagt, man benötige dafür „viel Bier und die richtige Haltung“. Vermutlich ist das auch das Rezept, die Sendung zu genießen.

    https://www.sueddeutsche.de/medien/shitstorm-gegen-prosieben-magazin-zu-viele-patzer-bei-galileo-1.1437327-2

  3. Zum Glück nur 13 Minuten lang.

    Das Perfide an diesem Bums ist die vorgeblich „kritische“ Attitüde – es wird eine zweifelnde Frage gestellt, die dann aber nur eine Stichwortgabe für beliebige unhinterfragte Schwurbeleien ist: Zweifel unbegründet, Kritik widerlegt, weiter geht’s.

    Und natürlich ist Naturheilkunde der stillschweigende Oberbegriff für jeglichen Unfug von Osteopathie bis Irisdiagnostik.

    Immerhin kam trotz des Titels keine Homöopathie im Beitrag vor. Aber dadurch halt irgendwie doch unter den Schirm der Naturheilkunde. Perfide, ich sags ja.

    Lieblingszitat: „Natürlich ist die Wissenschaft auch meine Basis, aber auf der anderen Seite…“ – ja ne, is klar.

  4. Wie es RPGNo1 zitierte: „Galileo“ will Quote. Ob es stimmt, was da verbreitet wird, ist eher Nebensache. Das ist die Definition von Bullshit. Und mehr ist „Galileo“ auch nicht: Eine Bullshit-Schleuder.

  5. Musste allerdings in den letzten Jahren feststellen, dass auch ARTE öfter mal Schwurbelmedizin raushaut. Ich schau da nicht recht viel, aber musste durchaus öfter schon ordentlich schlucken, um den Kloß aus’m Hals zu kriegen…!

  6. @Helena Zarrabi

    Die Verbindung von arte und Schwurbel wurde schon des Öfteren im Blog thematisiert. Bei denen wechseln sich gute Dokumentationen mit Machwerken ab, über die man nur den Kopf schütteln kann. Das ist wohl dem Anspruch des Senders nach (falsch verstandener) Ausgewogenheit geschuldet.

  7. @Helene Zarrabi

    ARTE ist notorisch wissenschaftsblind (mit ganz gelegentlicher vorübergehender Rückkehr der Sehkraft), nicht erst in den letzten Jahren. Kurz nachdem der Sender seinen Betrieb aufnahm, ging es schon los, mit einem unsäglichen Beitrag über das „Wassergedächtnis“. Seitdem gabs immer wieder schwere bis schwerste Ausrutscher.

    ARTE ist z.B. verantwortlich für die sogenannte Aluminiumangst, weil sie dem „Wissenschaftsjournalisten“ Bert Ehgartner seinerzeit eine Plattform für seine „Dokumentation“ namens „Die Akte Aluminium“ gab – und das auch noch mehrfach ausstrahlte.

    Die letzte Meisterleistung war „Impfen – die ganze Geschichte“, die man sich fröhlich von der Tochter eines in Frankreich einschlägig bekannten Impfgegners produzieren ließ:

    https://www.eingeimpft.de/deja-vu-impfen-die-ganze-geschichte-bei-arte/

    Ich habe schon immer geargwöhnt, dass „Galileo“ von ARTE im Hintergrund produziert wird …

  8. @RPGNo1:

    … arte … Bei denen wechseln sich gute Dokumentationen mit Machwerken ab, über die man nur den Kopf schütteln kann.

    Dafür gibt es außer der falschen Balance auch andere Erklärungen. Ein möglicher Grund für diese guten Dokumentationen könnte der Gell-Mann Amnesia effect sein.

  9. Investigative Recherchen des ÖRR sehen das glücklicherweise anders.

    tagesschau.de: Psychotherapie bei Heilpraktikern „Eine Anmaßung von Kompetenzen“

    Bei Psychotherapien von Heilpraktikern gibt es Qualitätsdefizite und dubiose Behandlungsmethoden, das zeigen Recherchen des SWR. Dabei versprechen deren Berufsverbände, sie stünden für Qualität und entlasteten das Gesundheitssystem.

    https://www.tagesschau.de/investigativ/swr/vollbild-heilpraktiker-101.html

  10. Im DLF Sprechstunde kann man beobachten wie ein Vertreter der TCM, der irgendwie mit der Carstens-Stiftung verbandelt ist – sich wachsweich den eher soften Nachfragen des Moderators entzieht.

