Klar – jeder, der mal bei der Lokalzeitung gearbeitet hat, kennt die Situation:
Da steht unvermittelt ein Leser/eine Leserin in der Tür und möchte unbedingt mit einem Redakteur sprechen. Im günstigsten Fall mit telefonischer Anmeldung, aber nicht immer.
Meistens geht es um irgendwelche öffentlichen Anliegen, die „der Mann von der Zeitung“ publik machen soll, wie etwa zugeparkte Radwege oder verschmutzte Sandkästen oder den verwahrlosten Stadtpark. Manchmal auch um persönliche Probleme mit Ämtern und Behörden.
Und mitunter hat man es mit reinen Selbstdarstellern zu tun, die in die Zeitung wollen, weil sie ihre Lebenserinnerungen zu Papier gebracht haben (handschriftlich, 300 Seiten) oder zum Ehrenvorsitzenden der Vogelbeobachter in Neuseeland ernannt worden sind.
Dann plaudert man eine Viertelstunde mit den Leuten, komplimentiert sie höflich hinaus und schmeißt die Notizen in den Papierkorb.
Nur Abdrucken tut man so etwas für gewöhnlich nicht.
Bei den Nürnberger Nachrichten scheint das aus unerfindlichen Gründen anders zu sein.
Da schneit ein „Sportastrologe“ namens Jannis Okun herein, verstreut ein paar Nettigkeiten über den Club – und bekommt einen kostenlosen ganzseitigen Werbeauftritt in einer der größten Regionalzeitungen Deutschlands.
Selbst platteste Assoziationen wie
Man kann sehen, dass der Club als Sternzeichen Stier vom Horoskop her stark auf die Vergangenheit bezogen ist. In der Vereinshymne heißt es ja auch „der Fels in wilder Brandung“, genauso kann man sich so einen Stier vorstellen, verwachsen mit der Tradition.
Sollte der FCN tatsächlich am Abend geboren worden sein, kommt noch der Skorpion-Aszendent dazu. Skorpion ist das Zeichen von Stirb und Werde, und ich finde, dass das sehr gut zum Auf und Nieder passt.“
ließen den gesprächsführenden Redakteur keineswegs misstrauisch werden.
Entweder ist der Kollege sehr naiv. Oder ein leidenschaftlicher FCN-Fan, der sich von Okun um den Finger wickeln lässt, wie Sternseher es sonst nur mit verzweifelt-liebeskranken Klienten machen können.
Wenigstens im Nachhinein hätten die NN feststellen können, dass ihr gehätschelter „Sportastrologe“ zumindest schon mal das letztjährige CL-Finale total vergeigt und vor der laufenden Bundesliga-Saison den enteilten Tabellenführer Bayern München nur als „Dritter hinter Überraschungsmeister Wolfsburg und Dortmund“ gesehen hat.
Immerhin: Den heutigen Sieg der Nürnberger (Tabellendritter) bei 1860 München (Vorletzter) hat Okun richtig vorausgesehen – wenn auch recht zögerlich:
Ich würde schon sagen, dass der FCN gewinnt, es könnte aber auch ein Unentschieden werden. Das ist jetzt kein total eindeutiges Spiel. Aber das Wochenende darauf, da müsste es mit einem Sieg klappen.“
Drei Konjunktive in zwei Sätzen: Herzlichen Glückwunsch, Jannis Okun!
Und an die Nürnberger Nachrichten ein „Alaaf! Helau!“ für diesen Faschingsscherz von Interview.
Zum Weiterlesen:
- Nürnberger Nachrichten werben unkritisch für Astrologie, Nachdenken … bitte am 6. Februar 2016
- Astrologie und das Finale der Champions League: Juventus Turin gewinnt um 23:24 (und 14 Sekunden), Astrodicticum simplex am 6. Juni 2015
- Ein gutes neues Jahr – und ein Horoskop, auf das man sich verlassen kann, GWUP-Blog am 1. Januar 2016
- “Mein Horoskop stimmt immer!” Ja und? GWUP-Blog am 4. Mai 2013 (mit zahlreichen Links zum Thema Hellsehen und Wahrsagen)
7. Februar 2016 um 08:49
Der – bis jetzt – einzige Kommentar unter dem Artikel nennt ihn ja zurecht einen „Faschingsscherz“ – zumindest EIN Leser nimmt ihn also gelassen, diesen Quatsch.
