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Ausbeutung von Krisengefühlen: Die Masche der falschen Gesundheitsexperten

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Starkes Lesestück bei Krautreporter:

Die Medizinjournalistin Silke Jäger stolperte im Internet über die Behauptung des US-Quacks und Impfgegners Andrew W. Saul, Depressionen mit hoch dosiertem Vitamin B3 zu heilen:

Da schrillen bei mir alle Alarmglocken. Doch ich kann mir gut vorstellen, dass sie das nicht unbedingt täten, wäre ich verzweifelt auf der Suche nach Schmerzlinderung und Hilfe bei einer hartnäckigen Krankheit. Sauls Geschäftsmodell beutet genau diese Krisengefühle aus, in denen Menschen bereit sind, auf Kontrolle zu verzichten. Das unterscheidet sich nicht groß von den Methoden der Karrenzieher auf mittelalterlichen Marktplätzen.

Im Weiteren beschreibt Jäger die Vorgehensweise von falschen Gesundheitsexperten und gibt Tipps, diese zu durchschauen:

Die Masche der Scheinexperten funktioniert, und wie sie aussieht, ist kein großes Geheimnis. Zuerst stellen sie eine Behauptung auf und kreieren einen Scheinbeweis dafür. Dann schreiben sie ein Buch darüber. Bauen sich eine Website, die ihr Buch promotet. Veröffentlichen Artikel im Internet. Schalten Anzeigen in Käseblättern, weil die von vielen Leichtgläubigen gelesen werden.

Halten Vorträge. Produzieren Videos für YouTube. Setzen Profile in sozialen Medien auf. Vernetzen sich mit Gleichgesinnten, damit sie sich gegenseitig weiterempfehlen können. Lassen sich vielleicht sogar als Talkshow-Gast einladen, wenn es gut läuft und ihre Postings genügend oft von Zeitungen zitiert wurden. Oder sie vertreiben die Mittel, die sie empfehlen auch noch selbst.

Damit haben sie einen ewigen Kreislauf geschaffen, der sich selbst nährt. Eine Gelddruckmaschine. Ein Circle of Life.

Zum Weiterlesen:

  • Wie du falsche Gesundheitsexperten durchschaust, krautreporter am 23. Oktober 2018
  • Scharlatane im Netz, salonkolumnisten am 29. März 2018
  • Medizin: „Falschinformationen, Halbwahrheiten, Werbung und Mythen“ im Internet, GWUP-Blog am 26. November 2017
  • Krebs: Gefährliche Online-Lügen, GWUP-Blog am 10. April 2017

4 Kommentare

  1. Ja, es ist genau so! Und auch noch in ähnlichen Bereichen…

    Letzte Woche sah ich mal wieder eine selbsternannte Ernährungsexpertin in einer als bisher als seriös einzuschätzenden TV-Sendung.

    Immer das gleiche, was erzählt wird – wenn man Glück hat und sie nur wissenschaftliche Bücher gelesen hat. Was mich so daran stört ist, dass die „Experten“ (Hauptsache, sie sehen vital und gesund aus) ähnlich wie Veranstalter von Tupperpartys Neueinsteiger sind und in meinen Augen solche „Jobs“ oft verantwortungslos machen. Das sind oft Frauen, die vorher schon tausend andere Sachen in Eigenregie machten und abzocken oder einfach nur finanziell überleben wollen.

    Solche Fachbereiche sollte nur wirklichen Experten überlassen werden, also Leuten, die in dieser Richtung ein Studium (z. als Ernährungswissenschaftler) oder einen Beruf diesbezgl. von der Pike auf gelernt haben.

    Diese ganzen Möchtegernspezialisten (zwei Wochen zuvor noch z. B. Sternendeuterin oder sonstwas), die ihr Wissen oft in Wochenendseminaren „gelernt“ haben, hängen mir zum Hals raus. Aus allen Ecken schießen sie hervor…diese Coach ´s für alles mögliche, eben das, was momentan gerade hip ist.

    Während die, die sich im Wochenendseminar oder Workshop einigermaßen Vernünftiges aufgesogen oder mit ordenlichen Büchern ihr oberflächliches Wissen angeeignet haben und keinen großen Schaden anrichten (außer dass sich sich Experten nennen, was sie nicht sind), werden aber die, die falsche Literatur gelesen haben oder sich das Blaue vom Himmel runterlügen, mit ihrem gefährlichen wissenschaftlich völlig unhaltbaren Geschwafel vielleicht schlimmen Schaden anrichten.

    Man mag lieber erst gar nicht an solche Gestalten denken…

  2. „Zum Abschluss muss ich meinen Ärger aber noch mal rauslassen. Das ist für dich, Saul, du bekommst das jetzt stellvertretend für deine Zunft ab: Ich würde dir gerne einmal die von dir empfohlene Menge Niacin ins Müsli rühren. Damit du am eigenen Leib spürst, wie hundeelend es all den Menschen geht, denen du falsche Hoffnung machst und die dann zum Beispiel anderthalb Stunden lang immer wieder zum Klo rennen, bis nur noch Galle kommt. Natürlich würde ich das nicht wirklich tun, denn ich habe ein Gewissen. Anders als du, der du dich auf deiner hässlichen Website als Mega-Vitamin-Mann abbilden lässt, im Supermann-Kostüm. Ich könnte kotzen. Ganz ohne Vitamin-Überdosis.“

    Sachlich geht anders. Diese Art zu bloggen ist kontraproduktiv. Was die Schreiberin wahrscheinlich auch weiß, ihr aber egal ist, da sie nur für ihre Blase kommentiert.

  3. @Michael:

    Nun ja – also das sind ein paar Zeilen in einem Artikel, der insgesamt mit „16 Minuten Lesezeit“ angekündigt ist.

    Was genau ist daran „kontraproduktiv“?

    Vom allgemeinen Duktus her will die Autorin ja niemanden „überzeugen“ (von was denn?), sondern sie arbeitet die Masche von Saul und Co. heraus und spricht dazu ein paar Tipps und Warnungen aus.

    Sorry, wenn ich mich da einmische – aber ich finde das Beharren auf absoluter Sachlichkeit bei jedem Thema, in jeder Situation, bei jeder Darstellungsform nicht wirklich sinnvoll.

  4. Zu Pierre Castell:

    Ich stimme voll zu. Der Begriff EXPERTE ist in Deutschland nicht urheberrechtlich geschützt. Im Prinzip kann sich also jeder Experte für…. nennnen.

    Bei den Experten in den Medien habe ich oft den Eindruck, dass man gerade auf die „Experten“ zurückgreift, die die Aussage der Sendung unterstützen(Lobbyismus).Experten sind also für mich in erster Linie dafür gedacht, Menschen für ein Thema zu manipulieren.

    Hinter jedem Experten steht für mich eine Lobby(Wirtschaft,Politik,Esoterik etc.), die für ihre Produkte werben will.Wissenschaftliche Fakten sprechen für sich und brauchen -für mich- keine Experten.

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