    Der DLF bietet unter dem Strich eine Art Werbesendung. Es wird nicht wirklich nachgefragt, sondern eher die Gelegenheit geboten, Kritik zu vermeintlich entkräften.

  11. Das Heilpraktikertum ist eine Möglichkeit für komplett Ahnungslose den großen Arzt zu spielen, ohne dass zuvor irgendein verwertbares Wissen angeeignet wurde. Es ist eine Bühne der Selbstdarstellung.

    Ich halte mir zugute, diese Tatsache im wirklichen Leben immer auch direkt mit Betroffenen direkt und unmissverständlich anzusprechen.

    Das gefährlichste Feld ist u.U. die heilpraktische Psychotherapie. Wohlgemerkt, die studierte Psychologin mit Master darf nicht therapeutisch tätig werden, der Hobbyheiler schon.

    Ein Skandal.

  12. Erschreckend finde ich, auch die Bücher der Serie „Hühnersuppe für die Seele“. In Kurzgeschichten wird erzählt, wie Menschen angeblich mittels diverser Formen der „Ganzheitlichkeit“ ihr Leben (und insbesondere ihre Gesundheit) verbesserten.

    Es wird aus Sicht der jeweiligen Protagonisten z.B. erzählt, dass man gut daran tat sich nicht nur auf den Rat der Ärzte zu verlassen, sondern Dinge zu tun, von denen sie ausdrücklich abrieten.

    Es werden „Erfolgsgeschichten“ von Personen geteilt, die es ablehnten ihre Krebserkrankung schulmedizinisch behandeln zu lassen – und von alleine gesundeten.

    Am extremsten fand ich die Geschichte „Doktortitel statt Gefängniskittel“. Als Jugendliche war sie wegen verschiedener Vergehen überwiegend in Jugendanstalten. Später drei Jahre in Haft. Die Sozialprognose war ungünstig.

    Die Frau erkrankte schwer, drohte zu erblinden. Die Schulmedizin bot ihr keinerlei Hoffnung. Sie beschäftigte sich ausgiebig mit Kräutermedizin, Farbtherapie, Yoga, Akupressur und Akupunktur. Später wurde sie „Touch- for- Health-Lehrerin und erwarb einen Doktortitel (!) in ganzheitlicher Medizin, konnte wieder besser sehen und durfte sogar wieder Fahrzeuge bedienen.

    Es verbreitete sich die Kunde, dass sie in aussichtslosen Fällen helfen könne.

    Da jeder „seine“ inspirierende Geschichte einschicken darf, sollte der „Wundereffekt“ dieser Storys eigentlich verpufft sein.

    Einer der Autoren, Jack Canfield, wirkte an dem Film „The Secret“, einem parawissenschaftlichem Dokumentarfilm, von Rhonda Byrnes mit.

  13. Gerade las ich auf der Homepage einer Heilpraktikerin, dass Heilpraktiker Blut abnehmen und Infusionen legen dürften. Als Vorteil hebt sie hervor, dass Heilpraktiker sich mehr Zeit nehmen können, das Blutbild mit ihren Patienten zu besprechen.

  14. @Miriam

    2016 stand im Zusammenhang mit den Überlegungen zu einer Neuordnung der Heilpraktikerprüfung (die ein Schuss in den Ofen wurde) auch zur Debatte, Heilpraktiker bei invasiven Maßnahmen zu beschränken. Das löste einen Sturm der Entrüstung bei den Heilpraktikerverbänden aus und so blieb alles beim alten.

    Theoretisch könnte ein HP sogar eine komplette Operation vornehmen, nur darf er keine verschreibungspflichtigen Anästhetika verwenden, nur deshalb kann man sich beim HP nicht den Blinddarm rausnehmen lassen …

    Das Laborwesen ist für HP ein höchst einträgliches Geschäft, HP betreiben bundesweit mehrere Laborgemeinschaften, sie dürfen selbst keine Analysen durchführen (außer sie beschäftigen ausgebildete MTA).

    Ob die Besprechung der Ergebnisse zwar mit viel Zeit, aber ebensolchem Sachverstand verläuft, das lassen wir mal offen.

  15. Ach nee! Nach dem Besprechen von Warzen jetzt auch das Besprechen von Blutbildern? Na, die sind ja geschäftstüchtig!

    (Entschuldigung, aber ich hatte einen anstrengenden Tag, und das mußte jetzt mal sein.)

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