Denn: „…und nur die Presse zeigt, wie dumm nur die Presse sein kann.“ (Harry Rowohlt)
7. Februar 2016 um 10:08
„Beim nächsten Spiel müsste es mit einem Sieg eigentlich klappen.“
Das ist doch mal eine Ansage. Es kommt der VfL Bochum – einen Platz hinter Nürnberg und ebenfalls „gut drauf“. Ich werde die Vorhersage im Hinterkopf haben, wenn es Montag zum Spitzenspiel kommt.
Obwohl die Rede war vom Wochenende. Ist da die Ausrede schon eingebaut? :-)
7. Februar 2016 um 11:00
Es gibt auch anderen Journalismus, zum Beispiel Deutliches über „esoterisches Wasser“: http://www.heise.de/tp/artikel/47/47170/2.html
7. Februar 2016 um 16:31
Scheinbar gibt es nicht nur in Köln den „Klüngel“…
7. Februar 2016 um 18:09
Wer nxi kann und wer nix werd
kommt aus Nemberch oder Ferdd
7. Februar 2016 um 21:35
Noch schlimmer ist ja, dass der gute Mann ja als Kriminalist arbeitet. Wie im online gestellten Artikel die Rede war.
7. Februar 2016 um 21:37
Sie reden halt so schön und verbergen geschickt ihr Unwissen vor unkritischen JournalistInnen.
So heute in Österreich geschehen.
http://www.tt.com/lebensart/9928731-91/ein-spiegel-zur-kranken-seele.csp?tab=article
7. Februar 2016 um 21:55
Sorry. Das verlinkte Interview ist ein Jahr alt. Das heutige Interview mit Herrn Dahlke kann ich leider nicht verlinken.
8. Februar 2016 um 20:00
Was es alles gibt :-)
Finanzastrologen und sogar Sportastrologen.
Er hat sogar einen eigenen Blog:
https://astroarena.org/ueberastroarena/
Leider ist die Astrologie ein Beispiel dafür, daß manches sich noch tapfer hält, obwohl es bewiesener Unsinn ist.
Zitat Blog
Aha, es führt in den Bereich der Metaphysik…so kann man schön einer Erklärung ausweichen, genauso wie die Transzendenz in den Religionen.
Dann der haarsträubende Vergleich bzw Beweis (und der Herr studiert Kriminologie), daß doch auch der Mond Einfluss auf Ebbe und Flut hat…oh man, das ist die Gravitation und das ist keine Metaphysik, sondern richtige Physik.
@Hans Dampf
Er arbeitet noch nicht als Kriminologe, sondern studiert das noch…mal sehen, ober er eine adäquate Stelle bekommt…
15. Februar 2016 um 21:41
“Beim nächsten Spiel müsste es mit einem Sieg eigentlich klappen.”
Update: Das „nächste Spiel“ ist soeben 1:1 ausgegangen. Da hat sich wahrscheinlich der Aszendent der Bochumer in der Kabine geirrt.
Oder irgendein Mond stand im falschen Haus. Ach, was weiß ich. Vielleicht war ja auch nur das nächste Spiel gemeint. ;-)
15. Februar 2016 um 21:45
@langsamdenker:
Sehr schön.
16. Februar 2016 um 08:15
@ langsamdenker: Es ist immer das nächste Spiel gemeint, das läuft so ähnlich wie ab morgen wird gespart, ab morgen nehme ich ab oder, in Kneipen, Morgen alles umsonst.
18. Mai 2016 um 16:43
Was immer man davon halten soll:
<< Die AstroArena – Chronologie einer gescheiterten Idee <<
https://astroarena.org/2016/05/16/die-astroarena-chronologie-einer-gescheiterten-idee/
18. Mai 2016 um 17:19
@ Bernd Harder
„Mein Dank gilt hier kritischen Stimmen wie der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP)…!“ (Jannis Okun, Astro-Arena)
Na, wirklich seltsam.
Ehrliche Absicht dahinter, oder Rückzug wegen Schadensbegrenzung für Jannis Okun selbst, weil seine Kunden noch auf ihre Geldzurückerstattung warten und evtl. Anzeige gegen ihn erstatten werden?
Fragen über Fragen. Vielleicht liest Herr Okun mit und liefert Antworten…
18. Mai 2016 um 19:31
Herr Okun ist seinerzeit vor allem bei Florian Freistetter ziemlich in die Mangel genommen worden, dort musste er Woche um Woche schwere Schlappen mit seinen Vorhersagen einstecken. Das dürfte ihn am Ende ziemlich zermürbt haben.
18. Mai 2016 um 20:18
@noch’n Flo:
Ich kenne nur diesen Artikel, gab es noch weitere?
http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2015/06/06/astrologie-und-das-finale-der-champions-league-juventus-turin-gewinnt-um-2324-und-14-sekunden/
18. Mai 2016 um 22:36
@ Bernd Harder:
Nö, das ist schon der richtige. Die Zerlegung seines Bundesliga-Vorhersageprojeks erlebte Herr Okun dann im Laufe der über 600 Kommentare.
19. Mai 2016 um 11:53
Herr Okuns Beitrag auf seiner Website liest sich tatsächlich wie wehmütige Selbsterkenntnis. Drücken wir die Daumen, dass der Wandel nachhaltig ist.
Und da ja jetzt die Stelle des Sportastrologen frei ist, versuche ich es mal mit einem Bewerbungstipp: Die Relegation zur 1. Liga gewinnt Frankfurt, die zur 2. Liga Duisburg und die Championsleague gewinnt Madrid. ;-)
19. Mai 2016 um 11:56
<< und die Championsleague gewinnt Madrid << So funktioniert Astrologie.
19. Mai 2016 um 14:07
@ langsamdenker
„Herr Okuns Beitrag auf seiner Website liest sich tatsächlich wie wehmütige Selbsterkenntnis. Drücken wir die Daumen, dass der Wandel nachhaltig ist.“
Ich glaube kein Wort davon!
Übrigens, hat sich mal jemand seine „Angebote“ durchgelesen?
https://astroarena.org/angebote/
19. Mai 2016 um 15:20
<< Aus Pause wird Ende: Der Sportastrologe gibt auf – und dankt der GWUP << https://wahrsagercheck.wordpress.com/2016/05/19/aus-pause-wird-ende-der-sportastrologe-gibt-auf-und-dankt-der-gwup/
19. Mai 2016 um 15:21
@noch’n Flo:
655 Kommentare – ja, das hat was.
19. Mai 2016 um 17:56
@ Pierre Castell
Warum glauben Sie ihm nicht? Ich sehe – bis zum Beweis des Gegenteils – keinen Grund dies nicht zu tun. Er hat schon vor Wochen seine Zweifel geäußert, und beendet das Ganze eben jetzt. Trauen sie ihm keinen Lerneffekt zu?
Ach ja: Und die Angebote auf seiner Webseite sind im üblichen Rahmen der Branche, und preislich eher am unteren Ende.
19. Mai 2016 um 20:17
@ Micha
„Trauen sie ihm keinen Lerneffekt zu?“
Na, ich lass mich mal überrraschen!
Wenn er es ehrlich meint, ziehe ich meinen Hut!
20. Mai 2016 um 07:37
@ Bernd Harder:
„655 Kommentare – ja, das hat was.“
Och, für Freistettersche Verhältnisse ist das noch gar nichts. Artikel mit Eso-Themen kommen bei ihm gerne mal auf 1000+ Kommentare. Der Rekord steht – wenn ich das gerade richtig erinnere – bei mehr als 2200 Kommentaren unter einem einzigen Artikel.
Da müsst Ihr in diesem Blog erst einmal hinkommen… ;)
20. Mai 2016 um 11:11
@noch_n Flo:
<< Da müsst Ihr in diesem Blog erst einmal hinkommen… ;) << Wäre nicht so schwierig, wenn ich jeden Blödfug freischalten würde ...
10. Juli 2016 um 11:50
Hier übrigens noch ein interessanter Link zum Thema Wissenschaft und Astrologie (auf Englisch): http://www.astrology-and-science.com